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Beitrag 43 von 143 Beiträgen.
Seite erstellt am 27.4.24 um 7:09 Uhr
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der Beitrag:
Verfasser: bjoerny
Datum: Dienstag, den 4. November 2008, um 0:21 Uhr
Betrifft: Stellungnahme, teils Pro, teils Kontra:-)

> Ich denke, es kann bei der Beurteilung eines Glaubenssystems recht schnell passieren, dass man „mit Entsetzen“ eine Bestätigung für seine Befürchtungen erhält.

In der Tat, in der Tat ...

> Wie ist das bei den evangelikalen Christen? Man könnte überspitzt formulieren, dass sie sich ja nur zu Jesus bekennen müssten (zur Not noch schnell auf dem Sterbebett) und ansonsten machen könnten, was sie wollten (frei nach dem Lied „Born again and free from sin, never have to work again“).

Man muss an dieser Stelle zuerst bedenken, dass man viele Christen einfach den „Evangelikalen“ zuordnet oder dass viele Christen sich selbst als „evangelikal“ bezeichnen. Wenn du die Extremisten in den Vereinigten Staaten meinst, die auf den Straßen gegen die Evolutionstheorie im Unterricht demonstrieren und dem Präsidentschaftskandidaten die Stimme geben, der konsequent hinter dem amerikanisch-fundamentalistischen Weltbild steht, dann kann ich jeden beruhigen: Ich gehöre nicht zu denen. Derartige „Evangelikale“ sind fanatische Sektierer, deren „Gottesdienste“ (Gehirnwäsche) ich keineswegs jemandem empfehlen würde.

Die Behauptung, eine schnelle Bekehrung auf dem Sterbebett reiche aus, um in letzter Minute doch noch das ewige Heil sicher zu haben, ist sicherlich falsch. Es mag Irregeleitete geben, die das glauben; tatsächlich setzt die Erlangung des ewigen Heils jedoch aufrichtige und von Herzen kommende Reue und eine Hinwendung zu Gott voraus – aus Liebe und nicht aus Furcht, eine Minute später in der höllischen Verdammnis zu erwachen. Das wäre eine recht naive „Bekehrung“.

> Ich habe mit „wiedergeborenen“ Christen jedenfalls die folgende Erfahrung gemacht: Wenn man sich ernsthaft mit kompetenten Vertretern der Zunft befasst, dann wird das Bild deutlich differenzierter.

Eben. Die Welt ist nicht lediglich schwarz und weiß.

> Hat Joseph Smith wirklich die Aussage getätigt „Wie der Mensch ist, war Gott einst. Wie Gott ist, kann der Mensch einst werden“? Ja, das kann ich bestätigen und damit Erstaunen und Entsetzen auslösen. Heißt das aber, dass Gott nicht ewig, nicht allmächtig und lediglich ein erhöhtes menschliches Wesen ist? Ganz und gar nicht!

Gegenfrage: Was sollte es sonst heißen? Die Mormonen, mit denen ich gesprochen habe, sind sich nicht zu schade gewesen, Bibeltexte zu verdrehen und brutal ihren Lehrauffassungen anzupassen. Zudem haben sie verlangt, dass ich viele ihrer Aussagenüberspitzt wörtlich nehmen sollte. Soll ich die Aussage „Wie der Mensch ist, war einst Gott“ usw. nun wörtlich nehmen oder nicht? Wörtlich genommen, handelt es sich bei dieser Formulierung ganz sicher um kaum wieder gut zu machende Blasphemie, gleich der Lüge Satans: „Ihr werdet sein wie Gott“ (1. Mose 3, 5). Das ist die älteste Lüge der Welt, und es gibt offenbar noch immer Millionen, die dieser Lüge des Teufels glauben.

> Ich persönlich nehme keinen Anstoß an der Aussage, dass Gott in Form von Jesus menschliche Gestalt annahm und am dritten Tage von den Toten auferstanden ist.

Auch ich nehme an dieser Lehre keinen Anstoß, da sie vollkommen dem biblischen Christentum entspricht. Die Formulierung „Wie der Mensch ist, war einst Gott“ usw. hat damit jedoch sicher nichts zu tun. Zieht man in Betracht, dass der zweite Satzteil – „wie Gott ist, kann der Mensch einst werden“ – seit jeher von Mormonen so verstanden wurde, dass sie Gottes Platz einnehmen und eigene Gottheiten werden würden, dann erkennt man den blasphemischen Hintergrund dieser Aussage. Mit der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus – etwas, woran ich durchaus glaube – hat das absolut gar nichts zu tun. Das ist jedenfalls aus den Kommentaren der KJC nicht erkennbar.

> Und behalte dabei im Kopf, dass diese Glaubensgemeinschaft theologisch ungebildete Jungs und Mädchen in die Welt geschickt, um die Wiederherstellung zu verkünden.

Ja, das habe ich gemerkt. Keine Ahnung von gar nichts, und davon noch recht viel ... Die armen Missionare waren zwar gut geschult, aber nicht fähig, über einen ihnen vorgegebenen Rahmen hinauszudenken. Traurig, aber wahr.

> Das ist aus meiner Sicht okay, denn die Sache verhält sich so, wie Du es kürzlich geschrieben hast: „Es geht letztlich nicht um eifrige Mission i. S. v. Redegewandtheit, Wissen und Rhetorik, sondern um die Wahrheit.“ Auf meiner eigenen Mission habe ich oftmals die Grundsatz gehört: „Es geht bei unserer Arbeit darum, Seelen zu Christus zu führen – und wenn es sich hierbei auch ‚nur‘ um die eigene handelt“ (durch ein besseres Verhältnis zu unserem Erlöser).

Dem stimme ich prinzipiell zu; das entbindet die Missionare aber nicht von der Verantwortung, sich zu vergewissern, ob das, was sie andere lehren, auch wirklich die Wahrheit ist. Wenn es nämlich nicht die Wahrheit ist, dann bleibt nur noch die Möglichkeit, dass es einer von vielen Wegen ins Verderben ist (siehe Matthäus 7, 13. 14).

> Aber gestehe ihnen zu, ab und zu etwas Dummes zu sagen (v. a. wenn sie mit Themen konfrontiert werden, die für sie im religiösen Alltag bislang keine Rolle gespielt oder mit denen sie sich noch zu wenig beschäftigt haben).

Niemand kann alles wissen. Damit sollte, denke ich, keiner ein Problem haben. Das Leben ist ein stetiger Lernprozess.

> Viele Informationen sind über das Internet ja problemlos zugänglich.

Leider gibt es im Internet auch viele Falschinformationen, d. h., dass es letztlich immer sinnvoller ist, persönlich mit einem Mormonen über die Inhalte seiner Weltanschauung zu sprechen.

> Ich denke, jede Gemeinschaft, in der sich Menschen bemühen, ein gottgefälliges Leben zu führen, die humanitäre Dienste leistet, die Seelsorge betreibt und die sich nicht abschottet, hat bei ihrer Beurteilung eine faire Chance verdient.

Ja, das stimmt. Aber alles Humanitäre nützt nichts, wenn die Grundlage – Errettung allein aus Gnade aufgrund des Sühnopfers Christi – fehlt (siehe 1. Korinther 3, 11). Fehlt also dieser eine Punkt, ist der ganze Rest hinfällig; das muss beachtet werden! Also hängt die Richtigkeit einer Religion von ihrer Einstellung gegenüber Christus ab.

> Wenn man etwas mehr über die heutige römisch-katholische Kirche erfahren möchte, wäre es unangemessen, sich ausschließlich mit ihren Gräueltaten während der Kreuzzüge und der Inquisition zu befassen.

Das ist zwar richtig, doch ihre Prägung ist nach wie vor durch das dunkle Mittelalter beeinflusst. Die „heilige Jungfrau“, die als Mittlerin (Mediatrix) fungiert – wer’s glaubt, wird selig ...

> Wenn man die heutigen Protestanten besser kennen lernen will, dann sollte man sich vielleicht nicht nur den antisemitischen Schriften von Martin Luther widmen.

Martin Luther neigte erst in fortgeschrittenem Alter zum Antisemitismus; man muss sich fragen, ob er damals noch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war. Zudem hat auch er einige sehr gravierende Fehler gemacht – so lehrte er zum Beispiel die Säuglingstaufe. Luther ist kein Maßstab für eine absolut biblisch konsequente Theologie, auch wenn ich ihn für ein auserwähltes Werkzeug Gottes halte.

> Deswegen bin ich fest davon überzeugt, dass Gott unseren Verstand erweitern und uns dorthin führen wird, wo wir sein sollen, so lange wir unser Leben in Seine Hände legen. Wenn es Dir gelingt, das Gottvertrauen bei Deinen Missionaren ein bisschen zu stärken, dann hat der Dialog schon einen sehr wichtigen Sinn gehabt.

Dieser Überzeugung bin ich ebenfalls, und ich bin zuversichtlich diesbezüglich.

> Für mich sind auch die Auseinandersetzungen mit Deinen Ausführungen wichtig, weil es mir hilft, in meinem Glaubenssystem nicht „einzurosten“.

Sehr gut; willkommen im Club!;-) Mir geht’s ähnlich ...

Liebe Grüße
Björn =)

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