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Verfasser: Elvira
Datum: Samstag, den 15. November 2003, um 21:55 Uhr
Betrifft: Religionsfreiheit kontra Schutz des Einzelnen

>Mein Ansatz ist einfach ein anderer. Warum neue Gesetze schaffen,
>wenn es doch möglich ist, durch wirksame Aufklärung die Gesellschaft
>über die möglichen Gefahren von Sekten aufzuklären? Ich kann mich
>noch gut daran erinnern, als ich noch in der Schule war, und die
>Problematik von gefährlichen Sekten angesprochen wurde

Nun bin ich schon froh, dass Du wenigstens auch der Ansicht bist, dass man machen Sekten (ich benütze lieber den Begriff Kult) in ihrem Treiben Einhalt gebieten muss. Im Gegensatz zu mir setzt Du voll auf Aufklärung. Aufklärung aus den verschiedensten Richtungen gehört selbstverständlich dazu. Mir persönlich ist es etwas zu wenig.

Nicht in allen Bundesländern gibt es Religion/ Ethikunterricht in den Schulen und da wo es das gibt nimmt die Thematik Sekten einen relativ kleinen Stellenwert ein. Durch meine Kinder habe ich etwas Einblick gewonnen und war recht enttäuscht. Man widmet der Sache wenig Zeit und es entsteht wenig Tiefe dabei und das obwohl das Jugendliche eigentlich interessiert.

Wenn die etablierten Kirchen sich gegen Sekten/ Kulte wenden, dann wird ihnen zuerst von Sektenanhängern  vorgeworfen, dass es ihnen ausschließlich darum ginge ihre Macht zu behalten und keine Gläubigen zu verlieren.
Selbsthilfegruppen und Betroffeneninitiativen setzen sich dem gleichen Vorwurf aus und auch Du hast Dich ja in der Richtung geäußert.
Engagierte Betroffene zu verunglimpfen, bedeutet für mich aber nur, nicht den Mut zu haben sich mit dem was die Betroffenen erlebt haben auseinander zu setzen. Nach dem Motto jedem passt irgendwas, irgendwo, mal nicht.

Dann blieben zur Aufklärung noch die Medien und auch da muss ich sagen ist die Resonanz recht gering. Es werden nur sehr spektakuläre Fälle berichtet, eine Sendung über die ZJ und deren Begehren als Körperschaft des öffent.. Rechtes anerkannt zu werden, läuft unter der Woche nach 23.oo h.........
Nur was Quote bring wird berichtet, im höchsten Fall werden Anhänger von Sekten lächerlich gemacht oder man betrachtet sie mit gönnerhaftem Wohlwollen. ( So ein Minifilmchen über die Mormonenmissionare im Schwarzwald, oder die Interviews mit Uriella).

All das wird nicht ausreichen, damit jeder informiert  und geschützt ist.
Alles in Allem nicht das worauf ich mich verlassen möchte.

>In dem Moment, in dem ich neue Vorschriften aufstelle, greife ich in
>die Freiheit jedes Einzelnen ein. Eine Vorschrift zur Einschränkung
>der Religionsfreiheit wird erstellt, weil der Gesetzgeber meint, das
>Individuum sei nicht selbstständig in der Lage sich vor gewissen
>Sekten schützen zu können.

Das stimmt natürlich. Damit stellst Du die Freiheit des Einzelnen als vorrangig zu erreichende Ziel dar. Machmal sind vielleicht andere Ansätze wichtiger.( Und ich möchte hier nicht falsch verstanden werden, es ist mir keineswegs nach Zuständen wie es Deutschland unter zwei Diktaturen erlebt hat.)

Wenn ich mir mehr Kontrolle des Staates über das wünsche was ich einen Kult nenne, dann meine ich damit nicht, dass man Menschen die diesen Kulten angehören in allem und jedem vorschreiben muss, wie sie ihren Glauben leben. ( Aber das habe ich eigentlich schon dargelegt.)
Dort aber, wo dieser Glaube gegen die demokratische Ordnung verstößt, dort wo die Freiheit und das gesunde Heranwachsen von Kindern gefährdet ist, da muss es für diese von Seiten des Staates einen Schutz geben. Der Einzelne muss nur so weit eingeschränkt werden, wie er mit seiner Religionsausübung anderen schadet.
So habe ich zwei Fälle von extremer Verwahrlosung und Freiheitsentzug von durch ihren Glauben motivierten Eltern gegenüber ihren Kindern in der Lokalpresse verfolgt. In dem einen Fall waren die Kinder bereits so sehr geschädigt, dass sie künstlich ernährt werden mussten, um am Leben zu bleiben.  Obwohl die Eltern die Kinder dann noch aus der Klinik entführt haben, wurden ihnen nicht das Sorgerecht entzogen. So weit darf die Religionsfreiheit des Einzelnen dann nicht gehen.
Mir machen auch fundamentalistische islamische Sekten Bauchweh, weil sie ganz offen ihre Ziel mit  Gewalt erreichen wollen.

>Ein schärferes Gesetz in diesem Bereich
>geht davon aus, dass Individuum sei nicht mehr in der Lage
>eigenständige Entscheidungen bezüglich seiner Glaubensentfaltung zu
>treffen. Es soll folglich über die Köpfe der Individuen hinweg, mit
>der Hilfskonstruktion eines Gesetzes, entschieden werden.

Ich sehe durchaus eine Gefahr bei einer Beschränkung der Religionsfreiheit, nämlich darin, dass Anhänger gefährlicher Richtungen auf diese Weise zu Märtyrern werden und damit um so interessanter.

>Daraus kann
>man nur eine Schlussfolgerung ziehen. Die Gesellschaft hat es
>verlernt selbständig zu denken und zu reflektieren. Und deshalb
>versucht man ihr ständig den Weg über das Recht aufzudrängen. Ein
>besserer Weg wäre doch die Ächtung vermeintlich gefährlicher Sekten
>mit Hilfe von Sitte und Moral.

Ich habe wohl keine so hohe Meinung von der Gesellschaft wie Du.Es ist durchaus so, dass ich meine Umgebung als in vieler Hinsicht gleichgültig gegenüber der Not ihrer Mitmenschen erlebe, als uninteressiert an Strömungen in Gesellschaft und Politik. Ich denke tatsächlich das unsere Gesellschaft derzeit nicht das Potential hat, gefährliche Kulte zu ächten mit Hilfe von Sitte und Moral.

> mit Hilfe von Sitte und Moral.

Und nun müsstest Du noch erklären, was Du unter Sitte und Moral verstehst und wie Du meinst, dass diese Instrumente sich gegen das Gefahrenpotential von Sekten einsetzen lassen.

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