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Verfasser: Gunar Datum: Samstag, den 25. Oktober 2003, um 15:27 Uhr Betrifft: FAZ: Der Don Quichote der zeitgeschichtlichen Forschung
Diese wunderschön bissig formulierte Glosse zu den neuen Plänen von Besier auf der ersten Seite des Feuilletons der FAZ sollte man unbedingt gelesen haben:
Kommentar
Thetanitarismus23. Oktober 2003 In Sekten finden sich Leute zusammen, die ihren eigenen Glauben dadurch entschieden bekräftigt sehen, daà ihn andere nicht teilen. Man ist absichtlich etwas Besonderes. Religion, also etwas Soziales, kann dieser Selbstgenuà des eigenen Weges aber nur sein, wenn sich dennoch Gleichgesinnte finden. Darum ist die moderne Gesellschaft der Sektenbildung günstig. Sie ist säkularisiert, es genügt also schon, an irgend etwas, an Ying und Yang, Stefan George oder ein früheres Leben als Thetan, zu glauben, um sich in religiöser Opposition zu ihr zu befinden. Und das Finden von Gleichgesinnten ist in ihr Glückssache, was die, denen es gelingt, desto leichter zu Gemeinschaftsbildung neigen läÃt. Die Kosten solcher sektiererischen Existenz sind im Westen inzwischen überdies gesunken: Niemand mit Sanktionsmacht schreit mehr "Ketzer". Die Gerichte achten nur darauf, welche Haltung der gleichsinnige Selbstglaube zu den Gesetzen des Landes einnimmt. Es war insofern keine irritierende religionspolitische Position, sondern eine Frechheit, was der Leiter des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung, Gerhard Besier, Mitte September in Brüssel mitgeteilt hat: Es werde gerade "eine Schlacht geführt für die Glaubensfreiheit und die Freiheit des Gottesdienstes". Sie finde in Deutschland statt und quer durch Europa. Sagte Besier und beklagte vor den anwesenden Scientologen, deren Büro er durch dieses GruÃwort miteröffnete, "die Schlacht sei noch nicht vorüber", aber "in der Schlacht für Religionsfreiheit in Deutschland wendet sich das Blatt". Schlacht, Schlacht! Schlacht? Der protestantische Kirchenhistoriker sollte wissen, was das wäre, eine Schlacht um Religionsfreiheit. Er weià es auch, redet aber anders. "Die Amerikaner sehen die Religionsfreiheit in Deutschland gefährdet. Sie beurteilen die Situation mit den Worten: ,Das ist wie im Dritten Reich. Gespräche mit den US-Amerikanern sind da nützlich", lieà er im Mai 2002 die "Westdeutsche Allgemeine" wissen. Nun wurde bekannt, daà er an einer Studie über die Scientologen sitzt, die ihm dafür, dem Vernehmen nach, den Zugang zur Kartei ihrer aktiven Mitglieder gewährt haben. Das paÃt zu seiner Brüsseler Klage, es fehle an einer Definition von Religion, die weit genug sei, um "alle (!) Glaubensrichtungen zu umfassen", er sei aber "erfreut, in der Lage zu sein, zusammen mit mehreren Kollegen dieses Definitionsproblem aus der Perspektive (!) der Scientology-Religion zu studieren". Es ist gut gemeint, wenn der Kuratoriumsvorsitzende des Arendt-Instituts, das sächsische Landtagsmitglied Uwe Grüning (CDU), jetzt beschwichtigt, Besier habe "mit einer gewissen politischen Naivität gehandelt". Das Kuratorium will es, wie Sachsens Wissenschaftsminister, bei einer Ermahnung des Professors zu mehr Konzentration auf seine Aufgaben als Totalitarismusforscher bewenden lassen. Beide verkennen, daà sich Besier in seinem Engagement für die Scientology als ganz normaler Religion eben bei dieser Aufgabe wähnt, weil er sich als Teilnehmer einer Schlacht begreift. Beide übersehen also, daà der Fall Besier keine religionspolitischen Fragen aufwirft. Das hätte nur er selber gerne. Er wirft vielmehr die Frage auf, ob sich das Ansehen zeitgeschichtlicher Forschung damit vereinbaren läÃt, Don Quijote zu ihrem Direktor zu machen.
kau
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.10.2003, Nr. 247 / Seite 33
Aber heute meldet die dpa:
Besier veröffentlicht seine Studien nicht
Dresden. Der Direktor des Dresdner Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung, Gerhard Besier, wird seine Studie "Feindbild Scientology? Eine amerikanische Religion in Deutschland" nicht veröffentlichen. "Damit werde ich meine Gegner vermutlich enttäuschen, doch ich will die Diskussion nicht um jeden Preis", sagte er am Freitag. Besier hatte im September an der Eröffnung des "Zentrums für Religionsfreiheit" von Scientology in Brüssel teilgenommen und dafür Kritik geerntet. (dpa)
Eigentlich irgendwie schade. Don-Quichote-Geschichten sind doch immer wieder erheiternd.