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Verfasser: lennard Datum: Freitag, den 7. November 2003, um 12:04 Uhr Betrifft: Natürlich
> "Falsche" gibt es in der Juristerei nicht, nur "andere"
Es ist schlicht und einfach âfalschâ, wenn man seine Argumentation mit einer Gesetzesnorm untermauert, dabei jedoch bewusst oder unbewusst, die dazu gehörigen bzw. ergänzenden oder einschränkenden Gesetze auÃen vor lässt. Es ist ja beispielsweise auch âfalschâ wenn man behaupten würde, jeder Mensch sei geschäftsfähig, mit der Begründung, dass jeder Mensch gemäà § 1 BGB rechtsfähig ist. In einem solchen Falle kann man nicht mehr von âandererâ Argumentation sprechen, sondern nur noch von falscher.
> Hieraus eine Allgemeingültigkeit zu konstruieren finde ich doch recht weit hergeholt. Selbst die wenigen Ausführungen, die ihrem Wesen nach auch juristische Personen betreffen würden und auf die sie sich berufen könnten, wie z. B. das Postgeheimnis oder die Unverletzlichkeit der Wohnung, treffen letztlich ganz konkret natürliche Personen. Die Grundrechte sind also doch Individualschutzrechte und keine Personenschutzrechte.
Es sind nicht wenige Grundrechte auf die sich juristische Personen berufen können.
1. Art. 2 I ist in seiner Bedeutung als allgemeine Verhaltensfreiheit anwendbar. [BVerfGE 10, 89(99); 10, 221 (225); 19, 206(215); 20, 323 (336); 66, 116(130); 70, 1(25)]
2. Der allgemeine Gleichheitssatz findet ungeachtet der Formulierung âAlle Menschenâ auf juristische Personen Anwendung. [BVerGE 8, 383(391 f.); 4, 7(12) ; 19, 206(215); H. Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, S. 693; Stern, Staatsrecht III/I, S. 1128 f.]
3. Für Religionsgemeinschaften und andere juristische Personen mit entsprechender Zielsetzung gelten die Art. 4 I und II. [BVerfGE 19, 129 (132); 83, 341 (353); 46, 73(83); 57, 220(240f.); 53, 366 (387); 24, 236(246f.)]
4.Die Rechte aus Art. 5 kommen sämtlich für juristische Personen in Betracht. [BVerfGE 24, 278 (282); 20, 162(176); 21, 271(279); 95, 28(35f.); Bethge, Art. 5 Rn. 119.]
5. Juristische Personen sind Grundrechtsträger der Privatschulfreiheit nach Art. 7 IV. [ BVerfGE 37, 314(319); BVerwGE 40, 347(349); Rüfner, HstR V, § 116 Rn. 43.]
6. Die Versammlungsfreiheit, Art.8 [BVerwGE NVwZ 1999, 991; BayVGH NJW 1984, 2116.]
7. Die Vereinigungsfreiheit, Art 9 [v.Münch/Kunig I, Art. 9 Rn. 11, 14; Mangold/Klein/Starck I, Art. 9 I Rn. 143]
8. Juristische Personen können auch als Arbeitgeber auf die Koalitionsfreiheit des Art. 9 III berufen. [ BVerfGE 103, 293 (304).]
9. Das Postgeheimnis. Keine Nachweise, da du selber zugibst, dass jur. Personen sich darauf berufen können.
10. Freizügigkeit, Art 11 passt wesensmäÃig auf jur. Personen. [Rüfner, HStR V, § 116, Rn 47.]
11. Teile der Berufsfreiheit: Denn sie schützt auch âDie Freiheit, eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit, insbesondere ein Gewerbe zu betreiben,â was juristischen Personen prinzipiell ebenso möglich ist, wie Menschen. [Rüfner, HStR V, § 116 Rn. 49]
12. Unverletzlichkeit der Wohnung: Kein Nachweise,s.o.
13. Der Schutz des Eigentums nach Art. 14 [BVerfGE 4,7 (17); 23, 153 (163); 35, 348 (360); 66, 116 (130).]14. Das Petitionsrecht, Art 17 [ Krüger/Pagenkopf, Art 17 Rn.7; Münch/Kunig I, Art 17 Rn. 6,]
15. Das Widerstandsrecht, Art 20 IV [ v. Mangold/Klein/Starck II, Art. 20 Rn. 334.]
Hiermit dürfte klar sein, dass inländische jur. Personen grundsätzlich mit relativ wenigen Ausnahmen Grundrechtsträger seien können.
> Die Grundrechte sind also doch Individualschutzrechte und keine Personenschutzrechte.
Wie du siehst sind sie Individualschutzrechte, aber in vielen Bereichen auch Schutzrechte für inl. jur. Personen.> Gleichheit vor dem Gesetz ist explizit auf Individuen zugeschnitten.
Diese Behauptung ist wiederum nicht richtig ( Begründung Punkt 2 allg. Gleichheitssatz). Art. 19 IV gilt als Jedermann-Grundrecht nicht nur für deutsche, sondern auch für Ausländer und Staatenlose. Er greift auch für inländische juristische Personen des Privatrechts, auf die die Rechtswegeröffnung ebenso passt wie auf Menschen. [ BVerfGE 80, 244 (250); v. Münch/Kunig I, Art. 19 Rn 51]Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 83, 341 (354 f., 363) und die herrschende Staatsrechtslehre sehen den Art. 140 GG i.V.m. Art 137 II WRV als Bestandteil des Grundrechts der Religionsfreiheit an. Daraus ergeben sich die Rechte der Religionsgesellschaften wie die religiöse Vereinigungsfreiheit und das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften, auf die sie sich berechtigterweise berufen können. Zur Vertiefung bitte Kommentierungen zu 140 GG lesen!