Das Exmo-Diskussionsforum

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Seite erstellt am 26.4.24 um 7:46 Uhr
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der Beitrag:
Verfasser: Gipfelstürmer
Datum: Freitag, den 19. Juni 2009, um 8:58 Uhr
Betrifft: Danke!

Hallo abendrot,

Du hattest mir kürzlich auf sehr nette Weise geantwortet. Dafür möchte ich mich bei Dir an dieser Stelle herzlich danken. Du hast u.a. geschrieben:

"Ich habe bisher den Eindruck gewonnen, daß Du ein aufrichtiger Diskussionspartner bist, der es sich, aber auch den anderen hier nicht leicht macht bei der Behandlung von Themen und auf überzeugenden Argumenten beharrt; aber das kann ja nur gut sein für ein Diskussionsforum."

Diese Bemerkung fasse ich uneingeschränkt als Kompliment auf. Ich will es mir und anderen im Hinblick auf viele hier diskutierte Fragen nicht leicht machen. Beispielsweise wäre es mir viel zu einfach, alle Menschen, die sich von der HLT-Kirche entfernt haben und ihr kritisch gegenüberstehen, pauschal als „Anti-Mormonen“ zu bezeichnen und ihre Haltung auf einen von zwei Gründen zurückzuführen: Entweder haben sie schwer gesündigt oder sind von jemandem beleidigt worden. Eine solche Auffassung betrachte ich persönlich als unfair und pauschalisierend. Umgekehrt fällt es mir schwer, es unwidersprochen hinzunehmen, wenn allen Mitgliedern der HLT-Kirche unisono bestimmte Persönlichkeitseigenschaften zugeschrieben oder ihnen bestimmte Ansichten unterstellt werden. Denn so einfach ist die Sache nicht.

Manfred hat Deinen Beitrag über Existenzberechtigungen von Religionen ja kürzlich kommentiert. Du hast nun wiederum dazu Stellung genommen. Allen Deinen Worten kann ich uneingeschränkt zustimmen. Ich habe mir Manfreds letzte Postings und darüber hinaus auch seine sonstigen Bemerkungen zu dieser Thematik in diesem Forum angesehen. So richtig weiß ich nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich bin über das geäußerte Verständnis von Aufklärungsarbeit und die Einstellung zur Demokratie schon sehr erschrocken. Manfred hat ja nochmal klargestellt, dass es sich bei seinen Vorschlägen zur „gerichtlich verfügten Einweisung in eine Aufklärungsanstalt“ von Mormonen auf eine Reaktion auf meine Frage an Fritz handelte: Wie soll mit einem gläubigen HLT-Mitglied wie mir umgegangen werden, wenn ich mir mein Leben lang nichts zuschulden kommen lasse, wenn ich meinen Mitmenschen mit Respekt begegne, wenn ich mich sozial engagiere, wenn ich einen guten Kontakt zu meinen Nachbarn pflege usw.? Was soll mit mir und meinen Glaubensgeschwistern passieren, wenn unser einziges „Verbrechen“ darin besteht, dass unsere religiösen Ãœberzeugungen auf einem Schwindel beruhen? Wir gehen einfach mal davon aus, dass die zwei von Manfred gestellten Fragen zweifelsfrei zu verneinen sind: „Hatte Joseph Smith diese Visionen? Ist das Buch Mormon Heilige Schrift?“ Wie geht es nun weiter, wenn etwa eine 85jährige Frau trotzdem ihr Leben lang daran glaubt? Muss sie in jedem Fall als gemeingefährlich eingestuft werden? Manfred liefert die Antwort. Die Auffassung Sapphos, dass auch „lügnerische Religionen“ eine Existenzberechtigung hätten (und sei es nur als abschreckendes Beispiel), kommentiert er mit einem personenbezogenen Vergleich: „ Krass ausgedrückt sollte man nach dieser Logik einige Mörder, Terroristen, Bankräuber, Kinderschänder usw. als abschreckendes Beispiel frei herumlaufen lassen.“ In Anbetracht des vorherigen Vorschlags, alle „uneinsichtigen“ Mormonen gezwungenermaßen in eine Aufklärungsanstalt wegzusperren, schockiert mich der Vergleich mit frei herumlaufenden Mördern, Terroristen und Kinderschändern sehr. Er offenbart den Schweregrad, der dem „Verbrechen“ des Glaubens an die Visionen Joseph Smiths, an das Buch Mormon und andere „falsche“ Inhalte zugeschrieben wird. Und er suggeriert das Maß an Toleranz, das man Mormonen entgegen bringen sollte, selbst wenn sie sozial integriert sind und sich völlig gesetzeskonform verhalten. Was ist nun jedoch der Maßstab dafür, welche Ãœberzeugungen „richtig“ und welche „falsch“ sind? Auf Deine Frage, wer denn allgemeingültig darüber entscheiden dürfe, antwortet Manfred: „Der Wissende“. Für ihn steht fest, „dass jeder, der den Pfad der Erkenntnis geht, zwangsläufig auch dieselben Gedanken findet, ganz gleich wo und zu welcher Zeit er gelebt haben mag.“ Die Markierungen für „richtige“ und „falsche“ religiöse Ãœberzeugungssysteme lassen sich also klar abstecken. Wer oder was führt einen nun auf den Pfad der Erkenntnis? Nach Ansicht von Manfred ist es der „Geist der Wahrheit“ und der „gesunde Menschenverstand“. Vor einiger Zeit hat er die Grundlagen genannt, auf denen seine eigenen spirituellen Einsichten beruhen: „Erfahrungswerte, Erkenntnis, Selbsterkenntnis, der heiße Draht zum Allwissenden“. Was ist nun jedoch, wenn eine Gesellschaft auch solchen Menschen einen Platz bieten möchte, die zu anderen religiösen Einsichten als Manfred (und damit zu „falschen“ Ansichten) gelangen, da sie offenbar über weniger gesunden Menschenverstand und über keinen guten Draht zum Allwissenden verfügen? Und was ist, wenn die Personen in einer solchen Gemeinschaft den von ihm propagierten Umgang mit Andersdenkenden mehrheitlich nicht befürworten? Davon gibt es ja recht viele. Sogar die Verantwortungsträger in unseren demokratisch legitimierten Kommunen, Kantonen, Bundesländern und Staaten gehören dazu, denn „die Politiker sind ja selbst dem Narrentum verfallen“, wie Manfred meint. Nimmt man den oben erwähnten Vergleich mit Mördern, Terroristen und Kinderschändern ernst, so hat eine Gesellschaft im Hinblick auf eine Duldung von Mormonen in ihrer Mitte in dieser Hinsicht keinen Spielraum. Sie muss umgehend handeln und Mitglieder der HLT-Kirche sofort in Gewahrsam nehmen. Nur wird das nicht erkannt. Das ist nach Ansicht Manfreds fatal und macht unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung zu einem lästigen Klotz am Bein: „Demokratie ist nicht das Non-Plus-Ultra …  Zu viel Laschheit führt dazu, dass einem nachher die Leute auf dem Kopf herumtanzen.“ Welche Staatsform ist also besser, wer sollte dort die Führung übernehmen und mit welchen Mitteln ist zu verhindern, dass die Bevölkerung aufgrund von „zu viel Laschheit“ auf Seiten der Herrschenden eigene religiöse Ãœberzeugungen entwickelt, die vom vorgegebenen „Pfad der Erkenntnis“ abweichen? Ich will die Antwort lieber nicht wissen. Weil es bei uns aber dummerweise die Demokratie und das freiheitliche Denken gibt, muss man seine Ziele anders erreichen, wie Dir Manfred schreibt: „Da aus den Gründen, die du anführst, eine Eliminierung oder Verhinderung von falschen Religionen nicht möglich erscheint, bleibt uns nur der Weg der massiven Aufklärung.“ Aufklärung nicht als Mittel zum Zweck der ausgewogenen Meinungsbildung, sondern als Mittel zur Erreichung von Zielen, die dem von Manfred propagierten Vorschlägen (Zwangseinweisung von Mormonen in Aufklärungsanstalten u.ä.) möglichst nahe kommen. Na Prost Mahlzeit. Das erinnert mich höchst schmerzhaft an längst vergangene Tage.

Ich bin jedoch erleichtert, dass offenbar nicht alle Forumsteilnehmer am Straßenrand stehen und bei Plädoyers für ein kompromissloses und hartes Vorgehen gegen alle Mormonen (ganz gleich, ob sie sich irgendetwas haben zuschulden kommen lassen oder nicht) voller Begeisterung ausrufen: „Trzoska: Weiter so! Ein trefflicher und vergnüglicher Beitrag.“ Denn wie leicht kann es passieren, dass dem eben noch bejubelten Meinungsführer irgendwann bewusst wird, auf welch marodem Fundament die spirituellen Überzeugungen seiner Schulterklopfer beruhen. Dann wird man schnell selbst zur Zielscheibe. Denn meinem Eindruck nach wandelt hier sonst niemand auf dem klar abgesteckten „Pfad der Erkenntnis“. Gut, dass es keine Aufklärungsanstalten für „unerleuchtete“ Menschen gibt. Sie würden sonst aus allen Nähten platzen.

Danke nochmals für Deine fairen und gleichzeitig offenen Beiträge. Wir haben vermutlich sehr unterschiedliche Einstellungen zur HLT-Kirche. Das wird uns aber hoffentlich nie dazu verleiten, die Demokratie in Frage zu stellen, um uns gegenseitig ohne diese "lästigen" Freiheiten unsere jeweiligen Sichtweisen zwangsweise aufoktruieren zu können.

Viele Grüße

Gipfelstürmer

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