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Verfasser: Gipfelstürmer Datum: Freitag, den 19. Juni 2009, um 8:58 Uhr Betrifft: Danke!
Hallo abendrot,
Du hattest mir kürzlich auf sehr nette Weise geantwortet. Dafür möchte ich mich bei Dir an dieser Stelle herzlich danken. Du hast u.a. geschrieben:
"Ich habe bisher den Eindruck gewonnen, daà Du ein aufrichtiger Diskussionspartner bist, der es sich, aber auch den anderen hier nicht leicht macht bei der Behandlung von Themen und auf überzeugenden Argumenten beharrt; aber das kann ja nur gut sein für ein Diskussionsforum."
Diese Bemerkung fasse ich uneingeschränkt als Kompliment auf. Ich will es mir und anderen im Hinblick auf viele hier diskutierte Fragen nicht leicht machen. Beispielsweise wäre es mir viel zu einfach, alle Menschen, die sich von der HLT-Kirche entfernt haben und ihr kritisch gegenüberstehen, pauschal als âAnti-Mormonenâ zu bezeichnen und ihre Haltung auf einen von zwei Gründen zurückzuführen: Entweder haben sie schwer gesündigt oder sind von jemandem beleidigt worden. Eine solche Auffassung betrachte ich persönlich als unfair und pauschalisierend. Umgekehrt fällt es mir schwer, es unwidersprochen hinzunehmen, wenn allen Mitgliedern der HLT-Kirche unisono bestimmte Persönlichkeitseigenschaften zugeschrieben oder ihnen bestimmte Ansichten unterstellt werden. Denn so einfach ist die Sache nicht.
Manfred hat Deinen Beitrag über Existenzberechtigungen von Religionen ja kürzlich kommentiert. Du hast nun wiederum dazu Stellung genommen. Allen Deinen Worten kann ich uneingeschränkt zustimmen. Ich habe mir Manfreds letzte Postings und darüber hinaus auch seine sonstigen Bemerkungen zu dieser Thematik in diesem Forum angesehen. So richtig weià ich nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich bin über das geäuÃerte Verständnis von Aufklärungsarbeit und die Einstellung zur Demokratie schon sehr erschrocken. Manfred hat ja nochmal klargestellt, dass es sich bei seinen Vorschlägen zur âgerichtlich verfügten Einweisung in eine Aufklärungsanstaltâ von Mormonen auf eine Reaktion auf meine Frage an Fritz handelte: Wie soll mit einem gläubigen HLT-Mitglied wie mir umgegangen werden, wenn ich mir mein Leben lang nichts zuschulden kommen lasse, wenn ich meinen Mitmenschen mit Respekt begegne, wenn ich mich sozial engagiere, wenn ich einen guten Kontakt zu meinen Nachbarn pflege usw.? Was soll mit mir und meinen Glaubensgeschwistern passieren, wenn unser einziges âVerbrechenâ darin besteht, dass unsere religiösen Ãberzeugungen auf einem Schwindel beruhen? Wir gehen einfach mal davon aus, dass die zwei von Manfred gestellten Fragen zweifelsfrei zu verneinen sind: âHatte Joseph Smith diese Visionen? Ist das Buch Mormon Heilige Schrift?â Wie geht es nun weiter, wenn etwa eine 85jährige Frau trotzdem ihr Leben lang daran glaubt? Muss sie in jedem Fall als gemeingefährlich eingestuft werden? Manfred liefert die Antwort. Die Auffassung Sapphos, dass auch âlügnerische Religionenâ eine Existenzberechtigung hätten (und sei es nur als abschreckendes Beispiel), kommentiert er mit einem personenbezogenen Vergleich: â Krass ausgedrückt sollte man nach dieser Logik einige Mörder, Terroristen, Bankräuber, Kinderschänder usw. als abschreckendes Beispiel frei herumlaufen lassen.â In Anbetracht des vorherigen Vorschlags, alle âuneinsichtigenâ Mormonen gezwungenermaÃen in eine Aufklärungsanstalt wegzusperren, schockiert mich der Vergleich mit frei herumlaufenden Mördern, Terroristen und Kinderschändern sehr. Er offenbart den Schweregrad, der dem âVerbrechenâ des Glaubens an die Visionen Joseph Smiths, an das Buch Mormon und andere âfalscheâ Inhalte zugeschrieben wird. Und er suggeriert das Maà an Toleranz, das man Mormonen entgegen bringen sollte, selbst wenn sie sozial integriert sind und sich völlig gesetzeskonform verhalten. Was ist nun jedoch der MaÃstab dafür, welche Ãberzeugungen ârichtigâ und welche âfalschâ sind? Auf Deine Frage, wer denn allgemeingültig darüber entscheiden dürfe, antwortet Manfred: âDer Wissendeâ. Für ihn steht fest, âdass jeder, der den Pfad der Erkenntnis geht, zwangsläufig auch dieselben Gedanken findet, ganz gleich wo und zu welcher Zeit er gelebt haben mag.â Die Markierungen für ârichtigeâ und âfalscheâ religiöse Ãberzeugungssysteme lassen sich also klar abstecken. Wer oder was führt einen nun auf den Pfad der Erkenntnis? Nach Ansicht von Manfred ist es der âGeist der Wahrheitâ und der âgesunde Menschenverstandâ. Vor einiger Zeit hat er die Grundlagen genannt, auf denen seine eigenen spirituellen Einsichten beruhen: âErfahrungswerte, Erkenntnis, Selbsterkenntnis, der heiÃe Draht zum Allwissendenâ. Was ist nun jedoch, wenn eine Gesellschaft auch solchen Menschen einen Platz bieten möchte, die zu anderen religiösen Einsichten als Manfred (und damit zu âfalschenâ Ansichten) gelangen, da sie offenbar über weniger gesunden Menschenverstand und über keinen guten Draht zum Allwissenden verfügen? Und was ist, wenn die Personen in einer solchen Gemeinschaft den von ihm propagierten Umgang mit Andersdenkenden mehrheitlich nicht befürworten? Davon gibt es ja recht viele. Sogar die Verantwortungsträger in unseren demokratisch legitimierten Kommunen, Kantonen, Bundesländern und Staaten gehören dazu, denn âdie Politiker sind ja selbst dem Narrentum verfallenâ, wie Manfred meint. Nimmt man den oben erwähnten Vergleich mit Mördern, Terroristen und Kinderschändern ernst, so hat eine Gesellschaft im Hinblick auf eine Duldung von Mormonen in ihrer Mitte in dieser Hinsicht keinen Spielraum. Sie muss umgehend handeln und Mitglieder der HLT-Kirche sofort in Gewahrsam nehmen. Nur wird das nicht erkannt. Das ist nach Ansicht Manfreds fatal und macht unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung zu einem lästigen Klotz am Bein: âDemokratie ist nicht das Non-Plus-Ultra ⦠Zu viel Laschheit führt dazu, dass einem nachher die Leute auf dem Kopf herumtanzen.â Welche Staatsform ist also besser, wer sollte dort die Führung übernehmen und mit welchen Mitteln ist zu verhindern, dass die Bevölkerung aufgrund von âzu viel Laschheitâ auf Seiten der Herrschenden eigene religiöse Ãberzeugungen entwickelt, die vom vorgegebenen âPfad der Erkenntnisâ abweichen? Ich will die Antwort lieber nicht wissen. Weil es bei uns aber dummerweise die Demokratie und das freiheitliche Denken gibt, muss man seine Ziele anders erreichen, wie Dir Manfred schreibt: âDa aus den Gründen, die du anführst, eine Eliminierung oder Verhinderung von falschen Religionen nicht möglich erscheint, bleibt uns nur der Weg der massiven Aufklärung.â Aufklärung nicht als Mittel zum Zweck der ausgewogenen Meinungsbildung, sondern als Mittel zur Erreichung von Zielen, die dem von Manfred propagierten Vorschlägen (Zwangseinweisung von Mormonen in Aufklärungsanstalten u.ä.) möglichst nahe kommen. Na Prost Mahlzeit. Das erinnert mich höchst schmerzhaft an längst vergangene Tage.
Ich bin jedoch erleichtert, dass offenbar nicht alle Forumsteilnehmer am StraÃenrand stehen und bei Plädoyers für ein kompromissloses und hartes Vorgehen gegen alle Mormonen (ganz gleich, ob sie sich irgendetwas haben zuschulden kommen lassen oder nicht) voller Begeisterung ausrufen: âTrzoska: Weiter so! Ein trefflicher und vergnüglicher Beitrag.â Denn wie leicht kann es passieren, dass dem eben noch bejubelten Meinungsführer irgendwann bewusst wird, auf welch marodem Fundament die spirituellen Ãberzeugungen seiner Schulterklopfer beruhen. Dann wird man schnell selbst zur Zielscheibe. Denn meinem Eindruck nach wandelt hier sonst niemand auf dem klar abgesteckten âPfad der Erkenntnisâ. Gut, dass es keine Aufklärungsanstalten für âunerleuchteteâ Menschen gibt. Sie würden sonst aus allen Nähten platzen.
Danke nochmals für Deine fairen und gleichzeitig offenen Beiträge. Wir haben vermutlich sehr unterschiedliche Einstellungen zur HLT-Kirche. Das wird uns aber hoffentlich nie dazu verleiten, die Demokratie in Frage zu stellen, um uns gegenseitig ohne diese "lästigen" Freiheiten unsere jeweiligen Sichtweisen zwangsweise aufoktruieren zu können.
Viele GrüÃe
Gipfelstürmer