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Verfasser: Gipfelstürmer
Datum: Dienstag, den 7. Juli 2009, um 16:16 Uhr
Betrifft: Ich bin lieber im telestialen Reich als in der Hölle

Lieber Waldläufer,

ich habe gesehen, dass Du mir geantwortet hast. Vielen Dank dafür. Dennoch möchte ich zunächst auf einige offene Punkte aus Deinem vorletzten Posting eingehen.

> Aber keine "Verbindlichen Lehren"? Nur "wen Weisheit mangelt..."? Also einmal eine Ansprache über Lukas 20,33 ff ??    Ich bin doch sehr erstaunt! Darf ich mal einige HLT-Lehren nennen: ...

Gut, einige Deiner Aussagen kann man auch aus meiner Sicht als Lehren der HLT-Kirche bezeichnen (auch wenn ich mit ein paar Deiner Formulierungen nicht einverstanden bin) – andere hingegen nicht. Die von Dir genannte „Kleidervorschrift“ („Sonntags solltest Du in Jackett und Krawatte in den GD kommen, Deine Frau bitte im Rock“) ist natürlich keine grundlegende Lehrmeinung, deren Wahrheitsanspruch als unumstößlich gilt. Auf den Philippinen verteilen die Diakone das Abendmahl oft in Röcken. Man zieht sich so an, wie man in der jeweiligen Kultur während der Kirchenversammlung Gott am besten seine Ehrerbietung erweist. Zu anderen von Dir aufgelisteten „Lehren“ kann ich gerne Stellung nehmen, würde das aber gesondert tun, damit meine Ausführungen nicht noch länger werden.

> Ich kenne keine christliche Gemeinschaft dieser Größe, die auch nur annähernd mit solchen Strafandrohungen und einem immensen Anpassungsdruck heute noch ihre Mitglieder in Angst und Schrecken und bei der Stange hält.

Ich schon: das evangelikale Christentum (zumindest verschiedene Ausprägungen dieser Richtung). Dagegen ist der Anpassungsdruck in der HLT-Kirche ein Witz. Der Glaube an Jesus als persönlichen Erlöser in der „vorgeschriebenen“ Weise ist die einzige Möglichkeit, um in den Himmel zu kommen. Wer die Sache anders sieht, den erwartet unabhängig von dessen christlichem Verhalten die Hölle mit ewigem Leid und endloser Qual. Ein Mensch kann die Inhalte der Bergpredigt noch so gut umgesetzt haben – es wird ihm nichts nützen, so lange er nicht ganz genau an die „richtigen“ Inhalte glaubt. Die Bibel ist unfehlbar – auch für völlig offensichtliche Zweifel am Wahrheitsgehalt einzelner Passagen darf kein Platz sein. Konformität wird belohnt, mit eigenständigem und abweichendem Denken outet man sich hingegen als jemand, der verloren ist, weil er Jesus noch nicht gefunden hat. Wer sich einmal einer evangelikalen Bewegung angeschlossen hat, steht durch diese Lehre und seinen christlichen Freundeskreis unter enormem Druck. Und über ihm hängt ständig das Damoklesschwert der ewigen Verdammnis. Gemäß meiner Religion landet man letztendlich dort, wo man sich am wohlsten fühlt. „Schlimmstenfalls“ ist das für einen normal Sterblichen das telestiale Reich. Ich kann also noch so viel Blödsinn verzapfen – der einzige „Druck“, den man mir theoretisch machen kann, ist die Aussicht auf eine Existenz an einem Ort, der so unglaublich schön ist, dass wir gemäß Joseph Smith nach einem Einblick in die Herrlichkeit dieses Platzes der Versuchung unterliegen würden, uns sofort umzubringen, nur um schnell dorthin zu kommen. Das ist alles. Mehr Druck kann es in der HLT-Kirche nicht geben, denn weder Du noch ich haben die Chance auf eine Zukunft als Sohn des Verderbens. Im evangelikalen Christentum ist das bekanntlich völlig anders. Hier wartet auf Abweichler und Freidenker das Fegefeuer. Mir persönlich wäre dieser Druck viel zu groß. Ich möchte weiterhin in einer Glaubensgemeinschaft bleiben, deren Gründer verkündet hat: „I want the liberty of believing as I please, it feels so good not to be tramelled. It don’t prove that a man is not a good man, because he errs in doctrine” („The Words of Joseph Smith”, S. 184). Das passt zur Botschaft Jesu.

> Dass kein Mitglied der HLT-Leitung eine theologische Ausbildung hat, ist zu bedauern. Einige der Irrlehren wären vermutlich nicht entstanden, wenn die Herren die Bibel besser gekannt hätten.

Wenn ich mir die Geschichte des Christentums von seinem Beginn bis heute betrachte, dann drängt sich mir der Eindruck auf, als ob die schlimmsten Irrlehren gerade von den Menschen verbreitet wurden, die über sehr gute theologische Ausbildungen verfügten. Sie hatten die Macht und die Autorität, ihre Schäfchen zu beeinflussen, die den Aussagen wenig entgegen zu setzen konnten, da sie den Theologen in puncto Bibelkenntnis hoffnungslos überlegen waren. Beispiele für Unterdrückungen durch theologisch besonders gebildete Menschen gibt es leider extrem viele.

> So muss ich mich aber zu der Überzeugung bekennen, dass die HLT-Lehre zu viel Okkultes und zu wenig Christliches enthält.

Wenn Du mit „christlich“ „evangelikal christlich“ meinst, bin ich mit Deiner Aussage einverstanden. Wir können als Mitglieder der HLT-Kirche von vielen evangelikalen Christen trotz der angesprochenen großen Probleme noch Einiges abschauen (z.B. ihre Begeisterung von ihrem Glauben, ihr Sendungsbewusstsein, ihr Stauen in Anbetracht der Größe Gottes usw.).

> Wenn ich "Lehre und Bündnisse" mit dem Neuen Testament vergleiche, dann sprechen  sie jeweils von einem anderen "Vater im Himmel" und einem  anderen "Jesus Christus".

Das ist teilweise richtig. Ich kenne keine Schriftstelle aus dem Neuen Testament über Jesus Christus, an welche die Mehrheit der aktiven Mitglieder der HLT-Kirche nicht glaubt (über dieses Thema hatten wir uns ja schon mal ausgetauscht). Gleichwohl lässt das Neue Testament Spielräume für Interpretationen zu, die ein teilweise anderes Gottes- und Jesusbild ermöglichen, als es im Buch „Lehre und Bündnisse“ dargelegt ist.

> Ich denke, wir halten unsere verschiedenen Meinungen aus!

Das denke ich auch.

Viele Grüße

Gipfelstürmer

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