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Beitrag 56 von 143
zum Thema Würde es was bringen?
Seite erstellt am 26.4.24 um 4:57 Uhr
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Verfasser: Ralf
Datum: Freitag, den 23. Februar 2001, um 15:56 Uhr
Betrifft: Archäologie und Aussagen der Kirchenführer

Hallo Mark,

in Deiner Entgegnung an Edgar schreibst Du:
"Zur Zeit Joseph Smiths haben viele Menschen daran geglaubt, daß Menschen auf dem Mond leben. Allerdings ist es ein nicht nachvollziehbarer Fehler, anzunehmen, jede Aussage Joseph Smiths stelle Offenbarung dar. Joseph Smith hat manchmal auch nicht als Prophet gesprochen. Dies ist hierfür ein gutes Beispiel. Na und?"

Du zeigst uns sehr deutlich einen der Hauptwidersprüche des Mormonismus. Zwar glaubt die Kirche an einen lebenden Propheten und an fortlaufende Offenbarung - gleichzeitig werden Aussagen der Propheten relativiert in "Offenbarung", "Zeitgeist" und "Persönliche Meinung", ohne daß der jeweilige Prophet diese Unterscheidung von sich aus vornimmt. Mit Deinem "Na und?" wischt Du dieses Problem leichtfertig vom Tisch und machst Dir nicht die Mühe, diesen Gedankengang weiterzuführen.

Wenn Brigham Young sagt (als Beispiel), daß die Eheschließung mit einem Schwarzen absolut verwerflich ist; wenn Brigham Young erklärt, daß die Sonne bewohnt ist (denn zu diesem Zweck wurde sie erschaffen); wenn das Schicksal der Kirche an die Polygamie gebunden wird usw. usw. usw., und alle diese Aussagen als offizielle Verlautbarungen im "Journal of Discourses" veröffentlicht werden, gelten sie als Lehre und Offenbarung. Die LuB bezeichnet den Propheten als Sprachrohr, dessen Wort gilt, als wäre es aus dem Mund des Herrn gekommen.

Mit welchem Recht trennst Du (und viele andere auch) die Aussagen der Propheten in konforme (und daher offenbarte) und nicht konforme Worte, die dann "persönliche Meinung" des Propheten sind.

Was denkst Du über G.B. Hinckley’s Antworten auf die Frage nach der Gottwerdung des Menschen und die Menschennatur Gottes? "I don’t know that we teach that. There was a couplet...."
Hier wurde ein Prophet in seiner Eigenschaft als Präsident der Kirche nach einem zentralen Punkt der Kirchenlehre befragt - und er gibt vor, nichts zu wissen. Neue Offenbarung? Oder doch nur wieder "persönliche Meinung"?

Christian hat gestern angemerkt, daß es eine offizielle Lehre der Kirche so gut wie nicht gibt. Alles ist beliebig und austauschbar, und das mormonische Fähnchen wird mit dem Wind gedreht.

Nach meinem Verständnis ist Wahrheit unveränderlich und unwandelbar, und nicht dem Wandel des Zeitgeistes unterworfen. Der Mormonismus geht mit Wahrheit um wie mit einem Gegenstand, den er besitzt. Er wird verformt, verändert, den eigenen Wünschen angepasst. Und weil man die Wahrheit "besitzt", muß man sich auch niemandem gegenüber rechtfertigen.

Schau mal in die Erstausgabe des BM. Dort wird im Nephi verheißen, daß die Lamaniten, wenn sie sich bekehren sollten, ein "white and delightsome people" werden sollen. Nachdem das Priestertum nun allen Männern zugänglich gemacht wurde, und man den Anschein des Rassismus vermeiden will, wurde die entsprechende Stelle in "pure and delightsome people" geändert und die Aussage in ihrem Sinn entstellt.
Hast Du davon gehört, daß diese Änderung im Text auf eine Offenbarung zurückgeht? Hat man die entsprechende Stelle mit dem Urtext verglichen und dann die englische Übersetzung angepasst? Oder hat man nur das "richtigste Buch auf Erden" korrigiert, weil der Zeitgeist nun aus einer anderen Richtung weht?

Archäologen, Textwissenschaftler und Exegeten gehen mit den alten (und heiligen) Texten der Menschheit sehr behutsam um. Ich freue mich daran, wie um Übersetzungen und Deutungen gerungen und versucht wird, eine Übersetzung zu finden, die dem Original möglichst nahe kommt. Ich freue mich an den Fußnoten in der Bibel, die auf alternative Übersetzungen oder Textprobleme hinweisen und mir zeigen, daß der Text ernst genommen und mit größter Behutsamkeit übertragen wurde. In welch krassem Gegensatz stehen die Mormonen und ihr Umgang mit heiligen Texten. Vergleich einmal die Erstausgabe der LuB (Book of Commandments) mit der heutigen LuB. Jeder Textwissenschaftler würde sich die Haare raufen.
Wo sind die "Lectures on Faith", die J. Smith hielt und die bis vor ein paar Jahrzehnten Teil der LuB waren? Wo ist die Offenbarung, aufgrund dessen dieser Teil der Schriften einfach herausgenommen wurde?

Wo sind die Offenbarungen (nicht Verwaltungsanweisungen) die zum Ändern der Endowmenttexte und-zeremonien berechtigen? Plötzlich gibt es zwei unterschiedliche Wege und Bedingungen für den Einzug ins Himmelreich: den vor und den nach 1990. Wo ist die entsprechende Offenbarung?

Wann hat zuletzt ein Prophet (und GBH im speziellen) gesagt: So spricht der Herr!, nachdem sich derselbe Herr bei J. Smith bis in die alltäglichen Kleinigkeiten (siehe LuB und "Historyx of the Church") eingemischt hat?
Bei Interviews zu aktuellen Zeitfragen ist GBH entweder in die Sprachlosigkeit gefallen (weil er entweder kein Wissen, keine Meinung oder keine Offenbarung zu den Themen hat), oder ist in seine bekannten mormonischen Floskeln und Worthülsen geflüchtet. Unsere Zeit braucht Menschen mit Visionen und Antworten auf die dringenden Fragen der Menschheit - und worüber spricht GBH: Über das Piercing von jungen Männern und Frauen.

Wenn mir Missionare Zeugnis davon geben, daß wir einen lebenden Propheten haben kontere ich mit der Frage "Und was sagt der Prophet, was offenbart er?", und ernte entweder Schweigen oder Floskeln.

Mormonismus = Beliebigkeit; genauso gut kannst Du einen Pudding an die Wand nageln.

Ralf

     

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