Das Exmo-Diskussionsforum

Beitrag 26 von 54 Beiträgen.
Seite erstellt am 27.4.24 um 6:48 Uhr
zur Nachrichtenliste
der Beitrag:
Verfasser: Renate
Datum: Samstag, den 29. Januar 2005, um 22:34 Uhr
Betrifft: Die Verantwortung Gottes

Mir fällt schon lange auf, dass grundsätzlich immer wieder drei Punkte bei der Verteidigung des Gottesbildes herangezogen werden:

Punkt 1: Der Vergleich mit menschlichen Eltern. Wie: "Kinder können ja auch nicht immer die Handlungen ihrer Eltern verstehen. Dann der Vergleich mit notwendigen Impfungen und Operationen, die den Kindern zwar Schmerzen zufügen, aber eben zu ihrem Schutz und Erhalt ihrer Gesundheit notwendig sind". Diese Vergleiche hinken aber gewaltig.

a) Gute Eltern würden ihre Kinder nicht herzlos (für sie) unangenehmen und angstmachenden Situationen aussetzen. Sie würden versuchen dem Kind zu erklären was und warum das mit ihm geschieht, und sie würden es dabei begleiten, ihm Zuwendung, Liebe und Trost schenken. So dass das Kind klar spürt, dass das was ihm geschieht keine Strafe der Eltern ist. Das gilt auch für einen Säugling, der das sowieso nicht so bewusst miterlebt wie ein Kleinkind, aber Körperkontakt, Streicheln, sanfte Stimmen beruhigen und vermitteln Geborgenheit.

b)  Wenn ich meinem Kind einschärfe nicht bei Rot über die Straße zu laufen, etc., dann erkläre ich ihm normalerweise auch warum es das nicht tun soll, denn ein unbegründetes Verbot mit Androhung von Strafe bei Nichtbefolgung allein hätte wenig Sinn, weil das Kind daraus nichts lernen würde. Es muss ja verstehen, warum es dies und jenes nicht tun soll und dass diese "Verbote" zu seinem Schutz da sind.

c) Würden Eltern sich tatsächlich so wie Gott (laut Bibelverständnis) verhalten, dann würden sie ab und zu wie Berserker durch´s Kinderzimmer fegen, ohne Erklärung alles kurz und klein schlagen, das Kind selbst schlagen und sich dann an seinen Tränen, seiner Verzweiflung und Angst weiden. Sie würden sich zwar um Gnade anflehen lassen, ihre Macht über das Kind genießen und dann doch wieder weitermachen. Das ist der passendere Vergleich.

Punkt 2: Man darf Gott nicht hinterfragen: "Gottes Wege sind für uns unergründlich und wir müssen gehorchen und ihm vertrauen. Er wird schon wissen wozu das für uns gut ist".

a) Damit weichen Glaubensgemeinschaften jedem Widerspruch in ihrem Glaubensgebilde aus, drücken sich vor unangenehmen Fragen und fordern außerdem zu Gehorsam auf. Sie verhindern dadurch selbständiges Denken und halten Gläubige so in Abhängigkeit. Steht das nicht im Widerspruch zu unserer (nach ihrer Definition gottgegebenen) Möglichkeit von kritischem Denken, Hinterfragen und letzlich, der Nutzung unserer Entscheidungsfreiheit?

b) Offensichtlich Falsches nicht zu hinterfragen ist vor allem verantwortungslos. Dieses Nicht-Hinterfragen-Dürfen wäre gleichzusetzen mit unserem Schweigen, wenn wir mitbekommen wie unser Nachbar seine Kinder  misshandelt, mit der Ausrede - er wird schon wissen warum er das tut, immerhin ist er der Vater, also sollten wir ihm vertrauen. Vielleicht will er ja nur testen wie sehr seine Kinder ihn lieben und ihm gehorchen, oder er will sie damit für ihr späteres Leben belastbarer und stärker machen.

Punkt 3: ohne an ein höheres Wesen zu glauben, verlieren wir Moral und Ethik.

Moral und Ethik entwickelten sich im Laufe der Evolution parallel zur Erkenntnis. Je mehr die Menschen begannen die Zusammenhänge und Auswirkungen ihrer Handlungen auf andere zu begreifen, desto mehr reifte auch die Einsicht für Verantwortung dem Anderen und der Gemeinschaft gegenüber, daraus wieder entstand dann das Gefühl für Ethik und Moral. Auch wenn es nicht bei allen gleich ausgeprägt ist, ist es doch allgemein gültig. Je wissender ein Mensch ist, umso größer ist seine Verantwortung für sein Handeln.

> Das Ablegen/Verneinen der Möglichkeit, dass es ein höheres Wesen und damit verbunden eine jenseitige Existenz gibt, führt doch unter dem Strich zu der Konsequenz, dass wir Produkte und Abhängige von Zufällen (spontanen Änderungen oder Mutationen) und Notwendigkeiten (kosmische Gesetze und abgeleitete kausale Folgen der Zufälle) einer einerseits universellen und andererseits planetarischen Evolution sind.

Wo ist da das Problem? Wenn dem so ist, dann müssen wir damit leben. Daran ändert dann auch keine Religion der Welt etwas. Aber da man die Existenz eines höheren Wesens weder beweisen noch widerlegen kann, sollte man diese Frage vernünftigerweise offen lassen. Wenn es diese höhere Intelligenz hinter all dem gibt, dann denke ich nicht, dass sie mit unserem Gottesbild identisch ist, weil der Mensch in seiner derzeitigen Entwicklungsphase nicht fähig wäre diese Intelligenz auch nur annähernd zu erfassen und zu verstehen. Ich persönlich kann nur sagen, wie Gott für mich auf keinen Fall sein darf - nämlich ein brutaler, machtbesessener Tyrann und Mörder, der aus Langeweile Menschen erschaffen hat um sie dann quälen zu können, was er dann "Prüfung" nennt um seinen Sadismus zu rechtfertigen. (Wobei ja schon sein Rechtfertigungsversuch ein Widerspruch zu seiner Allmacht ist.) Das ist das Gottesbild, das die Bibel primär zeichnet.

Den Gott der Bibel zu hinterfragen, wird oft auch einer Beeinflussung durch Satan gleichgesetzt, weil er Gott angeblich vernichten will und sich dazu der Menschen bedient, die sich von ihm beeinflussen lassen. Weil er angeblich ein Lügner und Manipulator ist, der durch schöne und scheinbar schlüssige Einflüsterungen die Menschen auf seine Seite zieht. Ok, lassen wir das mal so stehen und betrachten wir das etwas tiefer:

a) Wenn zwei Wesen mich dazu überreden wollen, etwas Bestimmtes zu glauben oder einen bestimmten Weg zu gehen, und jeder vom Anderen behauptet, dass er ein Lügner und Blender sei, dem ich nicht vertrauen darf, was tu ich dann normalerweise? Ich versuche, das was beide behaupten auf seinen Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. Ich sammle weitere Informationen, mit anderen Worten - ich benutze meinen Verstand und entscheide dann so, wie ich es nach Prüfung der Sachlage für angebracht halte.

b) Wenn einer davon von mir Gehorsam ohne Hinterfragen verlangt und bei Nichtbefolgung Bestrafung androht, (Gott) dann ist er schon mal unglaubwürdig. Wer etwas zu verbergen hat, der lässt sich auch auf keine Diskussionen ein, dem bleibt nichts anderes übrig als Gehorsam zu verlangen. Außerdem zeigt er durch dieses Verhalten keinerlei Achtung dem Anderen gegenüber. Infolgedessen ist er auch unfähig zu lieben. Vielleicht hat also Satan einen plausiblen Grund Gott zu vernichten, falls er das will. Und wo gibt es einen Beweis dafür, dass Satan „so böse“ ist? Ist er böse, weil er Gott widerspricht? Weil er die Menschen aufzuklären versucht? Weil ihm "das Böse" in die Schuhe geschoben wird, damit Gott als "der Gute" dastehen kann? Obwohl Gott ja schon (laut Bibel) genug auf dem Kerbholz hat, das ihn nicht gerade als "gut" sondern höchstens als mächtig erscheinen lässt. Eine weitere Frage wäre dann noch - wenn es tatsächlich eine höhere Intelligenz hinter allem gibt, beleidigen wir sie dann nicht mit diesem biblischen Gottesbild?

Natürlich kann man davon ausgehen, dass Gott genau so ist: grausam, lieblos und verantwortungslos, da seine Allmacht ihm diese Freiheiten ja ohne Zweifel einräumt. Aber wäre er da nicht auch vielen Menschen sehr unterlegen, die sich ihrer Verantwortung für andere sehr wohl bewusst sind und deshalb nicht um jeden Preis ihre Macht ausspielen, die Einfühlungsvermögen besitzen und liebesfähig sind? Was wäre das für ein Gott, dem seine eigenen Geschöpfe über den Kopf gewachsen sind?

> Es wäre doch eben auch denkbar, dass wir wirklich nicht verstehen, warum ein möglicherweise existierendes höheres Wesen (Gott) bisweilen/oft für uns so Unerklärliches, Widersprüchliches, Brutales und Gefühlloses abverlangt.

Klar wäre das denkbar. Aber es ändert nichts daran, dass Gott Verantwortung für seine Geschöpfe trägt. Egal, wie viel Erkenntnis er im Gegensatz zu uns auch haben mag, er muss sich - als liebender Gott - nach unseren Möglichkeiten richten um sich verständlich zu machen, wenn er schon regelmäßig in unser Leben eingreifen will. Schließlich kennt er unsere Grenzen. Wenn er die ignoriert und dadurch auf uns launisch, grausam und angsteinflößend wirkt, ist er eindeutig verantwortungs- und lieblos. 

> Falls es eine ewige Existenz des Menschen gibt, relativiert sich dann - trotz aller realen Trauer, Leiden und Schmerzen im Diesseits - nicht der Verlust des Lebens.

Nein, weil wir hier und jetzt leben, und zwar ohne das Wissen ob es eine solche Existenz geben wird. Deshalb zählt für uns nur dieses Leben. Beispiel – wenn ich meine Kinder mit Brutalität erziehe, weil ich denke, dass sie das stark für´s Leben macht und außerdem vorhabe, ihnen, wenn sie erwachsen sind, ein dickes Bankkonto zu schenken, ändert das nichts an ihrem Leid während ihrer Kindheit. Dafür bleibe ich verantwortlich, weil ich es aktiv herbeigeführt habe, egal was ich auch über ihre Zukunft weiß - ich trage durch meine machtvolle Position jetzt die Verantwortung für sie. Wenn ich ihnen in einer Zeit der Unsicherheit, der Entwicklung und des "Mir-Ausgeliefertseins" keine Liebe geben kann, dann wird sie später der materielle Besitz und die Erfahrung, die sie durch ihre Kindheit gemacht haben, auch nicht für das, was ich ihnen angetan habe, entschädigen. Ihre Kindheit - die ich mitgestaltet habe – wird sie für immer prägen und mich für immer schuldig machen.

>  Und doch drängt sich mir bei der Nachricht, dass ein zwei Monate altes Neugeborens ca. 14 Tage unter den Trümmern eines Hauses überlebt hat (Wie lange kann der menschliche Körper ohne Wasserzufuhr auskommen ???)

Denkst du, dass das ein Trost für die Mutter ist, die im Wasser treibend mit einem Arm an einem Holzstück festgeklammert, mit dem anderen Arm verzweifelt ihr kleines Kind umklammernd auf Rettung gehofft hatte, um dann miterleben zu müssen, dass die Fluten doch stärker waren als ihre Kraft und ihr das Kind entrissen haben bevor sie gerettet werden konnte?! Wo war da Gott?

> dass es bisweilen doch mit anderen (überirdischen) Dingen zugeht und Gott für einzelne wunderbare Zufälle herbeiführt.

Warum dieser Säugling? Warum nicht auch das andere Kind? War das nicht genau so unschuldig? Warum überhaupt erst diese Gottesstrafe und dann vielleicht reumütig ein kleiner Rettungsversuch? Was wäre das für ein Gott, der erst auf diese Weise straft, dann willkürlich  rettet und sich ansonsten am Leid seiner Opfer erfreut???

Deine Schlussfolgerung, dass dieses Überleben eines Säuglings dem Eingreifen eines liebenden Gottes zu verdanken sein muss, weil sie einem Wunder gleicht, wäre nur nachvollziehbar, wenn dieser Gott eben nicht allmächtig ist, sondern nur irgendein Untergott, der versucht hat, die grausame Strafe eines höheren mächtigeren Gottes zu mildern, indem er eben zu retten versucht hat, wo er nur konnte. Sprechen wir also hier von mehreren, verschieden mächtigen Göttern oder von einem schizophrenen Gott?

zur Nachrichtenliste
auf diesen Beitrag antworten:

nicht möglich, da das maximale Themenalter erreicht wurde.

zur Nachrichtenliste
das Themengebiet: zur Nachrichtenliste
die neuesten Beiträge in diesem Themengebiet: zur Nachrichtenliste
die neuesten Beiträge außerhalb dieses Themengebietes: zur Nachrichtenliste
zurück
www.mormonentum.de