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der Beitrag:
Verfasser: ---007---Abc
Datum: Freitag, den 28. Januar 2005, um 19:20 Uhr
Betrifft: Was bleibt sonst ? - Zufall und Notwendigkeit und keine Ethik

Da rührst Du schon einige entscheidende Fragen an, die mich auch immer beschäftigt haben: Wie soll ich mich für einen Gott begeistern, der z. B. den Israeliten zürnte, weil sie es zugelassen hatten, dass nicht alle Frauen, Kinder und Tiere hingeschlachtet worden waren, nachdem der Herr der Heerscharen befohlen hatte, die umliegenden Völker zu vernichten. Wir gehen dabei in unserer Beurteilung von unserer abendländischen Ethik mit den Grundrechten des Menschen und seiner Würde aus, die sich über viele Jahrhunderte gebildet hat und die uns hier im Denken und Handeln prägt.
Das Ablegen/Verneinen der Möglichkeit, dass es ein höheres Wesen und damit verbunden eine jenseitige Existenz gibt, führt doch unter dem Strich zu der Konsequenz, dass wir Produkte und Abhängige von Zufällen (spontanen Änderungen oder Mutationen) und Notwendigkeiten (kosmische Gesetze und abgeleitete kausale Folgen der Zufälle) einer einerseits universellen und andererseits planetarischen Evolution sind.
Da stellt sich für mich die Frage, wie man aus dieser Sicht dann noch Freiheit, Würde und Ethik, wie sie sich der Mensch auch ohne Gott zurechtbastelt, sehen muss. Gibt es dann überhaupt "Gutes" oder "Böses"? Hat Darwin dann nicht recht, wenn er sagt, dass das regierende Gesetz darin besteht, dass sich der Stärkere gegenüber dem Schwächeren durchsetzt? Das Durchsetzen hat dann nichts mit Gut oder Böse zu tun, sondern ganz wertfrei nur mit "stark" oder "schwach" im Sinne der evolutionären Fähigkeiten des einzelnen.

Ist dann ein Bankräuber, der unter Inkaufnahme von Tötungen (Unschuldiger) einige Millionen raubt, damit durchkommt und bis zum Ende ein aus seiner Sicht bequemes Leben führt, nicht dadurch gerechtfertigt, dass er sich durchgesetzt hat - als der Stärkere. Eine Mutter, die ihr neugeborenes aus Überforderung oder angewidert von dessen Behinderung in die Mülltonne dem Tod übergibt, hat demnach nichts Schlimmeres (nichts Böses) getan, als mein Hamster, den ich als kleiner Junge hatte und der seine Neugeborenen selber (aus Unkenntnis)aufgefressen hat.

Sind nicht unsere menschlichen Errungenschaften wie Würde, Meinungsfreiheit, Toleranz, Rücksichtnahme etc. nicht nur gruppeninterne Appeasement-Forderungen dieser einen biologischen Spezies, damit die "menschliche Herde" ein paar Spielregeln hat, um als Gruppe besser zu überleben, so wie andere Spezies oder Herdentiere es auch haben ? Aber global/evolutionär gesehen, hätten diese ethischen Werte keine Bedeutung, wenn sich dadurch nicht eine durchsetzungsfähige Stärke entwickelt. So ein Tsunami ist dann auch weder gut noch böse. Wer untergegangen ist, hat nicht Pech gehabt, war auch nicht gut oder böse, sondern einfach nicht stark genug oder hat in einer für ihn nicht günstigen ökologischen Situation gelebt (selbst "Schuld": müsste man nach Darwin sagen). Wer nach dem Tsunami dann auf Kosten anderer seine Schäfchen ins Trockene bringt (Hilfmittel abzockt, betrügt, stiehlt etc.) um selber zu überleben, macht in dem Sinne auch nichts Böses oder Gutes. Sein Problem kann nur sein, dass er sich (in/gegenüber der Herde) durchsetzt.

Wenn wir also die Existenz eines höheren Wesens und unsere Verbindung mit ihm ablehnen, gibt es eigentlich keine allgemein verbindliche Moral oder Ethik, mit der wir Dinge beurteilen können, wie z. B. hier auf dieser Internetseite das Schalten und Walten von Sekten. Wenn sie sich durchsetzen (unahängig von der Wahl der Mittel) haben sie Recht, weil der Stärkere evolutionär gesehen eben Recht hat, weil er sich durchgesetzt hat.

Nicht dass ich mit dem Gedanken der Abwesenheit eines höheren Wesens nicht weiterleben könnte, aber intuitive Erfahrungen lassen mich anderes vermuten. Es wäre doch eben auch denkbar, dass wir wirklich nicht verstehen, warum ein möglicherweise existierendes höheres Wesen (Gott) bisweilen/oft für uns so Unerklärliches, Widersprüchliches, Brutales und Gefühlloses abverlangt. Falls es eine ewige Existenz des Menschen gibt, relativiert sich dann - trotz aller realen Trauer, Leiden und Schmerzen im Diesseits - nicht der Verlust des Lebens. Können wir das wirklich beurteilen? Können wir mehr Dimensionen erfassen? Meine Kinder können sicherlich oft nicht verstehen (auch wenn ich es versuche so gut zu erklären, wie es für sie nur geht), wenn ich etwas nicht zulasse, was sie möchten, etwas wegnehme oder sie anders diszipliniere, weil ich Ihnen helfen will. Sie haben oft einen anderen Fokus als ich: jetzt, sofort, nächste Woche, einen Monat. Ich denke an Ihre Ausbildung an die zukündtige Gesundheit etc. und habe ganz andere zeitliche Dimensionen im Kopf. Wenn wir als Gärtner tätig sind, beschneiden wir nicht auch Pflanzen, rupfen wir Unkraut heraus, damit gerichtetes Wachstum entsteht.

In meinem Leben habe ich festgestellt, dass der Mensch, wenn er leiden muß, eher dazu neigt, sich ernsthaft Gedanken zu machen, an seinem Verhalten etwas zu ändern, als wenn es eben gut oder leidlich für ihn läuft. Muß denn das behindert geborene Kind nur eine bedauernswerte Mutation des Erbgutes im Rahmen der üblichen evolutionären Notwendigkeiten und Zufälle sein oder kann es sich nicht als Segnung für die Eltern erweisen, die dadurch Fähigkeiten (Mitgefühl, Geduld) enttwickeln, die sie sonst nie so erlernt hätten ? Muß der Tod eines geliebten Menschen nur eine Leere hinterlassen? Kann er nicht auch Herausforderung für Hinterbliebene sein, sich mit der Endlichkeit oder auch Unendlichkeit, mit (anderen) versäumten oder vernachlässigten Beziehungen, mit materiellen oder geistigen Hinterlassenschaften zu beschäftigen, die ihm neue Selbständigkeit, Erkenntnis und neue Beziehungen finden lassen ? Alle diese von mir angeführten Gedanken, Erklärungen und Bedeutungen, leiten nicht zwangsweise auf eine höhere Existenz ab, aber sie beschreiben eine positive und reinigende Wirkung von Schicksalsschlägen, wie sie von vielen schon wahrgenommen wurde. Und wenn wir diese Wirkung auf einer solchen Ebene, wie oben beschrieben sehen, und darin sogar einen Sinn erkennen können, warum sollte das dann nicht auch "überirdisch" mit dieser Absicht eingefädelt oder zumindest zugelassen sein können. Inwieweit nun tatsächlich von oben eingegriffen wird (im Sinne von Strafe oder Segen) oder alles nur ein Ergebnis einer von Gott beobachteten/zugelassen Ursache/Wirkungsbeziehung ("Gott lässt es regnen über den Guten und den Bösen") oder der Entscheidungsfreiheit ist, ist eine ganz andere Frage und hilft uns nicht unbedingt weiter, solange wir diese erweiterte, mehrdimensionale Bedeutung nicht kennen oder wissen, ob diese Bedeutung überhaupt existiert. Und doch drängt sich mir bei der Nachricht, dass ein zwei Monate altes Neugeborens ca. 14 Tage unter den Trümmern eines Hauses überlebt hat (Wie lange kann der menschliche Körper ohne Wasserzufuhr auskommen ???) dass es bisweilen doch mit anderen (überirdischen) Dingen zugeht und Gott für einzelne wunderbare Zufälle herbeiführt.

Wenn wir aber aus unserer diesseitigen Erfahrung heraus allein schon sicher sein können, dass Schicksalschläge die Chance in sich bergen, die oben genannten positiven Wirkungen zu haben, dann können wir diese für uns Nutzen, unabhängig davon ob es unter dem Dach eines allweisen Gottes oder unter dem Gesetz von Zufall und Notwendigkeit geschieht. Erst dann sind wir mündige aufgeklärte Erwachsene:entweder in der Spielart des gottgläubigen oder des atheistischen Menschen

Das ändert in beiden Fällen nichts an der Tatsache, dass der Betroffene/Leidende eine Bedürfniss, ja eine "Recht" auf Schmerz, Wut, Trauer, aber auch auf Zuspruch, Mitgefühl, Hilfe und Trost hat, welche sich über einen intellektuellen Hinweis über das uns unverständliche Walten Gottes und auf die jenseitige Belohnung/Erlösung hinaus gehen sollte. Da finde ich hat Jesus bei der Erweckung des Lazarus (lassen wir den Fakt der Totenwerweckung an sich mal unbewertet) ein großes Beispiel gegeben: Er weinte mit seinen Freunden, obwohl er intellektuell den Überblick hatte und die Lösung kannte (in diesem Fall die Auferweckung vom Tod). Diese Art von nicht richtendem oder bewehrtenden Mitgefühl ist es von der wohl "Moroni11" sprach.

Man kann es auch anders sagen: "Think global, act local". Oder auch: Denke an die Ewigkeit, aber handle im Dieseits.

Alles was ich bisher erlebt habe, läßt mich eher vermuten, dass der Gott mit dem wir zu tun haben nicht die Namen Zufall und Notwendigkeit hat, sondern irgendwie anders beschaffen und zu nennen ist.

Gruss Frank

P. S::
Wer auch immer auf diesen Beitrag antwortet, den bitte ich, das ganzheitlich zu tun. Ich finde das Herausgeschnipple von Teilen und bisweilen auch nur Eingehen auf willkürlich gewählte Teilaspekte, wie es häufig in der Diskussion in diesem Forum geschieht, sehr unbefriedigend und oft auch dem Fortgang der Diskussíon zu einem begonnen Thema nicht sehr förderlich.

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