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Beitrag 46 von 48 Beiträgen.
Seite erstellt am 26.4.24 um 20:15 Uhr
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der Beitrag:
Verfasser: hltobi
Datum: Montag, den 5. Januar 2004, um 13:05 Uhr
Betrifft: Endlich wieder Semester

Hallo Henning

Es st zwar schon etwas her, aber diese Posting von Dir hat mich durchaus nochmal zum Nachdenken gebrachtt und gerne würde ich einen Teil dieser Ergebnisse mit hier darstellen

> Vielen Dank, dass Du gleich auf den Punkt kommst, um den es nämlich in dieser Diskussion auch geht. Ich gehe noch einen Schritt tiefer. WER definiert mormonische Lehre?’Das finde ich sogar noch entscheidender als was diese Lehre genau ist, da Ersteres Letzteres bedingt. Wir müssen uns also fragen, wer das Dogma der Kirche definiert:

Die einzig klare Antowrt hierauf kann natürlich nur sein: Gott. Ich sehe natürlich auch, dass so eine Antwort nicht sehr praktikabel ist, aber dies muß der Anfangspunkt einer Diskussion um die Frage nach dem "Wer" sein. Wir messen dem Propheten und genauso der Schrift ja nur Bedeutung bei, weil wir glauben durch diese Quellen Gottes Weisung zu bekommen, aber eben nicht unfehlbar. Das heist für die Frage nach dem "Wer" kann bedingungslos nur Gott selbst in Frage kommen, niemand sonst. Wann und wann nicht Hl. Schriften und Propheten und persönliche Eindrücke auch tatsächlich Gottes Wort und Wille sind, kannn nur jeder persönlich herausfinden. Damit ist die Verantwortung bei jedem selbst für seine Erlösung (auch wenn eineige HLTs diese Sache gerne in die Hände ihrer Führer, von denen manche bereitwillig diese annehmen, legen).

> Genau. Unser Glaube ist nicht allen zugänglich aus 1000 verschiedenen Gründen. Dabei ist nicht nur relevant, dass die Kirche nicht geographisch und zeitlich überall sein kann, sondern auch das Menschen, basierend auf ihren kulturellen oder familiären oder psychologischen Hintergründen unterschiedlich auf die verschiedenen Formen der Anbetung reagieren werden. Daher kann nicht jeder Mensch zu dieser Kirche den Zugang haben, allein schon deshalb nicht, weil manch ein Mensch schlichtweg unser Gesangbuch totlangweilig finden könnte und etwas charismatischeres braucht als dieses musikalische Trauerspiel bei uns.

Was Du hier dargelegt hast ist natürlich offensichtlich und dem kann niemand wiedersprechen. Aber jeder gläubige Mormone wird daraufhin erwiedern, dass unser Glaube zwar nicht allen in dieser Welt zugänglich ist, aber spätestens in der nächsten und so diese Kriterium dennoch erfüllt wird. Ich gebe gerne zu, dass diese Lösung es sich sehr einfach macht, aber ehrlich gesagt kann ich mir auch keine alternative vorstellen, ohne das Kriterium (dass der Glaube allen gleich zugänglich sein sollte) ganz über Board zu werfen. Erwartet man, dass diese Kriterium, hier und jetzt erfüllt wird, so glaube ich kann für jedes noch so einfache Glaubensmodell gezeigt werden, dass es nicht jedem gleich zugänglich ist.
> Aus der Distanz betrachtet ist das gar nicht so schwer zu sehen: ich warte jetzt nicht mehr darauf, dass ein Lehrer in der Priestertumsklasse ganz klar sagt: JA ! Ein liebender Gott erquickt die Seele und die Liebe des Menschen deckt viele Sünden zu. Und dann einfach nur darüber spricht und kein "aber" in der Klasse toleriert.

> Du weisst das sicherlich auch: wenn wir uns von Gott aufrichtig geliebt fühlen und dieses zurückgeben können, dann ist das so viel verbindlicher als die Bündnisse, die wir schliessen, die uns allzuhäufig auch in unserer Angst fangen und uns nicht gehen lassen, was wir aber manchmal gerne täten. Stattdessen lernte ich jemanden auf Mission kennen, der seine wundervolle Familie fast nie sah, weil er beruflich so stark eingespannt war. Er fühlte sich dennoch verpflichtet, als ihm die Berufung ausgesprochen wurde, in der Bischofschaft einer grossen Gemeinde zu dienen, auf den Segen des Herrn hoffend.
> !!! Wahre Liebe vermittelt aber auch die Gewissheit, dass die bittende Seite auch ein "Nein" akzeptieren wird, ohne dass man deswegen mit der Ungnade rechnen muss !!! Ob die bittende Seite auch gleich mit Gott gleichzusetzen ist, sollte mal dahingestellt sein.

Also zunächst ein Eingeständnis meinerseits: Viele Mitglieder haben ein Problem mit dem Thema Gnade. Punkt. Das einige damit ein Problem haben hat sicher viele Gründe, einen davon möchte ich kurz darstellen.

Ich glaube, dass viele eine Problem haben, weil sie sich von dem protestantischen Begriff der Gnade und dem falschen Verständnis der "billigen Gande" (ein Lippenbekenntnis, und darauffolgender Freihfahrtsschein für jede Sünde), distanzieren wollen. Dabei aber sich zuweit entfernt haben und so immer das Gefühl haben beim Thema Gnade ein "aber" dazusetzen zu müssen, um diese Distanz zu wahren. Selbe Phänomen ist übrigens bei dem Konzept der Einheit zwischen Gott Vater und Jeusus zu bemerken. Als Experiment sag in einer SS-Klasse, einfach mal "Wir glauben, dass Vater und Sohn EINS sind", und darauf wird unweigerlich folgen, "aber, dennoch sind Sie zwei ganz seperate Personen!". Alsob die erste Aussage igendwie falsch wäre, was sie nicht ist.

Benutzt man übrigens den Begriff Barmherzigkeit anstatt Gnade, kann man dieses "aber" auch das ein oder andere mal umgehen. Was natürlich das Problem nicht aus der Welt räumt. Ich finde die Literaturgestalt Javert (aus Les Miserables) ist ein gutes Beispiel für all die, die das Konzept der Gande nicht annehmen wollen.

Wie schon merhmal gesagt ich kann Dir in Deiner Sicht der Dinge zum Thema Gande nur zustimmen, finde aber gerade diese Thema auch sehr stimulierend im Buch Mormon behandelt.
Beispiele:

2. Nephi 2:3  Darum soll deine Seele gesegnet sein, und du wirst bei deinem Bruder Nephi sicher wohnen und deine Tage im Dienste deines Gottes verbringen. Darum weiß ich, daß du erlöst bist durch die Rechtschaffenheit deines Erlösers; denn du hast geschaut, daß er, wenn die Zeit erfüllt ist, kommen wird, um den Menschen die Errettung zu bringen.

Dies sagt Lehi an seinen "guten" Sohn Jakob. Der also troz seiner "persönlichen Leistung" durch die Rechtschaffenheit DES Erlöser grettet wird.

2. Nephi 10:24 Darum, meine geliebten Brüder, richtet euch nach dem Willen Gottes aus, aber nicht nach dem Willen des Teufels und des Fleisches; und nachdem ihr euch auf Gott ausgerichtet habt, denkt daran: Nur in der Gnade Gottes und durch sie werdet ihr errettet.

2. Nephi 4:33  O Herr, umhülle mich doch mit dem Mantel deiner Rechtschaffenheit! O Herr, bereite mir doch einen Weg, daß ich meinen Feinden entrinne! Mache doch meinen Pfad vor mir gerade! Lege mir doch keinen Stolperstein in den Weg, sondern lichte meinen Weg vor mir, und mache eng nicht meinen Weg, sondern die Wege meines Feindes

Auch der ach so gute Nephi sehnt sich nicht nach seiner eigenen Rechtschaffenheit, sondern nach der des Herrn. Moroni würde sagen der einzige Weg Vollkommen zu werden ist in Christus zu sein (oder mit anderen Worten, dass seine Volllkommenheit / Rechtschaffenheit durch unsere Einheit mit Ihm auf uns übertragen wird)

Moroni 10:32-33 Ja, kommt zu Christus, und werdet in ihm vollkommen, und verzichtet auf alles, was ungöttlich ist, und liebt Gott mit aller Macht, ganzem Sinn und aller Kraft, dann ist seine Gnade ausreichend für euch, damit ihr durch seine Gnade in Christus vollkommen seiet; und wenn ihr durch die Gnade Gottes in Christus vollkommen seid, könnt ihr die Macht Gottes keineswegs leugnen. [s. 3Ne 29:6a]

33 Und weiter: Wenn ihr durch die Gnade Gottes in Christus vollkommen seid und seine Macht nicht leugnet, dann seid ihr durch die Gnade Gottes in Christus geheiligt, nämlich dadurch, daß das Blut Christi vergossen wurde, das im Bund des Vaters der Vergebung eurer Sünden dient, damit ihr heilig werdet, ohne Makel

Aber mein Lieblingsvers für die Mormon ist immernoch:

Alma 33:16 Du bist zornig, o Herr, auf dieses Volk, weil es deine Barmherzigkeit nicht verstehen will, die du ihm um deines Sohnes willen erwiesen hast.

Genug zu dem Thema.

> Ich möchte jetzt aber auch einmal in Deine Richtung argumentieren: wenn der satanische Gevatter im Tempel meint: DANN WERDEN SIE IN MEINER GEWALT SEIN, dann bezieht sich das auf die direkten Konsequenzen unserer Handlungen (unter den Vorzeichen unseres neuen Bündnisses) und nicht darauf, dass Gott uns am letzten Tag in die Hölle steckt, um uns dort schmoren zu lassen

Wie schon in unserer Persöhnlichen Korrendondez;-) habe ich ja auch versucht zu zeigen, dass eine restriktive Sichtweise der Temeplbündnisse in Kontxt dieser Aussage geradezu ironisch ist, denn dies sind ja die Worte Satans, denen man eigentlich keinen glauben schenken sollte. Womit auch die Lehre die er darstellt satanisch ist.

> Auch lesen wir in Lehre und Bündnisse eine Schriftstelle, die die mormonische Theologie sehr stark in den Gegensatz zum gelebten Mormonismus stellt: dort steht in LuB 76: 41 - 44, dass Jesus am letzten Tag ALLE Werke seiner Hände (Menschen, Tiere, Pflanzen) erretten wird (mit Ausnahme der Söhne des Verderbens, die in ihrem Elend ja trotzdem bis in alle Ewigkeit die Hand des Herrn im vollen Lichte der Erkenntnis ausschlagen).
> Die Mormonen könnten also lehren, dass Jesus ALLE Menschen erretten wird. Sie könnten lehren, dass Gott alle Menschen wahrhaftig und unmittelbar liebt und auch die Hand dann noch ausstreckt, wenn wir schon längst nicht mehr an sie glauben mögen und alle Hoffnung verloren ist. Die Mormonen könnten auch lehren (basierend auf wesentlichen Predigten im Buch Mormon und der Bibel), dass Glaube befreit und nicht einsperrt. ...Das jeder Mensch vor Gott gleich ist, egal welches Amt er trägt und wie viel Geld er verdient und wie viele Menschen ihn toll finden (dies als Anklage an die Vetternwirtschaft und der Pöstchenvergabe in der Kirche). Die Mormonenkirche hat dieses Potenzial in sich.

Ich kann auch hier nur Deinen Ausführungen zustimmen, die wesentliche Frage für mich ist aber nicht ob "die Kirche" diese Potenzial nutz, sondern ob ich für mich dies getan habe. Gerade in diesem Kontext wird doch die persönliche Verantwortung deutlich, und dieser können sich Mormonen (wie auch Exmormonen nicht entziehen).

> Ich möchte aber auch folgendes einbringen:
> - Orthodoxie ist immer befremdlich, wenn sie von Menschen beobachtet wird, die ihr auf die eine oder andere Weise ausgeliefert sind, selbst wenn sie mit ihr nicht übereinstimmen. Und sie kann auch gefährlich werden oder sogar einfach nur unzweckmässig, wie Du im Artikel "The challenge for LDS Scholars and Artists" von John und Kirsten Rektor in der jetzigen Ausgabe von Dialogue lesen kannst.

Den Artikel fand ich übrigens absolut genial. Natürlich ist Orthodoxie nicht sehr nützlich, deswegen haben Joseph Smith, BY und andere sich ja auch gegen sie und solche Trends innerhalb des Mormonentums bemüht und Orthodoxie (wie sie ja auch in Form der Glaubensbekenntnisse zutage tritt) als Konzept für die Kirche abgelehnt. Wie Du ja aus meinen Mails entnehmen kannst, war das ja meinen Position von Anfang an.

 
> Das heisst also: DIE MORMONEN SETZEN IHR POTENZIAL NICHT UM. Und sie lehren es deshalb auch nicht.

Niemand setzt sein Potenzial voll um. Ich denke dass vieles schon passiert nur hören nicht alle zu! Nur zum beispiel Gnade, habe ich ja Stephen Robinsons Buch Beliving Christ angegeben um zu zeigen, dass einige Mormonen ihr Potenzial nutzen und umsetzten, die Frage ist nur wer alles zuhört!

> Wenn Du aber über dieses Thema mal einen Aufsatz schreiben magst und diesen dann bei BETRACHTUNGEN-ONLINE hinterlegen magst, dann wäre ich Dir sehr dankbar und ich verspreche Dir auch, dass ich ihn erfreut lesen werde

Gerne. Ich würde dann mehr so einen Kapitelweise Zusammenfassung bringen (die ich eigentlich für mich gemacht habe, aber mit etwas Überarbeitung auch allgemein nützlich sein sollte).

> Auch ich wurde nicht exkommuniziert, dafür das ich 7 Jahre lang genauso gelehrt habe und gedacht habe, wie vielleicht auch Du und/oder Dialogue und/oder Betrachtungen. Ich selbst habe es aber irgendwann nicht mehr ausgehalten.
> Von daher bin ich auch einmal gespannt, was auch bei Dir die Zeit bringen wird.

Ich natürlich auch. Aber im Augenblick fühle ich mich sehr wohl mit dem was ich habe.

> Wenn ihnen aber was am Reich Gottes liegt, warum konzentieren sie sich dann nicht auch darauf?
> Und genau DAS ist auch die grosse und für mich alles entscheidende Frage. Kann eine Kirche "wahr" sein, wenn sie den Blick von Gott ablenkt?

Ich sehe natürlich auch Dinge die nicht umbedingt sehr förderlich sind, aber genau so habe ich selber auch eine Tradition gefunden in der ich viel geistige Stimulierung und Herausforderung, vor allem aber auch Gottes Liebe und nähe gefunden habe. Andere erfahren dies anders (wie Du zum Beispiel), die Frage ist also nicht einfach nur ob die Kirche den Blick von Gott ablenkt, denn nicht alle in dieser Tradition verlieren Gott aus den Augen, sondern mehr interaktionistisch, welche Faktoren lenken den Blick welcher Menschen ab?

Gruß
Tobias

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