Das Exmo-Diskussionsforum

Beitrag 37 von 48 Beiträgen.
Seite erstellt am 28.3.24 um 18:04 Uhr
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der Beitrag:
Verfasser: Nyu
Datum: Samstag, den 20. Dezember 2003, um 1:16 Uhr
Betrifft: So, endlich Wochenende

Endlich !
Und jetzt finde ich auch die Zeit, richtig auf Deinen Beitrag zu antworten.
> Wieso führt sie in die Irre? Wir haben uns ja schon länger drüber unterhhalten und ich denke um zu beurteilen, ob mormonische Lehre psychologisch funktioniert muß zunächst sichergestellt werden, was diese umfasst und was nicht. Darum geht es in dieser Disskussion und erst dann kann man auch beurteilen in wiefern diese dann auch psychologisch sinnvoll ist oder nicht.

Vielen Dank, dass Du gleich auf den Punkt kommst, um den es nämlich in dieser Diskussion auch geht. Ich gehe noch einen Schritt tiefer. WER definiert mormonische Lehre?’Das finde ich sogar noch entscheidender als was diese Lehre genau ist, da Ersteres Letzteres bedingt. Wir müssen uns also fragen, wer das Dogma der Kirche definiert:
Als Joseph die Lehre von der Vielehe empfing, dem celestialen Bund der Ehe zwischen einem Mann und einer unbestimmten Anzahl an Frauen, egal wie das geschah, wurde das Lehre. Was aber geschah, als Joseph Smith seinen Sohn, Joseph Smith III zu seinem Nachfolger berief oder als er die Originalversion der Offenbarung zur Vielehe verbrannte und Emma versprach, er würde von den vielen anderen Frauen lassen. Oder was passierte, als er den Aposteln, die im Osten auf Mission waren schrieb, sie sollten bitte die Garments ausziehen und er es selber auch tat, bevor er sich den Fängern in die Hände gab, die ihn nach Carthage brachten. Das wurde dann nicht Lehre und Praxis.
Wenn heute Gordon B. Hinckley sagt, dass Mormonen keine Cola trinken und, seiner Meinung nach, auch nicht daran glauben, dass Gott mal ein Mensch war, dann sehen das viele Mormonen nicht als verbindlich an. Wenn er aber sagt, dass Mormonen sich nicht tätowieren lassen sollen und die Frauen nicht mehr als ein Paar Ohrringe tragen sollen, dann wird das Lehre und wer in den Kleinstädten in Utah dennoch mehr als ein Paar Ohrringe trägt, bekommt Fragen gestellt und darf sich Blicke gefallen lassen.
Wer also entscheidet, was Lehre bleibt und was nicht Lehre bleibt? Und wann entscheidet der oder die das?

> Wie beurteilst Du dann dies Zahlosen Riten der Juden des Alten Testaments, die, so unwahrscheilich es scheint, von Gott eingeführt wurden. Die frage ist Doch nicht ob es Bedingungen, wie bestimmte Riten, Verordnungen gibt, die wesentlich sind um zu Gott zurückzukommen, sondern ob diese die Bedinungen die Gott stellt allen erreichbar sind.
Elvira hat ja bereits entgegnet, dass sie diese Dinge für sich nicht als bindend ansieht, sondern nur das Gebot der Liebe.
Ich muss hierzu zwar sagen, dass ich die verschiedenen Riten im Tempel merkwürdig finde aber so schlimm sind sie eigentlich nicht. Wenn ich aber den Tempel verändern könnte und wie man hineingelangt, dann gäbe es aber eine Reihe von Dingen, die ich bestimmt verändern würde:
1. Ich würde das Verständnis der dogmatischen Grundlagen für die Tempelscheinfragen verändern sowie auch einige Tempelfragen selbst abändern und die Entscheidungsfähigkeit des Einzelnen im Lichte des Geistes des Evangeliums neu bewerten. Beispiel: Glauben und Liebe und rechtes Verhalten gegenüber dem Nächsten, dem Selbst und Gott in den Vordergrund stellen und nicht Äusserlichkeiten, die an der Kirche orientiert sind.
2. Ich würde wesentliche Bestandteile aus den Bündnissen entfernen (und zwar die Namen, Zeichen und Kennzeichen und die Kleidung).
3. Ich würde Symbole und Bündnisse mehr an den Grundeigenschaften des Glaubens und der Gnade und der Liebe orientieren und gerne noch Levels und Ebenen diesbezüglich hinzufügen, um symbolisch diese Dinge zu veranschaulichen.
4. Ich würde spezielle Räume in Pfahlzentren schaffen, wo diese Riten vollzogen werden können.
5. Die Tempelbündnisse würden nicht als Bedingung für die Erlösung angesehen werden, sondern als hilfreich für die Erlösung....
usw.

Auf meine Behauptung, dass Gott und Jesus allen Menschen ungeachtet ihrer Intelligenz gleich zugänglich sein sollten schriebst Du:
> Dem stimme ich voll zu, aber worin stellt sich hier ein Problem für den gläubigen Mormonen?
> Weil unser Glaube nicht allen zugänglich ist?
Genau. Unser Glaube ist nicht allen zugänglich aus 1000 verschiedenen Gründen. Dabei ist nicht nur relevant, dass die Kirche nicht geographisch und zeitlich überall sein kann, sondern auch das Menschen, basierend auf ihren kulturellen oder familiären oder psychologischen Hintergründen unterschiedlich auf die verschiedenen Formen der Anbetung reagieren werden. Daher kann nicht jeder Mensch zu dieser Kirche den Zugang haben, allein schon deshalb nicht, weil manch ein Mensch schlichtweg unser Gesangbuch totlangweilig finden könnte und etwas charismatischeres braucht als dieses musikalische Trauerspiel bei uns.

Bezüglich meines Vorwurfes, das Mormonen das Verhältnis von Gnade und Werke falsch priorisieren schreibst Du:
> Auch hier sind wir uns einer Meinung, und ich weiss widerum nicht wo sich hier das Problem für den gläubigen HLTler ergibt.
Aus der Distanz betrachtet ist das gar nicht so schwer zu sehen: ich warte jetzt nicht mehr darauf, dass ein Lehrer in der Priestertumsklasse ganz klar sagt: JA ! Ein liebender Gott erquickt die Seele und die Liebe des Menschen deckt viele Sünden zu. Und dann einfach nur darüber spricht und kein "aber" in der Klasse toleriert.
Du weisst das sicherlich auch: wenn wir uns von Gott aufrichtig geliebt fühlen und dieses zurückgeben können, dann ist das so viel verbindlicher als die Bündnisse, die wir schliessen, die uns allzuhäufig auch in unserer Angst fangen und uns nicht gehen lassen, was wir aber manchmal gerne täten. Stattdessen lernte ich jemanden auf Mission kennen, der seine wundervolle Familie fast nie sah, weil er beruflich so stark eingespannt war. Er fühlte sich dennoch verpflichtet, als ihm die Berufung ausgesprochen wurde, in der Bischofschaft einer grossen Gemeinde zu dienen, auf den Segen des Herrn hoffend.
!!! Wahre Liebe vermittelt aber auch die Gewissheit, dass die bittende Seite auch ein "Nein" akzeptieren wird, ohne dass man deswegen mit der Ungnade rechnen muss !!! Ob die bittende Seite auch gleich mit Gott gleichzusetzen ist, sollte mal dahingestellt sein.

> Tatsächlich ist der Gott der Glaubensbekenntnise, der unbewegte Beweger, dessen Exsistenz nicht im geringsten davon berührt wird ob ich lebe oder nicht, ob ich an ihn glaube oder nicht, ob die die ganze Menscheit ausgerotte wird oder nicht, der uns aus dem nichts erschafft und dann einige zu Erlösung auserkoren hat und andere zur ewigen Verdammnis (calvinistische Theologie), aber auch nicht der beste Kandidat für den lebendigen Gott der Liebe. Der Gott der Bekenntnisse hat keine Gefühle, wird durch unsere Gebete nicht zu irgendetwas bewegt, denn er ist ganzlich ausserhalb dieser Welt und wird von nichts beeinflusst, er ist der unbewegte Beweger.

Okay - es ist immer interessant, Werte, die man für gegeben hinnimmt, einfach einmal auf den Tisch zu legen und zu schauen, was eigentlich einer kritischen Prüfung standhält.
Ich möchte jetzt aber auch einmal in Deine Richtung argumentieren: wenn der satanische Gevatter im Tempel meint: DANN WERDEN SIE IN MEINER GEWALT SEIN, dann bezieht sich das auf die direkten Konsequenzen unserer Handlungen (unter den Vorzeichen unseres neuen Bündnisses) und nicht darauf, dass Gott uns am letzten Tag in die Hölle steckt, um uns dort schmoren zu lassen. Auch lesen wir in Lehre und Bündnisse eine Schriftstelle, die die mormonische Theologie sehr stark in den Gegensatz zum gelebten Mormonismus stellt: dort steht in LuB 76: 41 - 44, dass Jesus am letzten Tag ALLE Werke seiner Hände (Menschen, Tiere, Pflanzen) erretten wird (mit Ausnahme der Söhne des Verderbens, die in ihrem Elend ja trotzdem bis in alle Ewigkeit die Hand des Herrn im vollen Lichte der Erkenntnis ausschlagen).
Die Mormonen könnten also lehren, dass Jesus ALLE Menschen erretten wird. Sie könnten lehren, dass Gott alle Menschen wahrhaftig und unmittelbar liebt und auch die Hand dann noch ausstreckt, wenn wir schon längst nicht mehr an sie glauben mögen und alle Hoffnung verloren ist. Die Mormonen könnten auch lehren (basierend auf wesentlichen Predigten im Buch Mormon und der Bibel), dass Glaube befreit und nicht einsperrt. ...Das jeder Mensch vor Gott gleich ist, egal welches Amt er trägt und wie viel Geld er verdient und wie viele Menschen ihn toll finden (dies als Anklage an die Vetternwirtschaft und der Pöstchenvergabe in der Kirche). Die Mormonenkirche hat dieses Potenzial in sich.
Ich möchte aber auch folgendes einbringen:
- Orthodoxie ist immer befremdlich, wenn sie von Menschen beobachtet wird, die ihr auf die eine oder andere Weise ausgeliefert sind, selbst wenn sie mit ihr nicht übereinstimmen. Und sie kann auch gefährlich werden oder sogar einfach nur unzweckmässig, wie Du im Artikel "The challenge for LDS Scholars and Artists" von John und Kirsten Rektor in der jetzigen Ausgabe von Dialogue lesen kannst.

Das heisst also: DIE MORMONEN SETZEN IHR POTENZIAL NICHT UM. Und sie lehren es deshalb auch nicht.

Ich danke Dir übrigens für Deine Literaturverweise. "> kann ich nur folgendes Buch empfehlen..."
Ich kann Dir aber nicht versprechen, dass ich diese bestimmt tollen Bücher lesen werde, weil das erfordern würde, dass ich mich an den Computer setze und dann ein oder zwei Bücher bei Amazon bestellen müsste, die ich ja auch bezahlen muss. Dann müsste ich mich auch in der S-Bahn diesen Büchern widmen und letztlich nur um einen Gedanken schlauer sein: das nämlich Gott vielleicht doch nicht der "unbewegte Beweger" ist und die Mormonen das ja schliesslich auch schon immer wussten. Es mag sein, dass mir das ein bischen viel Aufwand ist.
Wenn Du aber über dieses Thema mal einen Aufsatz schreiben magst und diesen dann bei BETRACHTUNGEN-ONLINE hinterlegen magst, dann wäre ich Dir sehr dankbar und ich verspreche Dir auch, dass ich ihn erfreut lesen werde.
Zu diesem Thema habe ich aber auch noch einen ganz anderen Gedanken. Bitte dieses als offene Frage lesen:
Was wäre, wenn Gott eben doch nicht Der Alte Mann Mit Bart wäre, sondern Gott nichts anderes ist als das eigenständig denkende und fühlende Überbewusstsein der Seelen aller Wesen auf der Erde, dessen Natur es einfach ist, zu lieben und gleichzeitig weise und ur-alt aber auch kindlich und modern und bodenständig zu sein?
Lies hierzu doch einfach einmal das Todesnäheerlebnis, das ich in dem entsprechenden Bereich bei www.momoexmo.de hinterlegt habe. Derzeit ist da nur ein einziges TNE, leider. Warum soll der Mann mit seinem Erlebnis nicht den Kern der Sache getroffen haben, weil er darum gebeten hatte, die Wahrheit HINTER den ganzen Erlösern und Göttern in der Menschheitsgeschichte zu verstehen. Der "Gott", den er dort skizziert, ist auch nicht unbewegt bewegend.

> Ich würde Dir in soweit zustimmen, das bestimmte mormonische Theologien wie einige Mitglieder sie leben und verstehen nicht funktioniert, aber eine allgemeine pauschale disfunktionalität der Lehre sehe ich nicht. Wir können uns gerne auch nochmal über die Forschung über die psychologischen Effekte des Mormonismus und des Glaubens allgemein unterhalten.

Das müssten wir dann wohl. Du magst recht haben, wenn Du meine Verallgemeinerung der mormonischen Theologie zur Disfunktionalität kritisierst. Der Grund dafür das Du Recht hast, liegt darin begründet, dass es zwar mormonische Lehre gibt, diese in sich selbst aber sehr widersprüchlich ist, vorausgesetzt, dass die "Standardwerke" der Heiligen Schriften UND die aktuellen Handbücher für Allgemeine Anweisungen UND z.B. der Führungsstil eines Missionspräsidenten gegenüber seinen Missionaren als Lehre zu verstehen sind.
Soll meinen: die Lehre der Mormonen ist in der Tat disfunktional, wenn die heutige Lehre sich von der früheren Lehre unterscheidet. Der Ethos der Mormonen ist dann disfunktional, wenn durch die Politik der Kirche im Laufe der Jahre immer mehr Regeln zu immer mehr Zentralisierung führen oder wenn die mormonische Kultur längst ein Eigenleben entwickelt, das niemand mehr kontrollieren kann.

> Sicher, da hast Du recht, ich bin sicher der erste der gestehen würde, dass es einige Probleme in der Kirche gibt.
Und ich bin der erste, der eingesteht, dass "die Exmos" auch einige Probleme mit sich selbst haben.

> Ob ich mir zuviel theologische Freiheit nehme ist eine Sache die wir einfach mal die die Zeit entscheiden lassen. Ich mache meine Meinung Publik in der Kirche, in Ansprachen alsauch in Klassen und sollte dies nicht innerhalb des Toleranzbereiches der Kirche sein wird die Zeit dies zeigen. Vielleich hat Elder Packer ein anderes Bild wie ich, vielleich hat Elderm Monson oder Maxwell aber auch andere Ansichten wie Elder Packer?  Ferner sind diese Sichweisen die ich hier präsentiere auch schon von anderen in Journals wie Dialouge, Sunstone und FARMS Review erschienen und keine dieser Personen wurde exkommuniziert.

Auch ich wurde nicht exkommuniziert, dafür das ich 7 Jahre lang genauso gelehrt habe und gedacht habe, wie vielleicht auch Du und/oder Dialogue und/oder Betrachtungen. Ich selbst habe es aber irgendwann nicht mehr ausgehalten.
Von daher bin ich auch einmal gespannt, was auch bei Dir die Zeit bringen wird.
Weisst Du, wenn ich es, basierend auf meinen neuen Erkenntnissen, wieder mit den Mormonen versuchen würde, ich würde es einfach nicht ertragen. Die Tatsache, dass die Mormonen IHRE KIRCHE bei allem und jedem in den Vordergrund stellen (wobei sich mir auch der Verdacht aufdrängt, dass manche für ihren beschränkten Horizont eben genau solch eine orthodoxe Kirche brauchen)  müssen, kreischt so laut in meinen Ohren, dass ich den Herrn selbst nicht mehr hören oder fühlen kann.

Wenn die Mormonen ihre Kirche so toll finden und so sehr den Blick auf diese irdische Hülle haben, warum bauen sie sich dann nicht noch grössere und geschmücktere Tempel, damit sie dann wenigstens richtig was zu gucken kriegen. Wenn ihnen aber was am Reich Gottes liegt, warum konzentieren sie sich dann nicht auch darauf?
Und genau DAS ist auch die grosse und für mich alles entscheidende Frage. Kann eine Kirche "wahr" sein, wenn sie den Blick von Gott ablenkt?

liebe Grüsse,
Henning

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