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Seite erstellt am 27.4.24 um 1:36 Uhr |
Verfasser: Elvira Datum: Samstag, den 26. April 2003, um 20:55 Uhr Betrifft: Auch noch einige Gedanken dazu
Hallo stand-up,
habe mit groÃem Interesse Deine Beiträge zu psychischen Erkrankungen gelesen und kann Dir nur zustimmen. Es entspricht in etwa den Erfahrungen die ich gemacht habe, seit ich mich damit beschäftige und auch ehrenamtlich bei so was mitmache (alte demente Menschen und Mütter mit postnatalen Depressionen).
Auf diesem Gebiet herrscht in der Gesamtbevölkerung ungeheuer viel Aufklärungsbedarf, auch ich wusste nicht über solche Erkrankungen, Medikamente und Therapien bescheid. Ich hatte ein gewaltiges Informationsdefizit und ebenfalls falsche Vorstellungen.
Das kommt wohl daher, dass psychische Erkrankungen wie Du auch ansprichst, stigmatisiert werden, dass ihnen der Makel des âselbst Schuldâ anhaftet. So werden genau die Menschen, die ein besonderes Interesse oder Aufmerksamkeit verdienen würden, weil sie krank sind, mit ihrer Krankheit in eine Tabuzone abgeschoben.
Du zitierst einen Auszug aus dem WeiÃbuch, wobei es um die alte Frage geht, woher psychische Krankheiten rühren, umweltbedingt oder angeboren? Für mich spielt es keine Rolle, ob eine genetische Disposition, Vulnerabilität oder Belastungen, Stress und die Umweltbedingungen die Auslöser und Verursacher sind. Das ist höchstens eine Frage der zu wählenden Therapie.Wichtig ist mir dabei nur, dass den betroffenen Menschen dafür nicht auch noch Schuld für ihren Zustand zugeschoben wird.Wenn man eine Umfrage machen würde, dann würde mit Sicherheit der überwiegende Teil der Bevölkerung sagen, dass Psychopharmaka abhängig machen. Hab hier schon mal was darüber geschrieben. Es herrscht Desinformation und Angst vor Sucht, die ja so weit geht, dass Betroffene sich weigern wichtige Medikamente einzunehmen.
Gerade in totalitären Systemen wie der HLT- Kirche ist die Stigmatisierung von psychisch Kranken besonders stark, weil die Lehre besagt, dass man dann glücklich und von Gott gesegnet ist, wenn man alle Lehren befolgt. Nur wenn man das nicht tut, dann antwortet Gott darauf mit Strafe. Ich habe es einige Male erlebt, dass man kranken oder sonst wie in Not geratenen Mitgliedern vermittelt hat, dass ihre Unbill die Folge ihres gottlosen Verhaltens sei.
Dazu kommt dann noch, dass die Bischöfe und Führer einer Gemeinde zwar für Seelsorge zuständig sind, aber diesen Job neben ihrer eigentlichen Berufstätigkeit her machen und in keiner Weise seelsorgerlich ausgebildet sind. So treffen Betroffene, auf in dieser Sparte völlig ungebildete Helfer. Das kann für beide Seiten nur unbefriedigend ausfallen.Dass das Gehirn, wie jedes andere Körperteil krank werden kann und dann angemessene Behandlung braucht, ist offenbar nicht leicht zu vermitteln.
Dir viel Kraft und Erfolg in Deiner Tätigkeit.Elvira