Beitrag 19 von 38 zum Thema Vielehe - so streut eine KdöR Unwahrheiten |
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Verfasser: James Datum: Montag, den 2. Juli 2001, um 16:13 Uhr Betrifft: Warum es so lange dauert
Marleen ("Pinball") scrieb u.a.:
>Bitte nicht böse sein,aber mir gefällt die Lehre so wie ich sie bis jetzt gehört habe. Mit meiner Frage wollte ich wissen,warum hat es solange gedauert bis Edgar erkannt hat das vieles an der Lehre nicht stimmt,wo er doch so belesen ist.
Gute und wichtige Frage Marleen. Wenn nicht sogar die wichtigste Frage überhaupt. Wenn ich darf, so will ich sie nur noch allgemeiner fassen: Warum dauert es bei Mormonen so lange, bis einige von ihnen erkennen, daà "vieles an der Lehre nicht stimmt." Die elementarste Frage die Exmormonen sich stellen muÃten und z.T. noch tun. Damit hängt auch die Frage zusammen: Warum werden manche werden manche Menschen überhaupt Mormonen? Dies beantwortet im Umkehrschluà ihr späters "Erkennen" und ihr Verlassen der Kirche.
Man muà unterscheiden zwischen "in die Kirche geborene Mormonen" und "Hinzugekommene", Konvertiten. Denke erstere Gruppe ist einfach erklärt. Der Beobachter des Mormonismus erlebt eine Vielzehl von Beispielen (gelegentlich selbst in diesem Forum zu beobachten), wie der Glauben bis hin zur Irrationalität verteidigt wird und wenn selbst die letzte Glaubensbastion einem kritischen Hinterfragen fällt, der Mormone sich auf seine letzte Trutzburg zurückzieht: Er "weiÃ", hat ein "Zeugnis." Dem "Arm des Fleisches" ist zu misstrauen. Nicht dem Intellekt, der Wissenschaft ist zu trauen, sondern der Offenbarung Gottes. Nur der Glauben, bei den Mormonen zu einem "Wissen" ob der Wahrheit erhoben, zählt und birgt Sicherheit und Errettung. Und weià er keine Antwort mehr verfällt er in beredtes Schweigen (auch im Forum oft genug wahrzunehmen). Dieses Phänomen ist natürlich für den Betrachter der Religion von höchstem Interesse, denn diese Form der Irrationalität beschränkt sich nicht allein auf den Mormonismus. H. J. Campbell hinterfragte bereits:
>Religiöse Richtlinien des Handelns, Anweisungen, wie die besondere Form menschlichen Verhaltens aussehen muÃ, sind alle als GewiÃheiten formuliert und den verschiedensten Offenbarungen entnommen - heiligen Schriften, Visionen und Wundern. Die Frage nach der Richtigkeit erhebt sich, im Gegensatz zur Wissenschaft, nicht, und es wird keine Bestätigung durch Beobachtung und Tatsachenvergleich verlangt. Vielleicht werden deshalb auf religiösem Gebiet so viele Meinungen vertreten ... die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft (ist) fast hundertprozentig das Resultat einer Gehirnwäsche durch mächtige und suggestiv wirkende Persönlichkeiten, die bestimmte Aspekte der Verkündigung sorgfältig auswählen, um damit ihre Anweisungen zu stützen. (H. J. Campbell, Der Irrtum mit der Seele, München 1973, S. 246f.)
Campbell begründet anschlieÃend seine These der Gehirnwäsche, wenn er wie folgt schreibt:
>Es ist ja wohl tatsächlich so, daà die überwiegende Mehrzahl der Christen Kinder von Christen sind, und dasselbe gilt für die Anhänger anderer Religionen, für Juden. Moslems, Hindus, Buddhisten und sogar für die »Unterabteilungen« der Religionen, für Katholiken, Protestanten, Anglikaner, Mormonen, die Zeugen Jehovas, Baptisten und alle anderen. Es ist der unumstöÃliche Beweis dafür, daà fast alle Gläubigen die religiösen Ansichten übernommen haben, die ihnen ihre Eltern und die von ihren Eltern ausgewählten Priester beibrachten. Bei so vielen zur Auswahl stehenden Religionssystemen würde genau der entgegengesetzte Effekt zu erwarten sein, wenn sich jeder einzelne mit Hilfe seiner eigenen Vernunft für eine der Religionen entschiede. Die unaufhörlichen Wiederholungen der verkündeten »Wahrheiten«, die ständigen Behauptungen, der Glaube sei ein gerechtfertigter Ersatz für Wissen, die wiederholten Aufforderungen zur BuÃe und die Drohungen mit schrecklicher Vergeltung auf Erden oder nach dem Tode, die fortwährende Betonung der Feindseligkeit gegenüber anderen Glaubenssystemen: Das alles kennzeichnet den langsamen Prozeà der Einpflanzung von Glaubensmeinungen, die gewöhnlich als Gehirnwäsche bezeichnet wird. (Campbell, ebd., S. 247f.)
Das sollte zur Gruppe der "geborenen Mormonen" reichen.
Bleibt die Gruppe der "Bekehrten."
Warum haben manche Menschen überhaupt das Bedürfnis zu "konvertieren?" Nicht nur zum Mormonismus. Menschen glauben immer wieder die eigenartigsten Dinge, weil ihr Wunschdenken sie dazu antreibt (sehr zum empfehlen übrigens Michael Shermer, Why People Believe Weird Things, 1997). Trotz offenkundiger und überprüfbarer Tatsachen tun sie es immer wieder, weil es schwieriger ist die eigene Voreingenommenheit, Vorurteile und Gewohnheiten in Frage zu stellen oder sogar aufzugeben. Menschen fällt es schwer anzuerkennen, dass sie Fehler machen oder falsch liegen. Menschen ist es oft genug lieber eine "Komfortzone" zu haben, anstatt den Dingen wirklich auf den Grund zu gehen. Die Komfortzone zu verlassen bedeutet auch, eine Sicherheitszone zu verlassen. Den Mormonismus zu untersuchen bedeutet auch Menschen in ihren Komfort- bzw. Sicherheitszonen zu erleben.
Der beste Einstieg und Werk zum Thema ist das Buch "Der Fanatiker. Eine Pathologie des Parteigängers," Frankfurt a. M., 1999, von Eric Hoffer (Wenn Du Englisch kannst besorge Dir das Original "The True Believer. Thoughts on the Nature of Mass Movements" $12, die Dein Leben verändern könnten). Ein MuÃ! Der Titel der deutschen Ãbersetzung und Ausgabe ist m. E. n. unglücklich gewählt. Im Original lautet dieser "The True Believer. Thoughts on the Nature of Mass Movements," (New York, 1951), besser wäre "Der wahre Gläubige. Gedanken über die Natur von Massenbewegungen," deshalb auch, weil Hoffer im Text den Unterschied macht zwischen dem "wahren Gläubigen" (dem Anhänger einer Massenbewegung) und einem Fanatiker (dieser trägt innerhalb dieser Bewegung eine wichtige Rolle). Hoffer war an der Frage interessiert, warum Massenbewegungen eine solche starke Anziehungskraft ausüben, warum und welche Menschen diese Bewegungen ins Leben riefen und welche von ihnen angezogen wurden,
Ãber 400.000 Exemplare vom "True Believer" wurden im Laufe der Jahre verkauft, es wurde in zwölf Sprachen übersetzt, und weil US-Präsident Eisenhower dieses Buch immer wieder seinen Freunden empfahl, galt es bald als "Ikes Lieblingsbuch." (Der Fanatiker, S.297)
Hoffer beschreibt:
>Besonderheiten, die allen Massenbewegungen gemeinsam sind, seien es religiöse oder nationalistische Bewegungen oder soziale Revolutionen. (Der Fanatiker, ebd. S. 7)
Hoffer behauptet nicht,
>daà alle diese Bewegungen einander glichen, sondern daà sie wesentliche Merkmale, die ihnen Familienähnlichkeit verleihen, gemeinsam haben. Alle Massenbewegungen erzeugen in ihren Anhängern die Bereitschaft zu sterben und den Drang zu geschlossener Aktion; alle züchten - ohne Rücksicht auf die Doktrin, die sie predigen, und das Programm, das sie sich vornehmen, - Fanatismus, glühende Hoffnung, Enthusiasmus, Haà und Intoleranz. Sie alle sind imstande, einen mächtigen Strom der Aktivität in gewissen Lebensbereichen zu entfesseln, und sie alle fordern blinden Gehorsam und unbeirrbare Gefolgschaft. ... Sie appellieren an eine bestimmten, immer selben Typus menschlichen Geistes.
>Obgleich es offensichtlich Unterschiede gibt, zwischen einem fanatischen Christen, einem fanatischen Mohammedaner, einem fanatischen Nationalisten, einem fanatischen Kommunisten und einem fanatischen Nazi. kann der Fanatismus, der sie beherrscht, als ein und derselbe betrachtet werden. (ebd.)
Der wahre Gläubige, der später zum Fanatiker wird, ist anschlieÃend Gegenstand der Betrachtung. Was zeichnet diesen aus und warum haben Massenbewegungen auf manche Menschen keinen Zugriff?:
>Der Hauptpunkt ist dabei der, daà sich die Selbstentfremdung, die eine Vorbedingung für Formbarkeit und Konversion ist, fast immer in einer mit Leidenschaft geladenen Atmosphäre vollzieht. Denn das Entfesseln von Leidenschaften ist nicht nur ein wirksames Mittel, ein bestehendes Gleichgewicht zwischen einem Menschen und seinem Ich zu stören, sondern es ist auch das unvermeidliche Nebenprodukt einer solchen Störung.
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>Nur der Mensch, der mit sich seinem Ich auf gutem FuÃe steht, kann eine leidenschaftslose Haltung gegenüber der Welt einnehmen.
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>Indem die Massenbewegungen in den Herzen ihrer Anhänger heftige Leidenschaften entfachen und wachhalten, verhindern sie das Zustandekommen eines inneren Gleichgewichts. ... Sie stellen eine autonome, selbstgenügsame Existenz nicht nur als unfruchtbar und bedeutungslos, sondern auch als entartet und böse hin. Der auf sich selbst gestellte Mensch ist eine hilflose, erbärmliche und sündige Kreatur. Seine einzige Erlösung besteht darin, sein Ich aufzugeben und ein neues Leben in einer kollektiven Körperschaft zu finden, sei es eine Kirche, ein Volk oder eine Partei ...
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>Der Fanatiker ist ständig unfertig und unsicher. Aus seinen persönlichen Quellen - aus seinem abgelehnten Ich - kann er keine Selbstsicherheit entwickeln, sondern er findet sie allein dadurch, daà er sich leidenschaftlich an irgendeinen Halt klammert ... Diese leidenschaftliche Bindung ist der Wesenskern seiner blinden Ergebenheit und Religiosität, und er sieht in ihr die Quelle aller Tugend und Kraft. ... betrachtet (er) sich doch gern als Träger und Verteidiger dieser heiligen Sache, an der er sich festhält.
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>Es muà nicht hervorgehoben werden, daà der Fanatiker überzeugt ist, die heilige Sache, die ihm Halt gibt, sei unerschütterlich und ewig - ein Felsen, der der Zeit trotzt. Sein Gefühl der Sicherheit leitet sich jedoch her aus der Leidenschaft seiner Hingabe und nicht aus der Qualität der Sache. ... Er klammert sich an seine Sache in erster Linie nicht deswegen, weil sie gerecht und heilig ist, sondern aus verzweifelten Verlangen nach irgendeinem Halt.
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>Er hungert nach dem tiefen Sicherheitsgefühl, das mit der vollständigen Selbstaufgabe eintritt - wenn er sich mit ganzem Herzen einem Glauben und einer heiligen Sache verschreibt. Was für ihn zählt, ist nicht der Inhalt der Sache, sondern die völlige Hingabe und die Gemeinschaft mit Gleichgesinnten. (S.105ff.)Ein wichtiger Faktor der Massenbewegung ist die Gruppenbildung, Nachahmung und der Gehorsam:
>Nachahmung ist ein wesentlicher gemeinschaftsbildender Faktor. Die Entwicklung einer geschlossenen Gruppe ist unvorstellbar ohne immer weiter um sich greifende Gleichförmigkeit. Einmütigkeit und Gleichschaltung, von jeder Massenbewegung hochgeschätzt, werden ebensosehr durch Nachahmung wie durch Gehorsam bewirkt.
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>Die groÃe Bürde des Enttäuschten ist das BewuÃtsein seines kraftlosen, fehlerhaften Ich, und es ist seine gröÃte Sehnsucht, sich von dieser Bürde zu befreien und ein neues Leben zu beginnen. Er versucht, diese Sehnsucht zu verwirklichen, indem er sich entweder eine neue Identität sucht oder damit anfängt, seine Individualität zu verwischen und zu tarnen. Zu beiden Zielen verhilft ihm die Nachahmung.
Je weniger Befriedigung wir aus dem Ich-Selbst-Sein erhalten, desto gröÃer ist unser Verlangen, wie andere zu sein. Und so sind wir eher dazu bereit, Menschen zu kopieren, die von uns verschieden sind, als solche, die uns fast gleich sind, eher solche, die wir bewundern, als solche, die wir verachten.
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>SchlieÃlich regt der Mangel an Selbstvertrauen, charakteristisch für den Enttäuschten, den Nachahmungstrieb sehr heftig an. Je mehr wir nämlich unserem Urteil und unserem Glück miÃtrauen, desto eher sind wir bereit, dem Beispiel anderer zu folgen.
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>Die Gläubigen sind leicht zu führen und zu formen, aber auch ebenso empfänglich für Fremdeinflüsse. Man hat den Eindruck, daà die total vereinheitlichte Gruppe leicht zu verführen und zu korrumpieren ist. Die Sprache der Massenbewegung flieÃt daher über von Ermahnungen nur ja keine fremden Vorbilder zu kopieren und »deren Abscheulichkeiten nachzuahmen«. Die Nachahmung von AuÃenseitern wird als Verrat und Abtrünnigkeit gebrandmarkt. ... Jedes Mittel wird dazu benutzt, den Gläubigen vom verkehr mit Nichtgläubigen abzuhalten. Einige ... gehen gar so weit, ihre Gefolgschaft in die Wildnis zu führen, damit der neue Lebensmodus sich ungestört aufprägen kann. (S.127ff.)>Für alle Massenbewegungen ist der Gehorsam die erste Tugend. Sie setzen ihn mit den Glauben auf eine Stufe ... Menschen, deren Leben unschöpferisch und unsicher ist, scheinen eine gröÃere Bereitschaft zum Gehorsam zu zeigen als Menschen, die sich selbst genügen und Selbstvertrauen besitzen. Den Enttäuschten bedeutet die Erlösung von der Verantwortlichkeit mehr als die Erlösung aus der Unfreiheit. Sie sind nur zu gern dazu bereit, ihre Unabhängigkeit gegen die Befreiung von der Last des Wollens, des Entscheidens und der Verantwortung für unvermeidliches Scheitern zu verschachern. Nur zu gern schwören sie der eigenen Lebensführung zugunsten derer ab, die planen, kommandieren und Verantwortung tragen wollen. Darüber hinaus ist ihnen die Unterwerfung aller unter einen Führer ein Schritt auf ihr Ideal der Gleichheit hin.
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>Aus den Enttäuschten werden mit groÃer Wahrscheinlichkeit auch die standhaftesten Gefolgsleute.
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>Die Enttäuschten folgen einem Führer weniger um des Glaubens willen, er führe sie in das gelobte Land, als vielmehr wegen ihres intuitiven Gefühls, daà er sie von ihrem unerwünschten Ich wegführen wird. (S. 148ff.)Passend hierzu schrieb Arthur Koestler, in seiner brillanten Analyse der gesellschaftlichen Hierarchien, dass egoistische Triebe von einzelnen Menschen eine weitaus geringere Gefahr darstellen, als die Neigung vieler Menschen, sich integrieren zu wollen. Wer sich Selbstbehaupten will, verfällt oft genug den StrafmaÃnahmen der Gesellschaft, er ächtet eigentlich sich selbst. "Der wahre Gäubige dagegen werde stärker mit ihr verflochten; er gehe in einem »Ganzen« von Kirche, Partei oder sonst dergleichen auf und überantwortete ihm seine Identität. (The Ghost in the Machine New York, 1967, Teil III, »Disorder«, S.246, in: Milgram, Stanley, Das Milgram-Experiment. Zur Gehorsamsbereitschaft gegenüber Autorität, Reinbek, 1982, S. 239).
Summa: Hat man das erkannt und erfühlt bleibt nur noch das konsequente Handlen ... egal wie schmerzhaft die Folgen sind. Egal welche Beleidigungen, Schmach, Verleumdung man sich dann von Mormonen anhören muÃ. Der Weg ist dann klar aufgezeigt. Und den gilt es zu gehen.
GrüÃe, James