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der Beitrag:
Verfasser: shana
Datum: Samstag, den 11. Februar 2006, um 22:05 Uhr
Betrifft: Cosmic Christianity - Tripura Rahasya - Sind Religionen zukunftsfähig?

> Ich träume von einer Kirche, in der die Menschen völlig selbstverständlich zwischen Gita, Koran, Bibel und Buch Mormon hin- und her springen können, um daraus zu lernen, ohne sich damit aufzuhalten, dem jeweils anderen Dokument die Vollmacht abzusprechen. Ich sehe die Lösung nicht in der Abschaffung der Kirchen aber durchaus in der Abschaffung ihrer jeweiligen Alleinvertretungsansprüche.

Wie ich Harpur zumindest in seinen Zeitungsartikeln verstanden habe, sieht er das so ähnlich wie Du. Hier ein Auszug von seiner website:

aus: http://www.tomharpur.com/VisionStatement.asp

<<<  My faith has been greatly strengthened as a result of working on The Pagan Christ. In point form, here’s how I would describe that faith, which I call Cosmic Christianity:

1. The entire cosmos is the manifestation of divine mind or God—every molecule, tiny cell, every creature, rock, tree, mountain, planet, star and the whole universe of galaxies in space.

2. We are each of us an integral, interconnected part of the whole cosmos and our own inner world is a holograph of the cosmos within us.

3. One basic datum underlies every religion under the sun, the principle of Incarnation. The Word or Logos, God’s self-expression made manifest, has given the light of its divine spark to every mind/soul coming into the world. Christians call this the Christ or "Christ in us." Other faiths have different names or modes of expression for this same inner reality.

4. Every religion whose ethical core is summed up by the word "compassion" or "loving-kindness" to all other creatures has a vision of the truth and is a valid "way" to Transcendence or God.

5. No one faith or religion—whatever its claims may be, alone has The Truth.

6. True cosmic spirituality is steeped in, flows from, and derives its most powerful analogies and metaphors from the natural world – from the tiniest bit of dust to the spiralling stars above.

7. The core aim of cosmic spirituality is radical transformation both personal and societal.

This is a call for a radical rebirth of Christianity. It could change the world <<<

Bei  kosmisch und Manifestation (siehe Punkt 1.) musste ich an ein Zitat aus der Tripura Rahasya denken,  in der ich neulich mal wieder ’blätterte’ .....

aus: http://www.teeweg.de/de/religion/tripura.html

<<<  Der Verfasser der Tripura ist unbekannt, die Schrift dürfte aber im 10. Jhd. entstanden sein. Es ist eines der schönsten Werke des Advaita Vedanta, des Vedante von der Nicht-Zweiheit, aus dem Ramana Maharshi (1879 – 1950) immer wieder Beispiele zitierte. 1937 übersetzte sein Schüler Swami Ramananda Sarasvathi Teile des Werkes ins Englische.

Die Vedanta entstand in der Verfallszeit der Veden, als die brahmanischen Rituale verfestigt und zu erstarrten Formen verkommen waren. Eine Vielzahl von Opferritualen war täglich einzuhalten. Wenn auch nur eine einzige Silbe nicht korrekt ausgesprochen wurde, war das Opfer ungültig, was verheerende Folgen nach sich ziehen konnte. Daher begannen sich die Brahmanen auf bestimmte Arten von Opfern zu spezialisieren. Opfer konnten nicht mehr wie in der frühen vedischen Zeit vom Hausherrn selbst vollzogen werden und der Umgang mit dem Heiligen war auf Spezialisten einer besonderen Kaste beschränkt.
Aus Protest vor dieser Erstarrung zog eine Fülle von unabhängigen Geistern als "Hauslose" meditierend und Askese übend durch das nördliche Indien und suchte nach neuen Formen der Spiritualität und nach Befreiung vom Leiden.

Tripura Rahasya

Ich bin die Abstrakte Intelligenz, aus der der Kosmos entspringt, durch die er gedeiht und in der er sich wieder auflöst. Der Unwissende sieht Mich als das Universum, während der Eingeweihte Mich als sein eigenes reines Wesen fühlt, das auf ewig in ihm als Ich-Ich leuchtet. Diese Erkenntnis kann nur aus der tiefen Stille des gedankenfreien Bewusstseins erwachsen. Meine eifrigsten Verehrer huldigen Mir mit jenem Höchstmass an Hingebung, das ihrer grossen Liebe zu Mir entspricht. Obwohl wir wissen, dass Ich ihr eigenes Selbst bin, das niemals geteilt werden kann, veranlasst sie das starke Gefühl des Hingezogenseins zu Mir dennoch, dieses Selbst als Mich zu betrachten. Sie verehren Mich als den Lebensstrom, der ihre Körper und Gemüter durchfliesst und ohne den nichts existieren kann. Nur von Ihm - und von nichts anderem - reden letztendlich alle heiligen Schriften. In konkreter Form verehrt man Mich als göttliches Paar, als Höchsten Herrn und Seine Energie, die auf ewig vereint sind. Die Leute erkennen Mich nicht, weil ihre Gemüter von Unwissenheit getrübt sind. Alle göttlichen Wesen, zu denen gebetet wird, sind Meine Manifestationen, und alle Vorstellungen von Gott beziehen sich auf Mich allein. Die Ergebnisse richten sich nach Art und Stärke der Verehrung. Ich bin unteilbar und grenzenlos. Trotzdem wirke ich nicht nur als das ganze Universum, sondern auch als dessen winzigstes Teilchen. Obgleich Ich Mich in so vielen Formen und Gestalten zeige, werde Ich doch von keiner auch nur im geringsten berührt - denn Vollkommenheit ist mein Wesen...Alles das spielt sich innerhalb Meiner unbefleckten, freien, Absoluten Intelligenz ab. Alles das gehört zu Meiner Schöpfung, welche durch Meine Macht entsteht, eine Macht, die unbegrenzt ist, und nicht näher beschrieben werden kann. Wer sich ernsthaft bemüht, Mich zu verstehen, wird Mich entweder als ausserhalb von sich sehen oder wird sein Einssein mit Mir erkennen.

Tripura Rahasya ist ein kostbares Juwel indischer Spiritualität Ramana Maharshi, der Weise vom Berge Arunachala, schätzte es als größtes und klarstes Lehrbuch der Advaita-Philosophie; des Weges der Befreiung und Selbst-Verwirklichung. Dieser spirituelle Übungsweg wird aufgezeigt anhand eines Dialoges zwischen dem mythischen Meister Dattatreya und seinem Kriegerschüler Parasurama. <<<

Ich persönlich habe aber schon Probleme mit den ganzen ’Erlösungsreligionen’ i.w.S. an sich od. überhaupt (damit meine ich: mehr oder wenig diesseits-feindlich eingestellte und das jenseits-verherrlichende Weltanschauungen), die m. unerleuchteten M. n. hauptsächlich (oder überhaupt alle?) männlichen Köpfen entsprungen sind. Erlösung wovon, vom Leben? Da Gott ja das Leben ist, macht das für mich nicht wirklich Sinn, aber ich bin halt ziemlich einfach gestrickt und mit ’Naturreligion’ im weitesten Sinn vollkommen zufrieden, vielleicht muss ich mich aber einfach in meinen weiteren Leben noch ’mächtig-gewaltig’ weiterentwickeln, um das irgendwann mal auch zu kapieren.....;-)

Habe die Tripura nur deshalb zitiert und erwähnt, weil ich es immer wieder faszinierend finde, wie sich verschiedenste Menschen zu verschiedensten Zeiten die Sache mit dem Göttlichen erklär(t)en / vorstell(t)en.

Da das friedliche Nachdenken und das überlegte Handeln, aber leider Gottes nicht jedermanns Sache sind, und auch in heutigen Zeiten, wo man es eigentlich wirklich besser wissen müsste,  immer wieder gerne zu ’fundamentalistischen’ religiösen Weltanschauungen und deren einfachen ’Lösungen’ und Erklärungen gegriffen wird, wobei man sich natürlich immer auf der Siegerseite des richtigen Gottes wähnt, sehe ich die Sache mit der gemeinsamen Weltreligion noch in ziemlich weiter Zukunft, wenn denn überhaupt realisierbar. Dazu ein religionskritischer Artikel ( an den ich mich erinnerte als hier vor kurzem die Islam-Christentum-Werte-Debatte lief) von Schmidt-Salomon:

aus: http://www.kirchenkritik.de/archiv/religionzukunftsfaehig.html

"Sind Religionen zukunftsfähig?

Dr. Michael Schmidt-Salomon

Diskussionsbeitrag auf der Podiumsdiskussion: "Projekt Weltethos? Religiöse und weltanschauliche Grundlagen der nachhaltigen Entwicklung" im Rahmen der Trierer Agenda-Wochen 1999
Sind Religionen zukunftsfähig? Können Sie einen Beitrag leisten zur Etablierung einer nachhaltigen Kultur? Oder stellen sie ein Hindernis dar auf dem ohnehin mühsamen Weg zu einer gerechten, ökologisch wie sozial tragfähigen Weltgesellschaft?

Um diese Fragen beantworten zu können, müssen wir uns vergegenwärtigen, was wir meinen, wenn wir von "Religion" sprechen. Philosophisch gesehen sind Religionen Weltanschauungssysteme, die auf der Annahme gründen, es gäbe eine Schnittmenge zwischen der diesseitigen "Welt des Menschen" und der jenseitigen "Welt an sich", zu der Privilegierte (insbesondere die jeweiligen Religionsstifter) per Offenbarung Zugang hätten. Religionen gründen also - und das ist der entscheidende Gegensatz zum wissenschaftlichen Denken - auf der Idee der offenbarten Wahrheit.

Bezogen auf unsere Fragestellung könnte man es sich nun leicht machen und sagen, daß Religionen umso zukunftsfähiger sind, je mehr die von ihnen vertretene "offenbarte Wahrheit" mit dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung, der Idee der Verantwortung gegenüber der Natur sowie den gegenwärtig wie zukünftig lebenden Menschen, übereinstimmt.

Sollten wir uns also bemühen, Religion für Religion unter die Lupe zu nehmen und eine Art Gesamtbilanz ihrer Nachhaltigkeit zu erstellen? Hätten wir unsere Ausgangsfrage hinreichend beantwortet, wenn wir wüßten, dass Religion X zu 70% zukunftsfähig ist, während Religion Y nur 30% Nachhaltigkeit für sich beanspruchen darf?

Nein, abgesehen davon, dass ein solches Ergebnis wissenschaftlich kaum haltbar wäre: Mit einer solchen Antwort hätten wir die eigentliche Aufgabe verfehlt, denn es geht in unserer Fragestellung ja nicht darum, zu ergründen, ob Religion X zukunftsfähiger ist als Religion Y. Die Frage zielt tiefer: Sie fragt, ob das religiöse Denken an sich (also losgelöst von speziellen Glaubensinhalten) zukunftsfähig ist oder nicht.

Wie Sie vielleicht wissen, werden Agnostiker wie ich (Menschen, die sich nicht anmaßen, darüber zu urteilen, ob Göttinnen oder Götter wirklich existieren) von Theisten wie Atheisten oft gerügt, sie würden sich um klare Antworten herumdrücken. Nun, was die Frage der Zukunftsfähigkeit der Religionen angeht, so habe ich - zumindest im Moment (ich lasse mich gerne von besseren Argumenten überzeugen) - eine eindeutige, klare, wenn auch unbequeme Antwort:

Meines Erachtens stellt das religiöse Denken per se ein folgenschweres Hindernis für eine gerechte und friedliche Weltkultur dar. Religiöses Denken - gleich welcher Couleur, sei es noch so progressiv gemeint wie das Küngsche "Prinzip Weltethos" - ist nämlich behaftet mit drei fundamentalen Makeln, die in der Geschichte der Menschheit immer wieder zu unermeßlichem Elend geführt haben:

Makel Nr. 1: Religiöses Denken beruht notwendigerweise auf Etikettenschwindel, da hier menschliche Wirklichkeitskonstruktionen mit anderen als menschlichen Gütekriterien (nämlich Gott, Schicksal, Gesetz des Kosmos usw.) versehen werden, was zu einem unlauteren Wettbewerb der Gedanken führt. Anders formuliert: Der religiöse Mensch benutzt im Gegensatz zum nichtreligiösen nicht nur Argumente, die in der ’Welt des Menschen’ beheimatet sind (die gegeneinander abgewogen und verändert werden können), er benutzt zudem noch Argumente, die ihrem Anspruch nach einer "höheren Ebene" angehören (die durch menschliche Argumente eben nicht aufgehoben werden können). Durch diese pseudotranszendentale Verstärkung seiner Argumente wird der religiöse Mensch argumentativ unangreifbar. Er steht über den Dingen, berichtet über höhere Einsichten, das heißt: er überhöht sich selbst, übervorteilt und erniedrigt seine nichtreligiösen KommunikationspartnerInnen, die in der Kommunikation nicht mit gezinkten Karten spielen.

Makel Nr. 2: Religiöses Denken ist auch deshalb problematisch, weil es (durch seine jenseitige und nicht diesseitige Begründungsform) jede rationale, menschliche Argumentation außer Kraft setzen und damit eine nicht mehr hinterfragbare Beliebigkeit der Argumentation nach sich ziehen kann. Mit dem Jenseits läßt sich - wie bereits Nietzsche wußte - jede beliebige Lüge im Diesseits begründen. Ist die Vernunft erst einmal mit dem religiösen Virus infiziert, so ist unter Umständen kein Mythos, keine Erzählung, kein Gedanke absurd genug, um nicht doch noch geglaubt, verbreitet und mit Waffengewalt verteidigt zu werden.

Eben hieraus ergibt sich Makel Nr. 3: Religiöses Denken ist stets mit einem ungeheuren Restrisiko verbunden, nämlich mit der Gefahr des religiösen Supergaus, der einen menschenfresserischen Fundamentalismus freisetzt. Nicht umsonst zieht sich die Blutspur der Religionen wie ein roter Faden durch die Geschichte der Menschheit. Und ein Ende des religiös motivierten Schreckens ist nicht in Sicht.

Das besonders Alarmierende daran: Man kann den heiligen Kriegern nicht einmal mit dem Argument entgegentreten, daß ihr Denken und Handeln gegen den authentischen Geist ihrer jeweiligen Religion verstößt, denn die Inhumanität der fundamentalistischen Organisationen ist durchaus ein adäquater Ausdruck jener Inhumanität, die wir in den jeweiligen heiligen Schriften vorfinden. Dies gilt nicht zuletzt auch für das Christentum, das sich in letzter Instanz auf das Wirken eines Fundamentalisten, Exorzisten und radikalen Ethnozentristen gründet. Aber das sei nur am Rande vermerkt. (Wir können hierüber gerne im Anschluß diskutieren.)

Ich komme zum Schluß:

Eine Beschäftigung mit dem KÜNGschen "Projekt Weltethos" ist insofern lohnend, als es zeigt, daß ein globales Ethos - wenn überhaupt - nur auf der Basis einer "säkularen, humanistischen Grundmoral" entstehen kann. Wir werden eine bessere Welt nur dann aufbauen können, wenn wir uns nicht mehr als Christen, Moslems, Hindus, Atheisten oder Juden identifizieren, sondern als gleichberechtigte Mitglieder jener affenartigen Spezies, die sich einst in einem Anflug von Überheblichkeit den Namen Homo Sapiens (der weise Mensch) gegeben hat. Anders formuliert: Wir brauchen eine Weltkultur des Zweifelns - nicht des Glaubens, eine Kultur, in der Menschen ihre falschen Ideen sterben lassen, bevor sie selbst für falsche Ideen sterben müssen.

Lernen wir doch aus der Geschichte: Wer seine Hoffnungen auf die "Wunderwaffe" Religion setzt, wird über kurz oder lang in einer Welt leben, die von einer einzigen, altbekannten, nicht nur in der Zeit der Inquisition erbarmungslos angewandten Maxime bestimmt wird. Diese lautet: "Du wirst dran glauben oder: Du wirst dran glauben!"
Mit dem Prinzip der Nachhaltigkeit ist dies wohl kaum zu vereinbaren."

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