Das Exmo-Diskussionsforum

Beitrag 5 von 9
zum Thema Beiträge zum Olympia-Korruptions-Skandal
Seite erstellt am 27.4.24 um 0:20 Uhr
zur Nachrichtenliste
der Beitrag:
Verfasser: Gunar
Datum: Freitag, den 8. Februar 2002, um 15:36 Uhr
Betrifft: BZ: Traditionswert Endkampfchance

Berliner Zeitung
Freitag, 08. Februar 2002

Meinung

Traditionswert Endkampfchance

Die 19. Olympischen Winterspiele kamen durch Bestechung nach Salt Lake City

Jens Weinreich

Vor Olympischen Spielen melden sich gern jene zu Wort, die dem Spektakel vor allem kulturelle Aspekte zuschreiben. Man darf aber bei allem Gerede über Fairplay, Chancengleichheit, olympischen Frieden, Erziehungsideale nicht vergessen, dass der Wettstreit der zumeist professionellen Athleten nichts Anderes ist als eine grandios inszenierte Show - mehrheitlich finanziert aus Steuermitteln. Das sollte auch in Deutschland, wo sich fünf Städte und Regionen um die Sommerspiele 2012 bewerben, verstanden werden. Gerade weil prominente Fans, ob sie nun als Ministerpräsidenten oder Mitglieder des Bundeskabinetts tätig sind, hartnäckig die Mär verbreiten, Olympia sei ein gigantisches Geldbeschaffungsprogramm.
In Salt Lake City ist die Angst vor einem Terroranschlag überall zu spüren. Rund 310 Millionen Dollar wurden in den Schutz der Sportler und Besucher investiert. Wer sagt, Wettkampfstätten oder olympisches Dorf seien hundertprozentig vor Anschlägen gefeit, hat nichts begriffen - und nichts aus der Geschichte gelernt: Kurz vor den Sommerspielen 1996 in Atlanta tönte Organisationschef Billy Payne, Atlanta sei "der sicherste Platz auf dieser wunderbaren Welt". Wenige Tage später explodierte eine Splitterbombe mitten im Flanierzentrum Centennial Olympic Park, wo zehntausend Besucher einem Rockkonzert lauschten. Dass nur ein Mensch starb und nicht Hunderte, ist allein der Geistesgegenwart eines Hilfs-Polizisten zu verdanken, der die Bombe entdeckte und aus der Gefahrenzone brachte. Reiner Zufall. Der Beamte wurde damit belohnt, dass man ihn als Bombenleger verdächtigte. Der wahre Attentäter dagegen ist bis heute nicht gefasst. Als gesichert gilt nur: Es war ein Amerikaner, kein Araber.

Es ist ein Wunder, dass diese Winterspiele überhaupt stattfinden können. Nicht nur wegen der Anschläge vom 11. September. Es waren die Olympiabewerber aus Salt Lake City, die vor Jahren die schwerste olympische Krise der Neuzeit ausgelöst hatten. In Salt Lake City sei "das Böse ans Tageslicht gekommen", erklärte IOC-Präsident Jacques Rogge noch in dieser Woche.

Einige Millionen Dollar hatten die Mormonen bis 1995 allein für unerlaubte Geschenke, Urlaubsreisen, Stipendien, Studienplätze, Schönheitsoperationen, Immobiliengeschäfte, Green Cards, Provisionen und Kunstgegenstände investiert. Damit erkauften sie die Stimmen der IOC-Mitglieder. Drei Jahre nach der Abstimmung wurden Details über den verlogenen Bewerbungsfeldzug öffentlich. "Diese Krise hat das IOC beinahe zerstört", sagt Rogge. Nicht nur das IOC, beinahe auch die Olympischen Spiele, die das IOC als sein Eigentum betrachtet und verwaltet.

In Salt Lake City steht die zu großen Teilen aus Bundeswehr-Zeitsoldaten rekrutierte deutsche Mannschaft bereit, in so feinsinnigen Übungen wie Biathlon (Laufen und Schießen), Rodeln oder Skeleton (bäuchlings eine Eisrinne hinuntersausen) gewaltig zu reüssieren und den ersten Platz in der Nationenwertung zu verteidigen. Die Schreibtisch-Strategen im Bundesinnenministerium und im Deutschen Sportbund haben die Bleistifte gespitzt. Taschenrechner liegen bereit, weil sich anhand der Anzahl der Medaillen und Platzierungen die Höhe der künftigen Sportfördermittel bemisst.

Schon bei der Qualifikation der Olympioniken hatten die "Controller" das Wort. Nur wer sich unter den besten Acht seiner Disziplin platzierte, durfte nach Salt Lake City. Das erinnert sehr an die für ihr diktatorisches sportives Leistungssystem so oft gerügte DDR. Die machte - aus Kostengründen - die so genannte "Endkampfchance" zum alles entscheidenden Kriterium - nun gilt dasselbe in der Bundesrepublik. Eine solche Kontinuität nennt man dann wohl olympische Tradition.

http://www.berlinonline.de/.bin/print.php/aktuelles/berliner_zeitung/meinung/.html/115752.html

zur Nachrichtenliste
auf diesen Beitrag antworten:

nicht möglich, da es sich um einen Legacy-Beitrag handelt

zur Nachrichtenliste
das Themengebiet: zur Nachrichtenliste
die neuesten Beiträge in diesem Themengebiet: zur Nachrichtenliste
die neuesten Beiträge außerhalb dieses Themengebietes: zur Nachrichtenliste
zurück
www.mormonentum.de