Das Exmo-Diskussionsforum

Beitrag 6 von 9
zum Thema Beiträge zum Olympia-Korruptions-Skandal
Seite erstellt am 16.4.24 um 11:03 Uhr
zur Nachrichtenliste
der Beitrag:
Verfasser: Gunar
Datum: Freitag, den 8. Februar 2002, um 16:00 Uhr
Betrifft: Welt: "Salt Lake City hat die Spiele verdient"

Die Welt
05. 02. 2002

"Salt Lake City hat die Spiele verdient"

Der Bestechungsskandal: Bewerbungskomitee kaufte Stimmen. Marc Hodler sieht Chance zur Rehabilitierung
 
Salt Lake City - In drei Tagen beginnen die Winterspiele. Teil acht der elfteiligen Olympiaserie ist ein Gespräch, das WELT-Redakteur Michael Witt mit Marc Hodler führte. In Salt Lake City, jener Stadt, die für ihre Wahl Stimmen gekauft hat, absolviert der 83-jährige Jurist aus Bern seine letzte Mission für das Internationale Olympische Komitee (IOC). Der Chef der Koordinierungskommission setzte sich für eine Säuberung des IOC ein und beklagte öffentlich Missstände.

DIE WELT: Gefahr durch Anschläge, Bestechung bei der Vergabe - freuen Sie sich auf die Spiele oder sind Sie froh, wenn es vorbei ist?

Marc Hodler: Nein, ich freue mich. Ich glaube immer noch, dass Salt Lake City einer der geeignetsten Orte für die Ausrichtung Olympischer Spiele ist.

DIE WELT: Das Organisationskomitee trägt eine große Bürde, weil es beweisen muss, dass Salt Lake City die Spiele zwar durch Korruption bekommen, aber dennoch verdient hat.

Hodler: Salt Lake City wird beweisen, dass es die Rolle als Gastgeber der Spiele in jeder Beziehung verdient hat.

DIE WELT: Sie waren 1998 derjenige, der Bestechung bei der Vergabe eingeräumt und beklagt hat. Mussten Sie danach lange mit negativen Reaktionen leben?

Hodler: Nein, denn es ging mir um das Verhalten einer Minderheit von Personen, die davon ausgingen, dass wenn der große Kuchen verteilt wird, sie sich auch eine Scheibe abschneiden können.

DIE WELT: Auch in Salt Lake City gab es keine Anfeindungen?

Hodler: In den USA auch nicht, nein. Sie werden aber verstehen, dass ich als Jurist nicht berechtigt bin, mich zu Vorfällen zu äußern, welche zur Zeit noch Gegenstand eines Justizverfahrens sind. Das Verfahren richtet sich gegen zwei Hauptverantwortliche, welche dem Druck zu Gunsten des Erfolgs der Bewerbung von Salt Lake City erlegen sind. Der zuständige Richter hat zwar vor einigen Wochen die Einstellung des Verfahrens beschlossen, jedoch ist durch die zuständige Staatsanwaltschaft Berufung gegen diesen Beschluss eingelegt worden.

DIE WELT: Haben Sie je bereut, Missstände angesprochen zu haben?

Hodler: Ich habe zwar die Vorfälle bedauert, nicht aber die Tatsache, dass überraschenderweise Beweismittel veröffentlicht worden sind, welche Vermutungen über Unregelmäßigkeiten bestätigen. Ich möchte aber mit Nachdruck betonen, dass es weder auf der Geberseite noch auf der Nehmerseite um gesetzwidriges Verhalten geht. Insbesondere ist auch der strafrechtliche Tatbestand der Bestechung nie erfüllt gewesen. Die modernen Strafgesetze beschränken die Bestechung, sowohl aktiv wie passiv auf geldwerte Leistungen als Entgelt für Dienst- und Amtspflichtverletzungen. Im Fall von Salt Lake sind höchstens ethische Grundsätze und eidlich übernommene reglementarische Verpflichtungen einzelner IOC-Mitglieder verletzt worden.

DIE WELT: Dennoch braucht eine Organisation wie das IOC neben der juristischen eine moralische Unangreifbarkeit.

Hodler: Ja, das ist richtig. Im Sinne von mildernden Umständen darf aber nicht außer Acht gelassen werden, auf welche Ursprünge die zu beanstandenden Praktiken zurückzuführen sind. Am Anfang ging es um Beiträge an Reise- und Aufenthaltkosten, insbesondere im Zusammenhang mit Kandidaturen aus abgelegenen Kontinenten wie vor allem Brisbane in Australien. Damals gingen sämtliche Reise- und Aufenthaltskosten der Olympischen Mannschaften noch zu Lasten der NOKs. Kleinere NOKs, insbesondere aus Entwicklungsländern, verlangten von den Kandidaten, gegebenenfalls an solchen Kosten Beiträge zu leisten. In der Folge hat das IOC beschlossen, für kleine Delegationen von vier bis sechs Athleten selbst die Reisekosten zu übernehmen. Einige Jahre später trat ein weiterer Beschluss in Kraft, nämlich die Verpflichtung der Gastgeber, für sämtliche Athleten die Kosten für Unterkunft und Verpflegung im Olympischen Dorf zu übernehmen. Leider wurden hierauf ähnliche Beiträge von einzelnen Beteiligten unter den verschiedensten Vorwänden weiter verlangt - in der Regel als Beiträge an den Kosten der Vorbereitung der Athleten - wobei solche Beiträge in einzelnen Fällen auch in private Taschen flossen.

DIE WELT: Was hat sich seit den Enthüllungen geändert?

Hodler: Einige Mitglieder des IOC sind entweder freiwillig oder durch Beschluss der Mitgliederversammlung ausgeschieden.

DIE WELT: Wurden also alle Betrüger zur Rechenschaft gezogen?

Hodler: Ja, alle gegen die schlüssige Beweise vorlagen. Die beste Strafgesetzgebung und das beste Strafverfahren kann aber nie garantieren, dass nicht mehr gegen Rechtsvorschriften verstoßen wird.

DIE WELT: Sie haben gesagt, Ihnen wäre keine Stadt bekannt, die auf unangreifbare Weise Olympische Spiele bekommen habe. Gilt das auch für Peking 2008?

Hodler: Das habe ich nie gesagt. Das kann ich gar nicht sagen. Es gilt ein juristischer Grundsatz, dass niemand gezwungen werden kann, einen negativen Beweis zu erbringen.

DIE WELT: Bei der Wahl für Peking lief also alles sauber?

Hodler: Ich hoffe sehr, wenn ich etwas anderes wüsste, wäre ich verpflichtet, die im Anschluss an die Vorkommnisse in Salt Lake City neu geschaffene Ethische Kommission des IOC zu informieren.

DIE WELT: Wäre das IOC jetzt sauber, müsste auch die Vergabe sauber gelaufen sein.

Hodler: Das stimmt, niemand kann aber garantieren, dass menschliche Schwächen nicht mehr bestehen. Mit den Reformen 2000 sind aber Maßnahmen getroffen worden, dass trotz allfälliger menschlicher Schwächen Olympische Spiele nur an Bewerber vergeben werden, welche rechtliche, sachliche, technische und sportliche Voraussetzungen erfüllen.

DIE WELT: 2012 wird auch eine deutsche Stadt kandidieren. Was würden Sie ihr raten?

Hodler: Die Ausarbeitung eines perfekten Bewerbungsdossiers, das die besten Garantien bietet, die erfolgreichsten Spiele der Olympischen Bewegung anzubieten.

DIE WELT: Und dann wird einfach der beste Bewerber gewinnen?

Hodler: Ich hoffe es. Dies ist eine der wichtigsten Zielsetzungen der seit 2000 getroffenen oder noch zu treffenden Reformen. Mein besonderer Wunsch richtet sich an die zahlenmäßig, aber auch in Bezug auf Sachkenntnis und Interessen neu geschaffene und wichtigste Gruppe unter den IOC-Mitgliedern, die von den Athleten selbst gewählten Vertreter, die berufen sind, auf die Berücksichtigung sportlicher Kriterien zu drängen. Es dürfte für die anderen Mitglieder des IOC schwierig werden, sich über Schlussfolgerungen und Anträge der Athleten hinwegzusetzen.

DIE WELT: Das IOC hat seit einem halben Jahr einen neuen Präsidenten. Wie beurteilen Sie Jacques Rogges Arbeit bisher?

Hodler: Hervorragend. Ich bin beeindruckt, aber nicht überrascht. Ich habe jetzt unter fünf Präsidenten gedient. Er ist mit seltenem Elan an die Erfüllung seiner Aufgaben getreten. Schon als Präsident der Vereinigung der Europäischen NOKs hat er hervorragende Arbeit geleistet. Seit seiner Wahl hat er in erster Priorität einen engen, persönlichen Kontakt mit allen wichtigen Partnern der Olympischen Bewegung gesucht. Dies ist ihm in erfolgreicher Weise gelungen. Er ist auch der beste und universellste Kenner des Sportes, mit dem ich je zusammen gearbeitet habe. Sein Führungstalent wird noch viele Freunde der Olympischen Bewegung überraschen.

http://www.welt.de/daten/2002/02/05/0205spwi312265.htx?print=1

zur Nachrichtenliste
auf diesen Beitrag antworten:

nicht möglich, da es sich um einen Legacy-Beitrag handelt

zur Nachrichtenliste
das Themengebiet: zur Nachrichtenliste
die neuesten Beiträge in diesem Themengebiet: zur Nachrichtenliste
die neuesten Beiträge außerhalb dieses Themengebietes: zur Nachrichtenliste
zurück
www.mormonentum.de