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Beitrag 19 von 30
zum Thema Frage zum (Un-)Sinn zur Vergrabung des Buches von Mormon ...
Seite erstellt am 26.4.24 um 6:33 Uhr
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der Beitrag:
Verfasser: James
Datum: Montag, den 5. März 2001, um 19:54 Uhr
Betrifft: Psychopathie

Markus schrieb u.a.:

bezugnehmend auf mein Zitat:

"Es sind i.d.R. Menschen mit einem überdurchschnittlichen Intellekt, der jedoch mit einem psychopathischen Charakter verschmelzt."

>Das J.Smith sich in die Reihe charismatischer Religionsstifter des 19.Jh. stellen läßt, da stimme ich Dir zu, doch was war an ihm psychopathisch?

Frage ist natürlich, was man (ich) unter "psychopathisch " versteht. Ich verstehe und benutze es im ursprünglichen Sinne, daß Smith, wie auch viele andere "große Führer", ein Psychopath ist, ein "seelisch Leidender." Ein an Psychopathie Leidender, der also eine Abnormität des Gefühls- und Gemütslebens aufweist, die sich in Verhaltensstörungen äußert. Anders ausgedrückt, als ein Mensch, bei dem ein "klinisch bedeutsames Verhaltens- oder psychisches Syndrom bzw. Verhaltensmuster ... vorliegt (gemäß des "Diagnostic and statistical manual of mental disorders, revised" (DSM-III-R), Washington DC: American Psychiatric Association). Weiter zu definieren wäre z.B. um welche psychopathologische Auffälligkeiten es sich bei Smith oder anderen handeln würde.
Ob es sich z.B. um Neurosen, Psychosen ets. handelt, das würde den Rahmen hier sprengen.
Ich denke, William James beschreibt es hervorragend in seinem "Die Vielfalt religiöser Erfahrung", Frankfurt /M., 1997, wenn er schreibt:

" ... zeigten solche religiösen Genies häufig eine anfällige nervliche Verfassung. ... Ohne Ausnahme handelte es sich bei ihnen um Geschöpfe mit einer ausgeprägten emotionalen Sensibilität. Oft führten sie ein Leben voll innerer Zerrissenheit und litten in bestimmten Lebensphasen unter Melancholie. Sie kannten kein Maß, neigten zu Obsessionen und fixen Ideen; häufig vielen sie in Trance, hörten Stimmen, hatten Visionen und zeigten alle möglichen Eigenheiten, die man normalerweise als pathologisch klassifiziert. ... nicht selten (haben) gerade diese pathologischen Züge zu ihrer besonderen religiösen Autorität und ihrem Einfluß verholfen."

Dies heißt nicht, daß Smith "geistig krank" war. Jeder der solchen Menschen begegnet, kann durchaus feststellen, daß sie scharfsinnig und eine hohe Aufnahmefähigkeit haben, aber trotzdem, was ihre nervliche Verfassung betrifft, ausgesprochen psychopathisch sind. Wenn ich z.B. im Anschluß schreibe:

"Sie sind jedoch keine reinen Denker, Skeptiker oder Kritiker, sondern Bessesene, die koste es was es wolle, sich ihrer Umwelt aufdrängen."

dann ist hier "besessen" nicht im Sinne von "geistiger oder religiöser Besessenheit" gemeint, sondern im Sinne von "besessen von einer Idee", die wie ich ja deutlich schreibe, sie "ihrer Umwelt aufdrängen ... koste es was es wolle."

Smith erfüllt diese Kategorien vollends. Dies wird jedoch nur deutlich, wenn man z.B. Joseph Smiths Leben (mittels z.B. "History of the Church" o.ä.) zügig liest. Hier erfährt man dann viel über die Persönlichkeit Smiths, dessen Struktur. Dies fängt schon spätestens mit den traumatisierenden Ereignis seiner Beinoperation in jungen Jahren an und setzt sich fort bis zu dem Moment seiner Erschießung. Man betrachte unter diesem Blickwinkel die Motive von Smith die zu seiner "Ersten Vision" führten. Smith verliert besonders in den letzen beiden Jahren jeden Sinn für die Realität und bringt die Mitglieder fast an den Rand der totalen Vernichtung ... "koste es was es wolle." Sehe es genau wie Mormone Gary James Bergera, der schreibt:

"Vielleicht ist der einzige Nutzen der aus Josephs Tod zu gewinnen ist, das möglichweise seiner Nachfolgschaft nicht das gleiche Schicksal hat erleiden müssen."

Es ist dieser zerissene und einsame Smith der sagt: "Wollte Gott, Brüder, daß ich euch sagen könnte wer ich bin. Wollte Gott, daß ich euch sagen könnte was ich weiß!" Ebenso sein "Ihr kennt mich nicht, habt nie mein Herz gekannt. Kein Mensch kennt meine Geschichte."Seine eigene Hochstilisierung: "Es ist mir schon immer zugefallen, meinen Zuhörern verborgene Geheimnisse - Neues, Unbekanntes - aufzudecken."

Dies ist der gleiche Mann der nachweislich, sich zum Generalleutnant der Nauvoo Legion küren läßt, eine militärischen Rang, den selbst der ranghöchste Offizier der Truppen der Union nicht hatte (lediglich George Washington hatte diesen Rang bis dahin inne, verdientermaßen, Smith hatte keinen blassen Schimmer von militärischer Ausbildung), Smith bei jeder öffentlichen Gelegenheit in seiner Uniform auftrat, selbst bei Kirchenaiftritten; das "Generalleutnant Smith" dem "Bruder" oder "Präsident" vorzog, ja sogar darauf bestand. Selbiger Smith führte den "Rat der 50" ein, das politische Reich Gottes auf Erden, der Kern der zukünftigen Weltregierung. Als dessen Führer ließ er sich als König der Erde salben. Selbiger Smith ließ sich dann als Präsidentschaftskandidat ader USA ausrufen, wurde Bürgermeister von Nauvoo, Richter des städtischen Gerichtes, Oberkommandierender der Legion, Geschäftsführer der Kirche, oberster und einziger Immobilienmakler von Nauvoo, etc. etc. etc. Macht, Megamacht. Nicht genug damit, jegliche Kritik wurde von Smith erbittert bekämpft, selbst Kirchengerichtsbarkeit (offenbarte laut LuB) außer Kraft gesetzt um "Abtrünnige" Mundtot zu machen inkl. seiner Unfähigkeit, eine klare Regelung zu treffen für den Fall seines Ablebens. Den Gipfel seines psychopathischen Leidens wird deutlich in der Lehre "celestialen Ehe" (anders wie heutem damals klar als Vielehe definiert, gelehrt und gelebt. Smith unterzog den Aposteln den abrahamitischen Test, daß er ihre Frauen für sich beanspruchte. Dies gelang ihm anfänglich, erst als Orson Pratt sich wehrte, änderte Smith sein Vorgehen und wollte die Töchter an sich gesiegelt sehen. Auch dies gelang bis sich Sidney Rigdon wehrte. In seiner Psychopathie hatte Smith längst den Sinn für die Realität dafür verloren, in welche Katastrophe er die Mitglieder der Kirche führte. Smith lebte und lehrte die Vielehe bereits seit fast zwei Jahren, "testete" einen Führer nach dem anderen, insbesondere die Frauen, ein Vielzahl davon Minderjährige. Als Gerüchte aufkamen verleugnete er die Tatsache dieser Lehre öffentlich, log schlichtweg offensichtlich ohne Probleme (Lügen für den Herren ... deutliches Indiz der Psychopathie). Interessanterweise, was jedoch nicht überrascht im Lichte einer Störung, ist die Tatsache, daß die beiden Menschen, die Smith am nahsten standen, Emma und sein Bruder Hyrum, von seinen geheimen Aktivitäten nichts wußten, anders, Smith sie nicht "eingeweiht" hatte. Angst. Angst vor Abweisung? Selbst in Angesicht des späteren Ertapptseins, als die Tatsachen selbst sich Emma aufdrängte, sie nicht mehr blind verdängen konnte und es Zoff bei Smiths gab, verkündete Smith LuB 132, die Vieleheoffenbarung inkl. Drohung der Vernichtung an Emma Smith, sofern sie nicht "gehorsam" wäre. Welche Wahl hatte sie. Emma, naiv (?) genug (besser, zu welchen Preis sind Frauen immer wieder bereit, sich von ihrem Mann verarschen zu lassen?) willigt ein und erlaubt Smith zwei polygame Ehefrauen zu nehmen. Ist beim Ritual der Siegelung dabei ... was sie nicht weiß ist, daß diese schon längst an ihr Männeken gesiegelt waren, selbst hier Smith ein Lügenmärchen auftischte, besser, lebte. Verlustangst?

Selbst im Angesicht seines Tode, entgegen allen Märtyrerlegenden, versucht Smith noch in seinen letzten Stunde die Nauvoo Legion in den Kampf zu befehligen. Es wäre ein einzigartiges Gemetzel geworden. Zum Glück hat der stellvertretende Befehlshaber den Befehl verweigert. Offensichtlich jemand ohne Psychopathie. Es wundert nicht, wenn Emma diesen Megalomanen als "größer als Napoleon" bezeichnete. Zwangsläufig, denn Nappy war auch so ein Leidender, auch dieser krönte sich selbst als Kaiser und machte sich daran die Welt eroberen. Etc. etc. etc.

>Und ihn mit Hitler auf eine Stufe zu stellen, ist wohl auch etwas übertrieben, auch wenn sich bei Smith ein gewisser Antisemitismus nicht leugnen läßt.

Im Angesicht obiger Zeilen wird der Parallelität zwischen Smith und Hitler deutlich ... oder auch nicht. Ich Rede hier lediglich von der Psychopathie, die Politik etc. ist ein anderer Schuh. Interessant wäre es gewesen beide zeitlich austauschen zu können. Die Folgen wären die gleichen gewesen. Man muß sich von dem behindernden und die Sicht einschränkende Denke und Fühle befreien: Hitler = Massenmord, Smith = kein Massenmord, daher: Kann man nicht vergleichen. Sollte man auch nicht. Es geht um Grundstrukten des Führers und der Geführten ... und diese gleichen sich. Bei dem Ganzen ist auch die Rolle und die Verantwortung der Mitgliedschaft nie außer Betracht zu lassen. Es kann sich eben nicht jeder aus seiner individuellen Verantwortung befreien. Denn, ständige und positive Ewiderungen der Gefolgschaft, insbesondere der Oberen, selbst auf unberechenbare Aktionen eines Führers, tragen dazu bei, daß dieser den Sinn für die Realität zunehmend verliert, keinen "Realitäts-Check" mehr erhält. Die Folge ist die Vernichtung am Schluße. Wobei wir eine deutlich Parallele haben zwischen dem Smith der Jahre 1842-1844 und Hitler 1943-45 (siehe das Verhalten des OKW, des Stabes, der Führer hat immer Recht, wenn der Führer wüßte., im Gegensatz dazu: Der Führer der Kirche führen einen nie in die Irre etc.) etc. etc. etc.

>Dennoch Deiner Grundaussage stimme ich zu und möchte sie noch erweitern: Wenn die Mormonen heute nur einen Bruchteil der Weltoffenheit und Intelligenz Joseph Smiths hätten, wäre die HLT-Kirche um einiges erträglicher.
Interessante These. Wobei erträglicher ja nicht heißt, sie wäre damit ertäglich.;-)

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