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Verfasser: Elvira
Datum: Montag, den 22. September 2003, um 10:39 Uhr
Betrifft: Grundsätze gestern und heute


Ella, das ist eine interessante Frage. Bevor ich erzählen kann, wie sich das bei mir entwickelt hat, möchte ich darauf hinweisen, dass viele der Gebote, die Mormonen so typisch für von ihrer Kirche stammend halte, das überhaupt nicht sind. In vielen Fällen entstammen sie jüdischen Wurzeln und sind ins Christentum allgemein übernommen worden. In anderen Fällen, sind es weltweit durch alle oder viele Kulturen verbreitete ethische Prinzipien. Wenn also ein Exmormone solche Werte immer noch als gültig ansieht, dann mag das durch seine Zeit in der Kirche begründet sein, viel eher halte ich es aber für wahrscheinlich, dass er solche allgemeinen Regeln die den Umgang der Menschen untereinander regeln einfach anerkennt.
Mormonen sind in ein großes und vielfältig verknüpftes Netz von Vorschriften, Geboten, Bündnissen, Ansprüchen verwoben. Dabei ist es nicht einfach den Überblick zu verlieren, daher wohl auch die vielen Versammlungen, in denen die Ansprüche immer und immer wiederholt werden. Bemerkenswert dabei finde ich, dass jemand der sich von der Kirche entfernt immer angesehen wird, als jemand der zuerst diese Gebote nicht mehr gehalten hat, worauf sein Zeugnisverlust folgte. Dass es genau anders herum sein könnte, oder überhaupt nichts damit zu tun haben könnte, hat im Erklärungssystem der Lehre keinen Platz.
Gleichzeitig hängt das elitäre Bewusstsein von Mormonen eng mit dem Befolgen der Gebote zusammen. Man meint sich sehr von der Welt dadurch abzuheben, was bei näherer Betrachtung gar nicht der Fall ist. Weiter meint man sich in besonderer Weise vor Gott und der Welt hervor zutun, indem man diese Gebote 100%ig hält, d.h. es gibt nie Ausnahmen oder Lockerungen, weil befürchtet wird, dass damit der Sünde Tür und Tor geöffnet wird. Aus der 100%igkeit wird viel Selbstbewusstsein  geschöpft. Es ist sehr einfach eine Sache immer zu tun oder zu lassen, z.B. WdW, aber einen sinnvollen, gesunden Umgang mit alkoholischen oder coffeinhaltigen Getränken zu üben, ist eigentlich eine größere Leistung.

Meine Entwicklung weg von der Kirche hatte nichts mit den Geboten zu tun,  weil vieles davon für mich Selbstverständlich war, bevor ich mich der Kirche anschloss. Ich habe so manches dann abgelegt, als es für mich keinen Sinn mehr ergab. Wenn ich heute das ein oder andere noch so mache, wie Mormonen, dann zeigt das für mich, dass diese sogenannten Gebote, einfach eine Grundlage für einen sinnvollen und liebevollen Umgang von Menschen untereinander sind. In diesem Sinne habe ich auch positive Erfahrungen damit gemacht.
Verlassen habe ich die Kirche u.a. weil ihre ethischen Grundsätze sich nicht mehr mit meinen gedeckt haben und ich danach Möglichkeiten gesucht habe, wie ich neue ethische Grundsätze die mir wichtig geworden waren leben kann.

WdW: typisch mormonisch, aber: die meisten in jener Zeit in den USA entstandenen Sekten, haben dahin gehende Vorschriften
Lange über meine aktive Kirchenzeit hinaus habe ich mich daran gehalten, weil ich kein Bedürfnis danach hatte. Auch heute noch mache ich mir nichts aus alkohol. Getränken aber ich genieße Schwarztee und Kaffee. Aus einer Raucherfamilie stammend habe ich nichts dafür übrig und es geschafft meine Kinder auch davon zu überzeugen, dass das nur Nachteile bringt. Allerdings habe ich die Rauchversuche meines Ältesten versucht mit viel Gelassenheit zu sehen und ihm diese Erfahrung gelassen.
Das WdW enthält ja auch Vorschriften hinsichtlich einer gesunden und fleischarmen Ernährung und da bin ich weit mehr vorangeschritten, als so mancher aktiver Mormone.

Zehnter: nicht exklusiv mormonisch, jüdische Tradition, heute in vielen Freikirchen üblich
Da ich ein einem privilegierten Teil der Erde geboren bin, eine Ausbildung und ausreichend zu leben habe, halte ich es für selbstverständlich einen Teil meines Einkommens für soziale, wohltätige Zwecke bzw. für meine Gemeinde (Gebäude, Reinigung, Heizung, Feste, Veranstaltungen, Sozialarbeit ) abzugeben. Aber ich überlege mir sehr genau, wofür und überlasse das nicht einer Organisation. In der Gemeinde die ich besuche habe ich volle Kontrolle und kann über die Ausgaben mitentscheiden.

Begrenzungen in der Sexualität: nicht exklusiv mormonisch
Grundsätzlich halte ich Sexualität für etwas so Persönliches und in den meisten Fällen von der Öffentlichkeit ausgeschlossenes, dass es nur die jeweilige Person etwas angeht und daher nichts in Kirche/ Gemeinde zu suchen hat.
Bei der Sexualität ist es ähnlich wie beim, WdW. Es ist  einfacher ganz nein dazu zu sagen, als einen Weg zu finden der verantwortungsvoll ist, sich selbst, dem Partner, eventueller Kinder und der Gesundheit gegenüber. So ist es für Eltern  einfacher Jugendlichen das Ausleben ihrer Sexualität  bis zur Ehe zu verbieten (keine schwierigen, schambesetzen Gespräche, keine Aufklärung über Verhütungsmittel, keine Ãœbernachtungen, die Abgabe von Schuld an den Jugendlichen, falls er nicht mit dem Verbot zurecht kommt ), als ihnen einen verantwortungsvollen Umgang damit beizubringen.
Das Verbot ihre Sexualität auszuleben für unverheiratete Paare, Homosexuelle oder Singels, ist etwas was ich heute nicht mehr nachvollziehen kann und wozu mir keinerlei vernünftigen Gründe einfallen.
Treue in einer Partnerschaft, ganz egal, ob das Paar nun verheiratet ist, oder nicht, ob es eine hetero- oder homosexuelle Beziehung ist, ist eine Selbstverständlichkeit für Menschen die sich lieben und im Gegensatz zum vorher angesprochenen Punkt hat es entsprechende Auswirkungen.
Ich bezweifle inzwischen, dass es notwendig ist, dies zu kontrollieren. Es erscheint mir unsinning, Menschen durch Versprechen und Bündnisse, wie sie zu diesem Punkt im Tempel geleistet werden, also durch Angst, vor Verlust der ewigen Seligkeit / Cel. Herrlichkeit, zur Treue zu zwingen. Treue sollte ein freiwilliger und bewusster  Akt sein und nicht das Ergebnis von Zwang durch Dritte.

Ehrlichkeit: nicht exklusiv mormonisch
Das haben mir meine Eltern beigebracht und es ist die Grundlage für gute mitmenschliche Beziehungen. Natürlich kann man jetzt hier erst mal noch eine Grundsatzdiskussion darüber führen, was Ehrlichkeit ist.

Berufungen: Laienmitarbeit in der Gemeinde ist heute auch in den Großkirchen üblich und nichts exklusiv mormonisches mehr.
Heute betrachte ich das als Berufung, was ich im Umgang mit meinen Mitmenschen gut kann und da bringe ich mich ein. In der Gemeinde ist das für mich Arbeit für Frauen, die Ökumene und Veranstaltungen zu Frieden und Gerechtigkeit. Im Gegensatz zu den Berufungen die ich als Mormonin hatte hatte, fühle ich mich dabei heute 100% wohl, habe Lust und Freude daran.

Tempelbündnisse: exklusiv mormonisch
Damit dass ich rausfand, dass die Tempelrituale nur von Menschen erdachte Rituale sind und ich keineswegs mit Gott Bündnisse geschlossen hatte, oder ihm Versprechen gegeben habe, sah ich mich nicht mehr an sie gebunden.

Genealogie: typisch mormonisch
Für mich mit einem, ewig schlechten Gewissen verbunden, weil es da ein missing link gab und ich einfach nicht weiter kam. Was war ich froh, als ich nicht mehr für die Erlösung meiner Vorfahren verantwortlich war und das Gott überlassen konnte.

Garment: exklusiv mormonisch
Das Garment habe ich noch eine Weile getragen, als ich mich längst nicht mehr an die Tempelbündnisse gebunden fühlte, mir dann aber mit Bedacht normale Unterwäsche gekauft.

Schriftstudium: nicht exklusiv mormonisch,
Mache ich heute noch, aber nicht täglich, schon gar nicht früh morgens und mit ganz anderem Ziel.

Versammlungsbesuch: nicht exklusiv mormonisch
Für mich ist eine Gemeinde und Gottesdienste, sowie andere Zusammenkünften mit diesen Menschen sehr wichtig. Ich habe sie alle sehr gern, genieße die Gottesdienste, aber sie sind in nichts mit einer mormonischen Abendmahlsversammlung vergleichbar. Es gibt aber auch eine Reihe von Veranstaltungen in meiner Gemeinde die ich nicht besuche, weil ich keine Zeit, Lust oder Interesse daran habe. Aber ich schätze es, dass wir ein so vielfältiges Angebot haben, wo jeder dahin gehen kann, wo seine Bedürfnisse gestillt werden.

Familienheimabend: typisch mormonisch
Haben wir eine Weile mit den Kindern gemacht, inzwischen schätzen wir andere Formen der Gemeinsamkeit mehr.

Besuchslehren: nicht typisch mormonisch, in allen christlichen Kirchen die ich kenne, gibt es Besuchsdienste durch Laien
Alte Menschen habe ich schon immer gern gehabt und deshalb mag ich den Besuchsdienst im Pflegeheim sehr gern.

Sabbatheiligung: nicht exklusiv mormonisch
Nach Möglichkeit vermeide ich es, an Sonntagen zu arbeiten (Haushalt, arbeitsintensive Menues, Beruf ) und genieße es den Tag für mich persönlich zu verwenden, zum ausspannen, um mich meinen Kindern zu widmen, Besuch zu haben, oder Besuche zu machen. Dabei gibt es keine Beschränkungen in den Tätigkeiten, wie ich es von meiner  Mormonenzeit her kenne.

Ein-Jahres-Vorrat: typisch mormonisch
Nein ich habe nur einen unter normalen Wohnbedingungen lagerbaren Vorrat an Lebensmitteln und Hygieneartikeln im Haus.

*Grübel* hab ich was vergessen?

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