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zum Thema Krankenschwester Betty
Seite erstellt am 26.4.24 um 8:55 Uhr
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der Beitrag:
Verfasser: James
Datum: Mittwoch, den 18. Juli 2001, um 6:34 Uhr
Betrifft: Krankenschwester Betty

Empfehlung. Vor einiger Zeit wurde im Forum von Mormonen Neil LaBute und dessen in Deutschland gerade angelaufenen Theaterstück "Bash" berichtet.

Siehe dazu unter:

1) Gunar, Dienstag, den 8. Mai 2001, um 0:37 Uhr, Betrifft: Fiktion hält den
Spiegel der Wahrheit gnadenlos vor Augen

2) Gunar, Donnerstag, den 10. Mai 2001, um 12:13 Uhr , Betrifft: Im
freundlichen Feuer

3) James, Mittwoch, den 9. Mai 2001, um 20:21 Uhr, Betrifft: Wie lange noch?

Zur Erinnerung: Das Stück (u.a. in Hamburg, inszeniert von Peter Zadek) "Bash" ist von Neil LaBute, "amerikanischer Filmregisseur und Drehbuchschreiber, außerdem Mormone: Die jungen Leute in seinen Stücken sind auch Mormonen, Mormonen und Mörder, beides erfährt man eher nebenbei. Vor allem sind sie oberflächlich, brutal, ichbezogen, ohne eigene Haltung und Moral. Verloren, allein gelassen irgendwo im luftleeren Raum, zwischen Safeway und Bibel, plappern sie nach, was sie so mitkriegen von der kriegerischen Businesswelt, vom Fernsehen, von der Gemeinde."

Alleine Ben Becker als einen der Akteure zu erleben muß ein Hochgenuß sein. "LaButes Drama ist sprachlicher Hardcore und nichts für schwache Nerven. In all seinen Figuren steckt das Böse wie eine Geschwulst, die plötzlich platzt. Alle haben getötet. Der Mormone (Uwe Bohm), der mit Freunden einen Homosexuellen erschlägt. Die junge Mutter (herausragend: Judith Engel), vom Lehrer geschwängert und dann sitzengelassen, eine moderne Medea, die ihrem
Sohn das Radio ins Badewasser wirft. Einen Grund für ihre Morde gibt es nicht. Ihre Welt ist kurz aus dem Lot geraten, und da werden sie schuldig, als hätten sie nie eine andere Möglichkeit gehabt. Insoweit ist LaBute moralisch, ohne zu moralisieren."

Wer schon mal einen Vorgeschmack auf LaBute kriegen will, sollte sich das Video von seiner schrägen Komödie "Nurse Betty", gerade erst in den Kinos zu sehen, besorgen. Noch besser das DVD! Wer ein solches
Abspielgerät hat. Der Film zeigt auch das "Selbstrechtfertigungssystem von so trockener Vernunft, dass es jederzeit in den Flammen des Wahnsinns aufgehen könnte" auf, welches im Theaterstück aufblitzt, das "Denken vorbei am Kurzschluss." Grandioser schwarzer Humor. Besonders die DVD ist ein Genuß, besonders der Bonus den gesamten Film erneut sehen zu können mit den gleichzeitigen Kommentaren von LaBute und den Hauptakteuren (Morgan Freeman, Greg Kinnear und insbesondere die phantastische Renée Zellweger eben als "Nurse Betty" (Krankenschwester Betty).

Und die Bezüge zum Mormonismus kommen auch bei diesem Werk von LaBute eindeutig durch. Nicht zufällig erlebt der Zuschauer Renée Zellweger als ganz liebe "Molly Mormon", der Mann als Machopatriarsch ... oops ... Patriarch ("räum mal den Dreck weg"), ohne sie als solche wirklich zu bezeichnen, sie ist einfach naiv glücklich in ihrer "Rolle." "Zufällig" wohnt das Paar genau um die Ecke vom gelobten Platz, Kansas City, der verheißene Tempelplatz der fernen Zukunft ("Siehe, ich komm schon bald, spricht der Herr), Independance, liegt gleich um die Ecke. Betty lebt in ihrer eigenen Traumwelt, diese ermöglicht ihr das "funktionieren." Betty erlebt dann ein traumatisches Erlebnis (es sei nicht zu viel verraten) und stürzt ab in eine neue Gefühls- bzw. Erlebenswelt, fern jeglicher Realität, ausgelöst durch eine heftige emotionale Reaktion (Moroni läßt grüßen). Ihre (!) Realität kann sie nur erleben, indem sie in ihrer neuerschaffenen Traumwelt agiert. Sie macht sich auf in die "neue Welt", natürlich der "Westen". Unglaublich und trotzdem amüsant zu erleben wie sie jedes Erlebnis, jedem sachlichem Argument, Konfrontation mit der Realität abtröpfeln läßt, wie den Regen an einer Regenjacke. Mehr sei nicht verraten. Ein Genuß für Cineasten! Und nachher weiß man umso besser warum manche Leute ein "System" zum funktionieren brauchen und manche nicht.

Warnung: Das Ende ist positiv, ja, es gibt Hoffnung: Ein uneingeschränktes Leben nach dem System; einige Stelle sind nix für schwache Gemüter. LaBute zeigt Gewalt mit Absicht deutlich, will Emotionen beim Zuschauer provozieren, damit für diesen die tiefe Emotionen z.B. der Figuren im Film nicht blanke Theorie bleiben, sondern, zu einem gewissen Grad, nachvollziehbar werden lassen. Zeigt deutlicher, warum Menschen ihre eigene, wirkliche Realität nicht ertragen können, und daher in eine "erträglichere" Scheinwelt flüchten.

Das am Abend noch, also am letzten Wochenende noch "Orgazmo" lief, war lediglich noch die Creme auf dem Kuchen. Köstlich!

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