Das Exmo-Diskussionsforum

Erster Beitrag von 7 Beiträgen.
Seite erstellt am 26.4.24 um 18:45 Uhr
zur Nachrichtenliste
der Beitrag:
Verfasser: Nyu
Datum: Freitag, den 23. September 2005, um 13:17 Uhr
Betrifft: Löcher in der Lehre von einem historischen Ursprung des Buches Mormon

Hier eine Zusammenfassung des derzeitigen Standes der Forschung nach meinem Kenntnisstand.

Zunächst ist es wohl wichtig, gerade in diesem Zusammenhang, sich an die wissenschaftliche Methode des Philosophen William von Ockham, England zu erinnern.
Er postulierte, daß man, um eine These zu beweisen, nicht die Anzahl der Prämissen über das notwendige Mindestmaß hinaus ausweiten solle.
Sprich: die einfachste und plausibelste Erklärung sollte immer vor anderen Modellen Vorrang haben, wenn diese logisch stimmig ist.

DNA vs. BM
Auch wenn es Hinweise auf eine LGT - Limited Geography Theory in Aussagen von Persönlichkeiten in der mormonischen Geschichte gibt, kann kein Zweifel daran bestehen, dass Kirchenführer bis zurück auf Joseph Smith und Sidney Rigdon das HM - Hemispheric Model favorisiert haben. Erste Theorie besagt, dass die Nachfahren Lehis nur in einem kleinen Bereich Amerikas gelebt haben. Letzteres Modell geht davon aus, dass die Nachfahren Lehis den gesamten amerikanischen Kontinent besiedelt haben.

In mehreren gross angelegten Tests wurde die m-DNA von über 7300 Ur-Einwohnern des amerikanischen Kontinents (von Alaska über Yucatan über den brasilianischen Urwald bis Feuerland) untersucht.
Das Ergebnis zeigte, daß ca. 99,4 % des genetischen Materials der amerikanischen Ureinwohner mongolischen Ursprungs ist und < 0,4 % des genetischen Materials west-europäischen Ursprungs ist. Auch bei der überwiegenden Zahl der Einwohner Polynesiens trifft der mongolische Ursprung zu, reduziert aber den west-europäischen Ursprung noch weiter.

Eine Gegenthese geht davon aus, dass wir nicht genau wissen, welche genetischen Merkmale die Frauen von Lehi oder Ischmael oder die weiblichen Ur-Mulekiten aufwiesen. Es sei daher kaum empirisch nachzuvollziehen, warum die Völker des amerikanischen Kontinents nicht zum Teil israelischen oder süd-west asiatischen Ursprungs sein sollten.
Antwort: Um die genetischen Merkmale aufzuweisen, die wir bei den Ureinwohnern Amerikas vorfinden, müssten Lehis und Ischmaels Frau schon aus Zentral-Ost Asien gekommen sein, was unter damaligen Vorraussetzungen (Ethnozentrismus, Reiseformen, Mischung der Kulturen ec) im höchsten Maße unwahrscheinlich ist.
Man weiss heute sehr genau, wie die genetische Prägung von Israeliten zumindest jüdischen Ursprungs aussieht, die sich auf eine (in diesem Fall) 2600 Jahre alte Tradition zurückrechnen lassen.

Sowohl die x-DNA als auch die m-DNA (Y-Chromosom Studien) lassen sich 15.000 Jahre auf dem amerikanischen Kontinent zurückverfolgen --> der selbe genetische Pool wie die heutigen amerikanischen Ureinwohner.

Ein weiterer Einwand bezieht sich auf die nachträgliche Änderung der lamanitischen DNA und Angleichung an mongolische DNA durch die Einwirkung Gottes.
--- kein Kommentar.
Warum sollte Gott so etwas tun?

Hinzufügen möchte ich noch, daß auch aus den sterblichen Überresten von Ureinwohnern des amerikanischen Kontinents, welche v.Chr. verstorben sein müssen, deren DNA untersucht wurde. Das Ergebnis war ebenfalls bislang eher unspektakulär.

Die Limited Geography Theory
besagt, daß die Völker des Buches Mormon nicht den gesamten amerikanischen Kontinent besiedelten, sondern nur einen kleinen Teil z.B. in Zentralamerika. Die These gründet sich z.B. darauf, dass Reisen zwischen bestimmten Punkten (z.B. Städten oder Ländern oder dem Fluss Sidon) in wenigen Tagesreisen zurückgelegt werden konnten, was im klassischen Hemispherischen Modell nicht möglich wäre. Diese Theorie hält dann zwei Cumorahs (Mormons Cumorah UND Moronis Cumorah) für wahrscheinlich. Auch relativiert diese Theorie das Problem mit der "Landenge", welche teilweise das Land der Lamaniten von dem Land der Nephiten trennte und auch das Land nordwärts vom dem Land südwärts. In dieser Theorie wäre damit nicht das heutige Panama gemeint - eine Landenge, die in der Tat innerhalb weniger Tagesreisen überquert werden kann - sondern die Landenge Nicaraguas.

Gegen diese Theorie spricht aber die gesamte Geschichte der Aussagen von Führern der HLT-Kirche in Bezug auf das Thema Ursprung des Buches Mormon:

z.B. Moroni selber:
"Er nannte mich beim Namen und sagte mir, er sei als Bote von der Gegenwart Gottes zu mir gesandt worden und heiße Moroni; Gott habe ein Werk für mich zu tun ... Er sagte, es sei ein auf goldenen Platten geschriebenes Buch aufbewahrt, das Bericht von früheren Einwohnern dieses Kontinents und ihrem Ursprung gebe"
Joseph Smith Lebensgeschichte bezüglich der Ereignisse vom 21.September 1823

Oder Joseph Smiths eigene Aussagen bezüglich des Lamaniten Zelph, dessen Skelett man auf der langen Reise mit dem Zionslager im Jahr 1834.
Während unserer Reise besuchten wir mehrere Hügel, die von den alten Einwohnern dieses Landes -- Nephiten, Lamaniten, etc., aufgeworfen wurden und begleitet von den Brüdern stieg ich diesen Morgen auf einen hohen Hügel in der Nähe des Flusses...... Auf dem Gipfel des Hügels waren Steine, die aussahen wie Altäre die einer auf dem anderen errichtet wurden, gemäß der alten Ordnung. Die Überreste der Knochen waren über den Boden verstreut. Die Brüder erstanden eine Schaufel und eine Hacke und während sie die Erde um etwa einen Fuß Tiefe entfernten, entdeckten sie das fast vollständig erhaltene Skelett eines Mannes, der zwischen seinen Rippen die Steinspitze eines lamanitischen Pfeiles hatte, die offensichtlich seinen Tod verursachte. Elder Burr Riggs bewahrte den Pfeil auf. Die Betrachtung der umliegenden Szenerie löste eine besondere Empfindung in unserem Inneren aus, wodurch die Visionen der Vergangenheit meinem Verstand eröffnet wurden und durch den Geist des Allmächtigen erkannte ich, dass die Person, dessen Skelett vor uns lag, ein weißer Lamanite war - ein großer untersetzter Mann und ein Mann Gottes. Sein Name war Zelph. Er war ein Krieger und ein Häuptling unter dem großen Prophet Onandagus, der vom Hügel Cumorah her bekannt war, oder, von der östlichen See bis zu den Rocky Mountains. Der Fluch [ die dunkle Hautfarbe ] wurde von Zelph genommen.... Er wurde in einer Schlacht durch den Pfeil getötet, der zwischen seinen Rippen gefunden wurde, während der letzten großen Auseinandersetzung der Lamaniten und Nephiten."

Des Weiteren gibt es noch mehr Aussagen z.B. von JS über nephitische Altäre oder in LuB usw., die eine LGT ausschliessen.

Die LGT haut nicht hin.
Das Buch Mormon selbst widerspricht dem,
- wenn es z.B. von den Knochen von Jarediten im Land nordwärts berichtet oder
- reisenden Aussiedlern, von denen man später nichts mehr gehört hatte oder
- wenn es davon spricht, dass dieser Kontinent für Gottes erwähltes Volk bestimmt sei.
Dann ist das Buch Mormon interessanterweise recht präzise in Bezug auf Dinge, die so um die Lehiten herum passieren.

Auch beziehen sich bestimmte Segnungen im Buch Mormon auf die Nachfahren der Lamaniten.
Interessanterweise könnte man ja jetzt schon den Effekt dieser Segnungen (z.B. das sich der Fluch mit der dunklen Hautfarbe nach Annahme des wiederhergestellten Evangeliums wieder aufhebt) nachprüfen. "Leider" bleiben diese Segnungen bis heute ihre Erfüllung schuldig, zumindest so, wie sie sich aus dem Buch Mormon ableiten liessen.

Letztlich bleibt noch die Frage, warum keiner der Autoren des Buches Mormon andere Völker erwähnt. Wenn Sorenson mit der LGT recht hat, dann landeten die Lehiten in Zentralamerika, wo bereits Hochkulturen seit Jahrtausenden existierten. Zur Zeit der grossen Schlacht am Hügel Cumorah war das Volk der Nephiten mindestens 1/2 Million Menschen gross. Lamaniten und Nephiten zusammen waren aber wohl eher über eine Million Menschen.

Es ist höchst unwahrscheinlich, dass Lehiten und Azteken und Majas einander nie begegneten.
Die apologetische Erklärung: Der Ethnozentrismus der Autoren des Buches Mormon, die ja israelitischer Abstammung waren.
http://www.mormonismus-online.de/index.htm?body_geographie.htm

Fazit
Letztlich gibt es ja noch weitere Ansätze: den archäologischen Ansatz, den textlichen Ansatz, den theologischen Ansatz und den kulturhistorischen Ansatz.
(oder z.B. auch, daß das Buch Mormon in manchen Teilen ungeschminkt von der Bibel abschreibt - siehe 1. Korinther 13 usw. und diese dann als Produkt nephitischer Propheten ausgibt).
Jeder dieser Ansätze birgt interessante Fragen.

Aber jeder der Ansätze mit denen ich mich bislang als Laie befasst habe lässt, vor allem unter Berücksichtigung der Methode von Ockham, eigentlich nur den Schluss zu, dass das Buch Mormon ein Produkt des 19. Jahrhunderts ist.
Vor allem, weil es in einigen nicht unwichtigen theologischen Aussagen der derzeitig propagierten Lehre der HLT-Kirche widerspricht.

Henning

zur Nachrichtenliste
auf diesen Beitrag antworten:

nicht möglich, da das maximale Themenalter erreicht wurde.

zur Nachrichtenliste
das Themengebiet: zur Nachrichtenliste
die neuesten Beiträge in diesem Themengebiet: zur Nachrichtenliste
die neuesten Beiträge außerhalb dieses Themengebietes: zur Nachrichtenliste
zurück
www.mormonentum.de