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Verfasser: Gipfelstürmer Datum: Montag, den 19. Juli 2010, um 10:49 Uhr Betrifft: Paul, der Tintenfisch
> Ich verstehe das nicht. Welche Qualifikation soll denn ein Experte/Historiker haben damit er bei dir als seriös und glaubwürdig gilt? Es gibt keinen perfekten allwissenden Experten der genau belegen kann, dass Joseph Smith ein Betrüger war. Aber man kann gewisse Schlüsse ziehen - und eben das tun Historiker.
Kennst Du Paul, den Kraken? Er ist ein Tintenfisch aus einem Sea Life Center, der die Ergebnisse von internationalen FuÃballturnieren vorhersagen kann. Bei der gerade abgelaufenen WM hat er groÃe Berühmtheit erlangt, weil er acht Spiele tippte und dabei acht Mal richtig lag. Da braucht man keinen Experten, um zu dem Schluss zu kommen, dass Paul übersinnliche Kräfte hat, oder? âSei dein eigener Experte!â, heiÃt das Motto. Man muss sich hier nicht der Auffassung eines Experten anschlieÃen, stimmtâs? Nun gut, ich sehe das anders. Ãber Paul haben sich mittlerweile viele Meeresbiologen geäuÃert (z.B. Etienne Roquain, Volker Miske, Shelagh Malham oder Vilmos Csányi). Sie haben auf Aspekte aufmerksam gemacht, auf die normale Laien z.T. gar nicht achten können, weil ihnen dazu das Fachwissen fehlt. So gibt es Tausende von Tieren, die zu mehr oder minder scherzhaften Voraussagen verwendet werden. Diejenigen, die richtige Prognosen abgeben, kommen ins Fernsehen, die anderen nicht. Hätte Paul die ersten zwei Spiele der WM falsch getippt, hätte sich niemand für ihn interessiert. Aber bei Tausenden von Tieren ist natürlich (mindestens) eins dabei, das mit seinen Vorhersagen richtig liegt. Abgesehen davon kann man die Wahl von Paul ganz leicht manipulieren. Die Versuche sind nie unter standardisierten Bedingungen durchgeführt worden. Ein FuÃballexperte hätte das Lieblingsfressen von Paul in der Box verstecken können, die jener Mannschaft zugeordnet war, deren Sieg er erwartete.
Ãhnlich geht es mir auch im Zusammenhang mit der Geschichte des Mormonismus. Ich kann mein eigener Experte sein und schlussfolgern, dass Joseph Smith ein Betrüger sein muss, weil er die Kirtland Safety Society in den Sand setzte. Die Fakten liegen klar auf der Hand. Oder ich kann einen (neutralen) Experten zu Rate ziehen, der mir sagt: âMoment mal, weiÃt Du überhaupt, dass in dieser Gegend damals allein im Mai 1837 800 Banken pleite gegangen sind? Und kennst Du überhaupt die Umstände? Auch in anderen Zusammenhängen haben mir Expertenmeinungen schon oft geholfen, historische Schilderungen besser zu verstehen. Laut vorliegender Dokumente aus der damaligen Zeit bestand die persische Armee aus ungefähr 1.700.000 Soldaten, als sie in Griechenland einfiel. Das kann jedoch gar nicht sein. Sie bestand nach neuesten Erkenntnissen bestenfalls aus 200.000 Soldaten. Wurde in den überlieferten Dokumenten also gelogen? Auf den ersten Blick scheint das so zu sein. Allerdings sind sich die heutigen Altertumsforscher darüber einig, dass derartige Zahlen damals nie im wörtlichen Sinne verwendet wurden. Die Zahl â1.700.000â bedeutete einfach nur âsehr vieleâ. Das war damals eben so. Um diese Einblicke zu erhalten, reicht es nicht aus, âsein eigener Experteâ zu sein.
Im Moment schieÃen v.a. in den USA âCenter of Mormon Studiesâ wie Pilze aus dem Boden. Bald gibt es entsprechende Einrichtungen an der Berkley University und der University of Virginia. Neutrale Fachleute in Sachen Mormonismus, die nie Mitglieder der HLT-Kirche waren, gibt es viele. Damit meine ich in erster Linie gut qualifizierte Historiker, die gelernt haben, Ereignisse im richtigen Kontext einzuordnen und bewerten. Ich habe mir einige ihrer Werke angeschaut. Interessanterweise habe ich unter diesen Experten noch niemanden gefunden, der Joseph Smith als Betrüger o.ä. bezeichnet. Diese Schlussfolgerung finde ich stets nur bei Leuten, die meinen, ohne jegliche formale historische Vorbildung âihre eigenen Expertenâ sein zu können. Das macht mich sehr stutzig.