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der Beitrag:
Verfasser: Nyu
Datum: Montag, den 23. Mai 2005, um 23:23 Uhr
Betrifft: Ersatzreligion vs. ersätzte Religion

> Deswegen sollte man sich vielleicht ganz radikal nur an den Basisdaten orientieren. Ist das Buch Mormon das, was Joseph Smith von ihm behauptet hat? Ja oder Nein. Die Folge von nein: den ganzen Mormonismus kann man vergessen. Punkt Schluss Ende.

Es scheint wohl so zu sein, dass die meisten Mormonen die Diskussion um die spirituelle Authentizität auch auf diese Frage reduzieren. Sie bejahen diese Frage. Ich verneine sie. Das schafft diese Mauern, die es so in dieser Form überall auf der Welt gibt und die die Welt zerreissen.
Wenn die Kirche es nicht schafft, sich im Dialog über diese Frage zu erheben, dann ist sie wirklich eine Sekte in jeder Definition des Wortes.

Auf die Frage, wie der Mann mit dem Todesnäheerlebnis mit all den Widersprüchen lebt, die für uns so offensichtlich sind ist einfach: er duldet keine Betrachtung dieser Widersprüche. Also sind sie für ihn nicht existent. Seine seelischen Erfahrungswelten sind für Dich und mich nicht bindend.

> Was ist ein Zeugnis wert, das einen langsam aber sicher in den Wahnsinn/ auf jeden Fall aber in Depressionen treibt, weil es einfach im Gegensatz zur Realität steht ? Glauben gegen Wissen. Gerade beim Mormonismus, der doch teilweise recht engstirnig ist - muss man da nicht immer das Gesamtpaket abnehmen? Andere Kirchen, Konfessionen, Religionen, Glaubenssysteme lassen dem einzelnen hier teilweise mehr Freiraum für eigenständiges Denken, Interpretieren

Klar tun sie das. Es ist auch sehr natürlich, dass sie dadurch ihren Reiz für genau Jene verlieren, die diesen hohen Grad an Friktion mit ihrer Umwelt suchen und die klare Dogmen und Erklärungen für sich brauchen. Wenn eine Sekte sich im Laufe von Jahrzehnten und Jahrhunderten zu einer Kirche entwickelt, ist häufig die direkte Konsequenz die Absplitterung von fundamentalistischen Gruppierungen aus dieser sich entwickelnden Kirche.
Bez. Zeugnis:
Ein Zeugnis, das einen fesselt und einen in Depressionen treibt, mag sich falsch auf ein richtiges Objekt fokussiert haben. Es mag sich aber auch ganz natürlich auf ein unpassendes Objekt fokussieren. Ich denke, dass bei dir und mir Letzteres unmittelbar vor unserer Emanzipation vom Mormonismus der Fall war - wobei meine noch längst nicht abgeschlossen ist.
Bei mir war das genau so. Ich erkannte damals, dass mich meine religiöse Sicht krank machte und dieses Erwachen führte zu einem Erkennen, dass ich auch zu einem gewissen Grad Opfer geworden war.

> Vielleicht sollten die Menschen auch langsam mal etwas selbständiger, erwachsener werden? Und selbstbewusst sagen, was mich krank macht, lehne ich ab. Punkt. Wenn es einen Gott gibt, der Sinn macht, will er mein bestes, was mich auf die Dauer irre macht, ist abzulehnen.

Ein potenzieller mitdiskutierender treugläubiger Mormone wird das genau so sehen. Er wird aber entgegnen, das etwas bei Dir nicht stimmt, weil "Das Evangelium"(c) ja "wahr" ist. Er wird Dir raten, Dich in Schriftstudium und der Umkehr zu versuchen, weil Du die Einsicht brauchst, dass Du offensichtlich die Kirche in einem falschen und ungesunden Licht betrachtet hast.
Typische Sektensicht.

> Vielleicht sollte er einfach mal Gott fragen, was der ganze Sch... soll? Warum hat Gott uns den Verstand gegeben, wenn nicht dazu, ihn auch zu benutzen? Warum zwingt Gott uns in den Wahnsinn oder dazu, gegen besseres Wissen irgendwelche Märchen zu glauben, und ist es wirklich Gott, der das von uns verlangt, oder gaukeln wir uns selbst irgend etwas vor?

Auch ich bin entsetzt von diesem zynischen Witz. Mir fehlt die Sprache, um meine Anwiderung darüber zum Ausdruck zu bringen, die ich bei der Betrachtung der Gesamtsituation empfinde. Dir wird unmissverständlich klar, was dir genommen werden wird, wenn du die Kirche verlässt. Aber eine Verbrüderung mit (einigen wenigen) Menschen, die sich all-sonntaglich einen erdachten alttestamentarischen Rachegott der vermeintlichen Gerechtigkeit herbeisehnen ist Dir im höchsten Masse unmöglich. Noch schlimmer: die Kirchenführer erwarten von Dir und mir die unkritische Loyalität zu ihrem eigenen beschränkten Weltbild. Was für eine bizarre Travestie.
Aber meine Worte treffen nicht den Kern des Problems.

Jetzt noch eine Aussage zum Grundtenor Deines Beitrags:
Du hast Recht: eine Emanzipation vom Sektendenken ist ein Finden der eigenen Vernunft und ein Vertrauen darauf.

Ich habe aber feststellen können, dass ein Abwenden von der Kirche mir viel Kummer gebracht hat. (Schock!!!)
Die Betonung liegt hier aber ganz deutlich auf "Abwenden" und nicht "Kirche".
Ein Zuwenden zu den im höchsten Masse weisen Erkenntnissen, die Du in Deinem Beitrag über Mystik beschrieben hast, entspricht dem genauen Gegenteil dieser negativen Feststellung. Es ist im höchsten Masse befreiend, den universalistischen Weg verbindlich zu gehen.
Man muss sich nicht leer und entwurzelt fühlen, wenn man sich von der Kirche abwendet, vorrausgesetzt, man hat etwas (wie ich finde) Göttliches, das man an diese Stelle setzen kann.

Ich habe den Verdacht, dass Mancher, der sich von der Mormonenkirche lossagt und nichts für ihn gleichwertiges Konstruktives findet, diese Kirche in sich nur durch ihr eigenes Negativ ersetzt.

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