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Verfasser: svenx Datum: Freitag, den 2. Juli 2010, um 13:20 Uhr Betrifft: Immer mehr tun, um die Ziele zu erreichen - nicht nur bei den HLT gängig
Hierzu nochmal meine Lieblingszitate aus Hugo Stamms Buch "Sekten". Auch wenn das von den HLT-Kirchenführern womöglich gar nicht so gewollt ist, die Mechanismen bleiben die gleichen...
Angst und Schuldgefühle als Indoktrinationsmittel "...
Wichtige Instrumente der Indoktrination sind Angst und Schuldgefühle, mit denen praktisch alle totalitären Gruppen arbeiten. Sie pflanzen ihren Anhängern auf schwer durchschaubare Weise diese lähmenden Gefühle ein. Dabei kaschieren Sekten und Kulte die DisziplinierungsmaÃnahmen als Erlösungsritual. Häufig wird die falsch verstandene Demut, die zur Selbstaufgabe führen kann, als unabdingbare Funktion der religiösen oder spirituellen Läuterung gepriesen.
Viele Gruppen mit vereinnahmender Tendenz operieren auf zwei Ebenen mit Schuldgefühlen und Ãngsten. Die wirksamere liegt im ideologischen Bereich. Die Gruppen schrauben die Anforderungen, die die Heilstheorie stellt, derart hoch, daà sie die menschlichen Möglichkeiten übersteigen. Wer nach den Erfordernissen der Ideologie und der Sekte leben will, ist zwangsläufig zum Scheitern verurteilt. Er lebt nicht nur in der ständigen Angst, die Rituale nicht in der angestrebten Perfektion auszuüben, sondern gleichzeitig das Heilsziel, also die religiöse oder mystische Erlösung, nicht erreichen zu können und für alle Zeiten verdammt zu bleiben. Dieser endlose Widerspruch löst bei vielen Gruppenmitgliedern traumatische Ãngste aus, die sie zu weiteren Sonderleistungen anstacheln. Das Streben nach dem unerreichbaren Ziel wird zum fatalen Teufelskreis. Mit Hilfe der Indoktrination vernebeln die Sekten das BewuÃtsein ihrer Anhänger und verhindern damit, daà sie dieses mystische Phantom erkennen. ..."Jede Gruppe hat ihr eigenes Indoktrinationssystem
Das Kontroll- und Abhängigkeitssystem ist derart fein gewoben, daà nicht nur die Leitfiguren oder Gründer bedingungslos als unantastbare Autorität akzeptiert werden, sondern die Anhänger sich auch gegenseitig überwachen. Somit helfen sie unbewuÃt aber wirkungsvoll mit, die Machtstrukturen zu perfektionieren und das Abhängigkeitssystem zu zementieren. ... Geborgenheit und Zuneigung werden zu Funktionen der Heilslehre und Gruppenziele und haben nichts mit Liebe an sich zu tun. In den Genuà von Zuwendung kommt nur, wer sich gruppenkonform und linientreu verhält. ... Die gegenseitige Kontrolle wird als Dienst an den anderen Gruppenanhängern und als wichtiger Akt des Kollektivs empfunden. Den Mitgliedern wird eingeredet, sie müÃten sich gegenseitig vor falschen oder schädlichen Gefühlen, Gedanken und Heilsvorstellungen bewahren und einander auf dem Weg zum mystischen oder religiösen Glück begleiten. Die Indoktrination wird somit als wohltätiger Akt im Dienst des einzelnen und der Gruppe getarnt. Die Anhänger schaufeln sich förmlich die eigene Falle. ...Sektiererischer Eifer führt in die Sucht
"... Bei den meisten totalitären Bewegungen ist die Ideologie oder Heilslehre das primäre Suchtelement. Die Heilsvorstellungen wecken Erwartungen, die auch nach jahrelangem Engagement in der Gruppe und unendlicher Wiederholung der vermeintlichen Heilsrituale nicht erfüllt werden. Die Diskrepanz zwischen den übertriebenen Hoffnungen und der Sektenrealität führt häufig in die Sucht. ... Andererseits hängt die Erleuchtung von der Gruppenidentifikation, vom Glauben an die Heilsversprechen und von der Hingabe bei den Ritualen ab: Wer am häufigsten betet, wer am längsten und intensivsten meditiert, wer sich bedingungslos dem Meister hingibt und am meisten Kurse absolviert, hat angeblich die gröÃte Chance, das Heil zu erlangen.
Doch diese Ziele sind nicht erreichbar und verstärken die Sehnsucht nach Erlösung laufend. Die Gruppenanhänger jagen einem Phantom hinterher, daà sich immer zu verflüchtigen scheint. Sie suchen die Ursache bei sich und strengen sich noch mehr an. Dabei liefern sie sich erst recht der Gruppe aus, entfremden sich weiter, verlieren das Selbstvertrauen und konzentrieren ihre Hoffnungen noch stärker auf Heilserlebnisse. Dieser Teufelskreis fördert die psychische Abhängigkeit und die Suchttendenz. Statt Erlösung und Beruhigung verursacht die Suche nach dem Heil nur Streà und Angst. ... Statt die Heilslehre als fatale Fiktion zu entlarven, verrennen sie sich erst recht in die Scheinwelt. Angetrieben von den euphorischen Heilserlebnissen bei der Initiation und verstärkt durch durch die Indoktrination, ergreifen sie die Flucht nach vorn. Die künstlich erzeugte Gruppenathmosphäre weckt in ihnen die Ãberzeugung, daà die andern Mitglieder erfolgreich auf dem Pfad zum Heil wandeln und nur sie die religiösen Ziele verfehlen. Sie steigern die Sehnsucht ins unermeÃliche und werden süchtig nach Heil und den Heilserlebnissen. Dieser Prozess löst wahrscheinlich endorphine Reaktionen im Hirn aus, wie Neurologen vermuten: Die durch die Rituale hervorgerufenen Muster erzeugen chemische Reaktionen, die Suchtprozesse auslösen."Auch die Rituale fördern Suchttendenzen
Die Rituale können jedoch auch unabhängig von der Heilserwartung ein Suchtverhalten beweirken. Sie erzeugen in der Regel ein momentanes Hochgefühl und vermitteln den Gruppenmitgliedern scheinbar eine Ahnung von Heilszielen. Diese glauben, daà sich die euphorischen Momente summieren und mit der Zeit einen anhaltenden Zustand des Glücksempfindens bewirken. Deshalb sehnen sie sich bei den Ritualen nach neuen Erkenntnissen oder Erleuchtungsvisionen, die sie in die beglückende Scheinwelt katapultieren. Die "Ausnüchterung" und die entsprechende harte Landung in der Realität wecken das Bedürfnis nach einem neuen "Kick", der sie wieder in die heile Sektenwelt entführt.Bei den Sekten, die sich auf die Bibel stützen und in ausgeprägtem MaÃe mit dem Indoktrinationsmittel von Schuld, Sühne und Vergebung arbeiten, hat sich eine eigene Form der Suchtdynamik entwickelt. Dies trifft teilweise auch auf die zeugen Jehovas und evangelikale Bewegungen zu. Die Prediger untergraben mit der andauernden Beschwörung der Sünde das Selbstwertgefühl ihrer Gläubigen. Voraussetzung für die Erlösung ist, täglich die Sünden zu bekennen und Gott um Vergebung zu bitten. Dieses selbsterniedrigende Ritual friÃt sich unheilvoll ins UnbewuÃte und bewirkt ein Grundgefühl des Ungenügens und Versagens. Ein solcher Gemütszustand richtet den Mensch mit der Zeit seelisch zu Grunde, weshalb er sich krampfhaft nach Erlösung von diesen permanenten Demütigungen sehnt. ..."
Mission fördert die Identifikation
Besonders effizient wirkt die Indoktrination beim Missionieren. Viele Gruppen binden ihre neuen Anhänger deshalb schon früh in die Werbe- und Expansionstätigkeiten ein. Wer andere Leute von einer Idee oder Heilslehre überzeugen will, muà die Denkkategorien und Ideen des Kultes übernehmen und beginnt sich nach kurzer Zeit mit dem Inhalt seiner Botschaft zu identifizieren.