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Verfasser: Nyu
Datum: Dienstag, den 20. Januar 2004, um 22:29 Uhr
Betrifft: meine Gründe, mich von der Kirche zu entfernen

bestanden keinesfalls in der Entfernung von etwas per se. Tatsächlich wollte ich mich zu etwas hin entwickeln.
Ich erkannte viele Dinge, die diese Kirche lehrt, bzw. ihre Mitglieder, die ich so nicht teilen kann.
Hierbei handelt es sich um grundlegende theologische Dinge aber auch Sachen aus der Glaubensausübung der Mitglieder in der Kirche heute. Details aus der Kirchengeschichte waren für mich nicht so bedeutend. Für mich standen einfach die Dinge des gelebten Glaubens im Vordergrund.
Früher einmal, als ich noch als Zweigpräsident über eine kleine Gemeinde in Norddeutschland diente, hatte ich einen Traum, der mir verdeutlichte, dass 1. die Mitglieder dort sich in spiritueller Dämmerung befanden und 2. ein Teufel (in meinem Traum als Drache dargestellt) in ihrer Mitte ihr Unwesen trieb, der nur mit der Macht Christi ausgetrieben werden konnte.

Ich meine, dass sich das aber auch auf die Kirche insgesamt bezieht. Es herrscht vielerorts spirituelle Dämmerung oder Finsternis, da die Spiritualität der Mitglieder sich aus weltlichen Dingen, der Kirche selbst, der Lehren der Menschen sowie der Bürokratie und Technokratie der Kirche ergibt. Die Lebendigkeit des Glaubens findest Du wirklich nur in einigen Wenigen. Die Fähigkeit und Bereitschaft, Gott selbst durch Christus anzubeten und ihn den Herrn zu nennen und es auch zu meinen, war kaum vorhanden. Wohin ich auch sah, waren die Mitglieder mehr mit ihren eigenen Problemen beschäftig als damit, dem Herrn zu dienen und ihn anzubeten.
Davon ausgehend kam und kommt es in der Kirche schon seit ihrer Gründungszeit zu vielen Missverständnissen über Gott und Christus und die Glaubenspraxis, die die Lebendigkeit des Glaubens vermissen lässt. Keinesfalls ist das in allen Mitgliedern so, nur in den meisten.
Ich finde, dass es tatsächlich die Wahrheit überall im Christentum gibt und das sie auch zu finden ist. Ich meine, dass all die verschiedenen christlichen und selbst nichtchristlichen Kirchen zum Haushalt Gottes gehören (können). Die einen mehr und die anderen weniger. Man sollte hier auch nicht die Kirchen durch ihre verschiedenen Lehren unterscheiden und irgendwie polarisieren, sondern eher die Gemeinden betrachten, in denen entweder mehr oder weniger Licht und Wahrheit zu finden sind. Dort, wo sich Menschen Gott weihen und nicht einer Kirche, dort findest Du wunderbare Dinge vor. Dort geschehen gerade heute noch Wunder.
Mit der Mormonenkirche, den Mitgliedern und Gott verhält es sich meines Erachtens wie mit einem Gespräch zwischen zwei Menschen, die sich unterhalten wollen. Plötzlich setzt sich ein grosser übergewichtiger Mann dazwischen und versperrt den Blick auf den Gesprächspartner, bietet aber frech an, alles, was der eine sagt, weiterzugeben an den anderen und zurück. Wie viel besser wäre es doch, wenn der dicke Mann sich einfach nur daneben stellen würde, um die Sicht nicht zu versperren und sich helfend und vermittelnd anbietet, wenn die beiden Gesprächspartner sich nicht verstehen? Da wäre doch viel gewonnen und der Eindruck verstärkt und nicht vermindert.
Meine Erkenntnisse fussen auf aufrichtiger Beobachtung und Kenntnisnahme und Abwägung der sich mir darstellenden Fakten mit dem Herzen und mit dem Verstand. Bezogen auf das Thema Religion bin ich so sehr ein Herzensmensch wie ein Verstandesmensch.
Kurz um: letztlich war es nicht mehr zu ertragen, den Glauben der Mormonen zu leben oder diesem nachzufolgen.
Es gibt viele theologische Konzepte, Lehren, Praktiken, die ich für richtig halte und die mir mehr Erhellung bringen, die ich eher in der mormonischen Kirche finde. Aber die Aufrichtigkeit des Glaubens finde ich nicht in dieser Kirche. Dort gibt es viel zu viele Lügen, Unaufrichtigkeit, Verwirrung, falsche Vorstellungen, mangelnden Glauben, Institutionenfixiertheit, Beamtentum, Zaghaftigkeit, ideologische Scheuklappen und falsche Naivität sowie blinden Gehorsam, als dass es mir möglich wäre, den Mormonen zu glauben, dass sie wirklich die Kirche des Herrn sind.
Daher bin ich versucht, diese Kirche die "Mormonenkirche" zu nennen oder die "Brighamitenkirche".
Jemand mag sich fragen, ob ich denn selber auch diesem hohen Anspruch gerecht werden kann, den ich an die Mormonenkirche stelle. Bin ich denn weniger institutionenfixiert und verbeamtet und mangelnden Glaubens als "die Mormonen"?
Das weiss ich nicht.
Ich habe aber offensichtlich nicht genug von diesen Eigenschaften abbekommen, so dass mich diese Tugendhaftigkeit, die sich daraus ergibt, immernoch dazu befähigt, Freude am aufrichtigen Gottesdienst des Einzelnen zu empfinden. Ich erfreue mich daran, wenn einfache Menschen das Gefühl haben können, vorbehaltlos von Gott angenommen zu werden. Ich finde es wunderbar, wenn Menschen, gleich welcher Religion, Gott empfinden oder sogar spüren oder sehen können und wunderbare Dinge erleben können, ohne das man den Eindruck hätte, das Gott sich um die Religion des Einzelnen scheren würde.
Tatsächlich meine ich, dass Gott in anderen Gemeinden grössere Wunder bewirken kann als in der sogenannten "einzig-wahren Kirche Jesu Christi". Dort werden Kranke von Frauen und Männern geheilt. Dort erhalten die Jugendleiter Visionen und geben die Gemeindeältesten Offenbarungen oder sprechen, durch den Geist getrieben, wundersame Dinge aus. Dort können Menschen in den Versammlungen den Geist so sehr spüren, dass sie die Himmel offen sehen können wie Stephanus. Man hat also keinesfalls den Eindruck, als würde sich diese heutige Zeit in irgendeiner Art und Weise von der Zeit der Apostelgeschichte unterscheiden. Ein anderer Eindruck entsteht doch in der Mormenkirche.

Sicher, teilweise mag man mit den Lehren dieser Gemeinden nicht übereinstimmen. Aber wie nachrangig ist das doch, wenn man sieht, dass diese Menschen einfach glühen, weil sie ihre eigenen Erfahrungen mit Gott machen konnten und den Herrn von ganzem Herzen lieben.
Der Glaube an Gott und die Religion kann so einfach sein. Man braucht keine widersinnigen Speisevorschriften und muss den armen Mitgliedern auch nicht unter Androhung kirchlicher Räson den Zehnten abknöpfen. Auch muss man den Menschen nicht die Hoffnung auf einen bedingungslos (!) liebenden Gott nehmen und jene als "Nehorer" beschimpfen, die an diesem Glauben, an dieser Hoffnung, festhalten wollen.
Wahrheit, davon bin ich überzeugt, ist immer dann, wenn die Würde und die Gewissensfreiheit des Einzelnen befördert wird.
Dort, wo auf den Menschen um einer Religion willen Nötigung ausgeübt wird, egal wie subtil, "ist es mit der Vollmacht und dem Priestertum des Einzelnen zuende" (sinngemäss nach LuB 121).
Ich bin von der Kirche weggegangen, weil hier die Kirche zu einem Selbstzweck geworden ist, die schon lange nicht mehr den Herrn sucht.

Liebe Grüsse,
Henning

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