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der Beitrag:
Verfasser: Renate
Datum: Samstag, den 13. September 2003, um 20:34 Uhr
Betrifft: Beitrag aus der Kleiderkammer;-)

>Ich, im Gegensatz zu Dir, befinde mich in einer Halle von der man sagt, sie hätte tausend Türen, und sehe keine Einzige ausser der aus der ich gerade gekommen bin.

Ich finde dieses Bild völlig normal. So ist das Leben oder besser ausgedrückt, es ist genau das, was das Leben ausmacht. Es gibt tausende Möglichkeiten, es zu leben und jedem steht es frei zu experimentieren.

Wenn man gerade aus einer autoritären Sekte kommt, dann ist man natürlich verunsichert und geblendet von den vielen Möglichkeiten, die sich einem plötzlich eröffnen. Denn man ist gewohnt zu gehorchen, Befehle abzuwarten, man will keine eigenen Entscheidungen treffen und wartet also immer auf die nächste Anweisung und wird unruhig, wenn die nicht mehr kommt, fühlt sich dadurch unsicher und allein gelassen, ja überfordert. Teilweise ist es sogar ein Schock, denn man hat mit all diesen Möglichkeiten, die einem plötzlich offen stehen, nicht gerechnet.

Aber das Schwierigste ist, dass niemand da ist, der einem sagt welche Tür man als nächstes öffnen soll. Das muss - oder besser darf - man ganz allein entscheiden. Das Faszinierende daran ist, dass man nichts falsch machen kann, im Sinne von "dafür später von einer höheren Macht bestraft zu werden" Allerdings hat alles was man tut, was man entscheidet, Auswirkungen auf das zukünftige Leben und vielleicht auch darüber hinaus, und so bestraft oder belohnt man sich sozusagen selbst. Das ist alles. Also ist Überlegung und Vorsicht geboten.

Und genau darum geht es. Um die freie Entscheidung, um das Abwägen, um die Konsequenzen, die sich aus einer Entscheidung ergeben. Um dieses "immer wieder nach neuen Wegen suchen", Um die Möglichkeit das Steuer des Lebens selbst in die Hand zu nehmen. Klar, unsere Entscheidungen haben Auswirkungen, aber wir haben die Möglichkeit diese Auswirkungen zumindest theoretisch vorauszusehen und dann unsere Entscheidung zu treffen ob wir diesen Weg gehen wollen oder lieber doch nicht. In der Praxis ist es dann so, dass uns oft viel mehr Möglichkeiten bleiben Einiges wieder zu korrigieren ohne das es Konsequenzen hätte, die uns schaden. Aber manchmal ist es auch so, dass uns diese Möglichkeit verwehrt bleibt. Das liegt zum größten Teil an den Menschen, die wir in diese Entscheidungen mit hineingezogen haben, an ihrem Verständnis, an der Art wie sie uns sehen und uns verstehen, wie wir ihnen begegnen und uns ihnen verständlich machen, und wie sie deshalb unseren Kursänderungen folgen können.

Es ist aber auch völlig normal und keine verlorene Zeit, wenn wir uns längere Zeit in dieser "Halle" aufhalten, beobachten, uns mit Menschen austauschen, ab und zu vorsichtig eine Tür öffnen und kurz unsere Nase in den dahinter befindlichen Raum stecken, aber uns nicht entscheiden können, einen dieser Räume ganz zu betreten, sondern lieber erst so viel wie möglich über die Möglichkeiten, die sich uns bieten, erfahren wollen.

Eines ist sicher: Im Gegensatz zu der Sekte, aus der wir gekommen sind, hat jeder dieser Räume eine Tür, die sich wieder öffnen lässt um zurück in die Halle zu kommen, sofern wir nicht einer neuen Sekte zum Opfer fallen. Denn bei Sekten gibt es nur Türen mit "no return". Da muss man Gewalt anwenden und kämpfen um ihnen zu entkommen. Doch für alle anderen Türen gilt: Wer "A" sagt muss nicht unbedingt auch "B" sagen. Es gibt immer die Möglichkeit eine neue Türe zu öffnen und den alten Raum zu verlassen. Manche sind übervorsichtig und überlegen lange, manche können sich nie so recht entscheiden, manche sind Draufgänger und wollen so viel wie möglich erleben, stürzen sich deshalb förmlich ins Leben. Man muss natürlich auch die Verantwortung, die man trägt abwägen. Aber egal, wie man sein Leben lebt, letzendlich ist entscheidend, wie viel man daraus gelernt hat und ob man es nach Möglichkeit vermieden hat, anderen Schmerzen (jeder Art) zuzufügen. Denn den Nächsten zu lieben wie sich selbst, bedeutet nun mal ihn genau so zu respektieren, wie sich selbst, ihm nichts zuzufügen, was man selbst nicht zugefügt bekommen möchte. Für mich ist das der Sinn des Lebens und das Lernen. Also, ist der Weg das Ziel. Das ist meine Erkenntnis und meine jahrelange Erfahrung.

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