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der Beitrag:
Verfasser: ---007---Abc
Datum: Donnerstag, den 10. Juli 2003, um 12:50 Uhr
Betrifft: Von Namen und Flaggen

Lieber Gunar,

natürlich sehe ich in Tempotaschentüchern kein Konfliktpotential, es sei denn es gäbe irgendwelche nicht deklarierten Inhaltsstoffe, deren gesundheitliche Auswirkungen in der medizinischen Fachwelt umstritten wären.

Die Verwendung des Begriffs Mormonen finde ich vom Ansatz gar nicht so kompliziert: Für die Anfänge dieser Religion und den zugehörigen Siedlungsgemeinschaften im Osten der USA bis zum Schisma nach dem Tod des Propheten Joseph Smith, ist doch klar erkennbar, dass der Name Mormone nicht nur als „nickname“, sondern auch als eindeutige Bezeichnung (Marke) für die Glaubenslehren, das Sozialgebilde der Anhänger und die Kultur gelten kann. Nach der Gründung der reorganisierten Version der Kirche war die Namensabgrenzung ja durch die Hinzufügung „Reorganisierte“ zunächst ausreichend und Namensnutzungsrechte für den Begriff „Mormonen“, wie sie uns heute beschäftigen, waren damals nicht relevant und wurden deshalb auch nicht geklärt. Offenbar wurde doch zumindest das Copyright für das Buch Mormon geklärt, welches offensichtlich schon länger den „Latter-Day-Saints“ gehört (wann und wie das zustande kam, weiß ich leider nicht). Insofern wäre interessant zu klären, wer die Rechtsnachfolge der von Joseph Smith geführten Kirche für sich beanspruchen kann. Die von Brigham Young geführte Kirche kann sich im kirchenrechtlichen Sinne wohl auf Lehre und Bündnisse 107:23-32 berufen, um dies zu belegen. Wie das im staatsrechtlichen Sinne mit den damals geltenden Gesetzen in den USA aussieht, wäre noch zu klären. Die Rechtsnachfolge nach Brigham Young bis Gordon B. Hinckley ist aber wohl nachweisbar. Wenn kirchen- und vielleicht auch staatsrechtlich die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage heute der legitimierte Nachfolger der anfängliche Kirche, die unter Joseph Smith geführt wurde und für die die Verwendung des Namens Mormonen im damaligen Sprachgebrauch gleichbedeutend für die Organisation war (also Marke), dann ist die Beanspruchung eines Namensnutzungsrechtes durch den Rechtsnachfolger zumindest moralisch verständlich.

Aber letztlich geht es nicht um die Frage des Rechts auf Namensnutzung, sondern um das Recht auf Schutz vor Namensmißbrauch, und ich will das an einem anderen Beispiel darlegen, da Du diesbezüglich nicht auf mein „Tempo-Beispiel“ eingegangen bist:

Nehmen wir an dass eine Gruppe ehemaliger Juden, die zum Christentum konvertiert sind, eine Internetseite www.juden.de ins Leben rufen und damit auch diese Domain für sich in Anspruch nehmen. Nehmen wir an, auf dieser Seite versuchten sie kulturelle und religiöse Grundlagen des Judentums in Frage zu stellen, bis hin zur Durchleuchtung der Methoden des Mossads und zur Bezeichnung der Juden als Christusmörder. Wer sollte denn jetzt das Recht haben, diesem offensichtlich irreführenden Missbrauch des Namens einzuklagen: der Zentralrat der Juden in Deutschland, der israelische Staat, zionistische Organisationen, buchstäbliche Nachkommen des Stammes Juda ?…Dies würde schwierig werden, denn wir alle wissen, dass Juden zunächst die Angehörigen des Stammes Juda waren, später auch alle anderen Bürger des Reiches Judäa und noch später alle beschnittenen Gläubigen, die an das Gesetz des Mose glauben. Heutzutage existiert eine Vielzahl religiöser, ethnischer und kultureller Spielarten und Organisationen unter diesem Dachbegriff. So schwer es einerseits wäre, im juristischen Sinne die Berechtigung einer existierenden jüdischen Organisation, die Namensnutzung des Begriffs „Juden“ für sich zu erklären, nachzuvollziehen, so offensichtlich ist es andererseits, in der Verwendung des Namens/Begriffs für eine anti-jüdische Internetseite den Missbrauch dieses Begriffs oder Namens (vor dem Hintergrund eigentlich belanglos, was es nun ist) zu erkennen, weil unbedachte Interessierte sozusagen unter falscher Flagge auf eine Schiff „gelockt“ werden, dass in eine unerwartete/andere Richtung fährt.

Ich denke allen geschichtsbewussten und politische aufgeklärten Menschen in Deutchland würde ein Gerichtsurteil, das die Domain www.juden.de bei den „Anti-ex-Juden“ beließe, ein Dorn im Auge sein. Das liegt eben auch an unser spezifischen Historie mit dem jüdischen Volk.

Vielleicht ist es auch Deine biographische Nähe zu den Mormonen, die deinen Blick etwas verengen lässt, da es letztlich um die gleiche Frage des Namensmissbrauchs wie im o. g. Beispiel geht. Kritisiere doch und bekämpfe den Irrtum und die Falschheit, die Du im Mormonentum siehst, aber tu es unter einer authentischen Flagge, z. B. Mormonenaufklärung.de, Mormonenkritik.de, Ex-Mormonen.de, Anti-Mormonen.de (ich glaube überzeugte Antifaschisten kämen nie auf die Idee, ihre Webseite www.faschisten.de zu nennen) oder ähnlich. Die, die Deine Informationen haben wollen, die werden Sie auch finden. Für die anderen wärst Du wie einer, der die weiße Flagge hisst und sie dann trotzdem bedroht oder schießt, wenn sie sich vertrauenvoll nähern. Aus Deiner Sicht, bedrohst Du sie zwar nicht, sondern du befreist oder bewahrst sie vor Irrtum und Unglück. Aber das ist Deine Sicht der Dinge, und die kann ja möglicherweise auch getrübt sein, denn davon muss jeder noch so um Objektivität bemühte Kritiker immer ausgehen. Insofern solltest Du Dich um eine deutlich sichtbare, authentische Außendarstellung bemühen, und nicht in anderen Gewässern fischen, zu denen Du ohne die falsche Flagge kein Zugang hast. (Irgendwie muss ich hier an die Seeräuberpratik denken, eine übliche Schiffsflage zu hissen und erst, wenn man nahe genug am anderen Schiff war, um anzugreifen, die Piratenflagge zu hissen)

Vielleicht kannst Du mir erklären, was Dich – außer der Tatsache, dass Du irgendwann mal pfiffiger und schneller warst, den einen Platz zu reservieren – eher berechtigt, diesen Namen zu nutzen. Du weist ja: Eigentum und Besitz sind nicht dasselbe. Nur weil man etwas unbenutzt oder nicht zugeordnet herumliegen sieht, gehört es einem nicht, selbst wenn man es in Besitz nimmt. Selbst wenn sich als Besitzer eine Erbengemeinschaft herausstellen sollte, so hätte doch selbst nur der eine Erbe, der sich um die Sicherung seines Besitzes kümmern und seine Ansprüche anmelden würde, mehr Anspruch als der, der es einfach nur in Besitz genommen hat.

Ich bin kein Jurist, aber ich weiß, dass Recht haben und Recht bekommen nicht immer zusammenpassen. Aber wenn ich „das Recht bekommen“ (d. h. die bezüglich der Domain www.mormonen.de gefällten Urteile) einmal außer Acht lasse, dann kann ich nicht erkennen, wieso Dir eine moralische Berechtigung auf das Eigentum an diesem Namen zustehen sollte. Insofern kann ich zwar die Verärgerung über das verlorene Verfahren im „rechtstaatlichen Kräftemessen“ verstehen, aber Deine moralische Entrüstung über das Verhalten einer Kirche, die zur Abwendung von Imageschaden alle juristisch zur Verfügungen stehenden Möglichkeiten ausnutzt, zu verurteilen, wenn man selber im o. g. Sinne nicht ganz authentisch dasteht, ist schwer nachvollziehbar.

Also, noch einen schönen Tag, so von Geheimagent zu Seeräuber. J

Gruß

007

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