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der Beitrag:
Verfasser: ---007---Abc
Datum: Mittwoch, den 9. Juli 2003, um 17:06 Uhr
Betrifft: Gutachten

Lieber Gunar,

zur Klärung der Frage, wie der Name "Mormonen" letztlich in der allgemeinen Verkehrsanschauung gebraucht wird, könnte ein Verfahrensbeteiligter im Rechtsstreit z. B. den Antrag auf ein Sachverständigengutachten durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen stellen, der per Vereidigung zur Objektivität verpflichtet ist. Die Kosten trägt am Ende voraussichtlich der im Prozess Unterlegene. Die Kosten wären als Gerichtskostenvorschuss natürlich von der beantragenden Partei auszulegen. Hier müsste in Deinem Fall ggf. die "Gemeinde" der Ex-Mormonen zeigen, ob das Sendungsbewußstein, die Welt vom Irrtum zu befreien, ausreichend Solidarität und Geld frei macht.

Allerdings bin ich mir nicht so sicher, daß die im Volksmund verwendeten Begrifflichkeiten, selbst wenn Sie statistisch erfaßt wurden, so klar auszuwerten sind, daß offenbar wird, wie sie wann und mit welchem Verständnis verwendet werden.
Ich denke zum Beispiel an den Begriff "Tempotaschentuch": Nicht jeder, der einen anderen bittet "Hast Du mal ein Tempotaschentuch?", erwartet undedingt, daß dieser ein Zellstofftaschentuch der Marke "Tempo" aus der Tasche holt. Vielmehr wurde durch den Ursprung bzw. die Verbreitung der Marke  "Tempo" aus der Marke ein Sammelbegriff, unter dem so ziemlich jeder ein Zellstofftaschentuch versteht, unabhängig von der Marke die tatsächlich benutzt wird (bin überzeugt, daß eine Umfrage dies ergeben würde). Andererseits bin ich auch sicher, daß der überwiegende Teil der Personen, die alle möglichen Marken von Zellstofftüchern mit "Tempotaschentuch" bezeichnen, sich dennoch im Hinterkopf (wenn man sie darauf ansprechen würde) bewußt sind, daß "Tempo" eine bestimmte, alte eingesessene Marke, das Original, ist, auch wenn sie alle anderen Spielarten genauso bezeichen. Der Grund: von außen sehen sie für den verschnupften Laien, der vielleicht gerade dringend ein Taschentuch braucht, auch meistens gleich aus. Ich nehme mal an, daß die Firma, die "Tempo" vertreibt, zunächst über die synonyme Verwendung zumindest keine juristisch zu vertretenden Bedenken hatte, da es für sie keinen Nachteil darstellt, so daß man sich über öffentliche Namensabgrenzungen insoweit keine Gedanken machen mußte (es gab ja auch noch kein Internet), obwohl man immer Wert darauf legte, daß unter Fachleuten der Artikel als Zellstofftaschentuch bezeichnet wird.
Wenn ich mir jetzt - in Ausdehnung meiner Analogie - vorstelle, daß ehemalige Mitarbeiter der Firma Tempo, die, entäuscht von der Firma, gekündigt haben oder wurden, kurz nach erscheinen des Internets eine Internetseite www.tempo.de gründen, um den darauf landenden Interessierten unter anderem klarzumachen, daß und weswegen das Produkt "Tempo" schlecht/ungeeigned ist und die produzierende Firma mafiöse Strukturen besitzt, dann erscheint es doch verständlich - unabhängig von der Wahrheit oder Unwahrheit der Aussagen auf der Internetseite -, daß die Firma ein Interesse hat, die Verwendung des Namens für diesen Zweck zu unterbinden. Nun stellt sie dabei fest, daß sie in der Vergangenheit, als sich die Fragestellung einer genauen Abgrenzung des Markennamens im Vergleich zu existierenden Fachbegriffen, Spielarten oder Sammelbegriffen zum Zwecke der Reservierung von Nutzungsrechten nicht so dringend stellte, versäumt hat, in der Öffentlichkeit im Hinblick auf konkurrierende Namensnutzung auf korrekte Begriffsdefinitionen zu achten. Aber vor dem Hintergrund, das potentielle Kunden, die auf der Suche nach dem Original im Internet zunächst auf einer ("Anti-) "Tempo"-Seite landen, die mit dem Informationsgehalt der Seite eher zum Gegenteil als zum Kontakt mit der Firma beiträgt, kann die Firma nicht tatenlos zusehen, wie der Ruf der Marke "Tempo" für die sie in erster Linie steht, auch wenn im Alltag viele darunter nicht nur das Original verstehen (s. o.), weil sie nicht genau differenzieren, bewußt durch ehemalige Mitarbeiter geschädigt wird. Daß sie dabei jeden juristisch verfügbaren Strohhalm nutzt, erscheint verständlich und rechtlich korrekt. Moralisch gesehen kann sich derjenige, dessen Strategie bei der Nutzung der Domain "Tempo" sicherlich auch war, die Interessenten an dem Original "Tempo" bewußt auf einen nicht mehr zugehörigen Ableger der Firma mit entgegengesetzter Interessenlage zu führen, nicht beklagen, denn seine Absichten und Intentionen können mindestens genauso als unaufrichtig oder hintertrieben beurteilt werden, wie die der Firma, die mit den geschichtlich gewachsenen, für die stattfindende Auseinandersetzung zum Namensvermarktungsrecht nicht immer scharf genug gezogenen Begriffsdefinitionen der Vergangenheit mit allen legalen Mitteln versucht zu beweisen, daß sie das Original ist und daß dies auch die Bevölkerung, um deren Täuschung oder Nichttäuschung es ja letztlich gehen muß, auch weiß.

Ich kann beide Parteien verstehen, aber ich sehe - zumindest moralisch gesehen - nicht nur einen Schuldigen und einen Unschuldigen, der berechtigt wäre, den ersten Stein zu werfen.

Aber vielleicht könnte so ein Gutachten, mit entsprechend formulierte Befragungen über die bewußte und unbewußte Nutzung von Markennamen, deren Übertrag auf gleichartige Produkte und noch vorhandene Bezüge auf Originale, Klarheit bringen.

Hatschiie! Ich hoffe, ich habe Dich nicht angesteckt! Ansonsten probier’s mal mit Tempo!

Gruß

007

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