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Verfasser: Elvira
Datum: Freitag, den 6. Juni 2003, um 17:56 Uhr
Betrifft: Amerikaner suchen ihre Wurzeln

http://www.welt.de/daten/2000/04/03/0403ws160089.htx

Amerikaner suchen ihre Wurzeln
Genanalysen sollen transatlantische Verwandtschaften transparent machen
Von Rolf Froböse
Salt Lake City — Ein unterirdischer Granitbunker in den Wasatch-Bergen im US-Bundesstaat Utah beherbergt eine ganz und gar außergewöhnliche Sammlung: Nicht weniger als zwei Milliarden Personendaten sind dort auf Mikrofilmen erfasst. Was wie ein Geheimarchiv des CIA anmutet, ist in Wirklichkeit das Werk der auch als Mormonen bezeichneten „Latter Day Saints“ (LDS), die aus religiösen Gründen Ahnenforschung betreiben. So stammen die Daten auch nicht von lebenden Personen, sondern von Menschen, die in der Regel vor 100 bis 400 Jahren gelebt haben.
Nicht minder akribisch ist die Aufgabe, die sich James L. Sorenson, Geschäftsführer der in Salt Lake City ansässigen Firma Sorenson Bioscience, gestellt hat. Zum einen ist er an dem weltweiten „Human Genom Project“ (Hugo) zur Entschlüsselung des aus rund 140 000 Genen bestehenden menschlichen Erbguts (Genom) beteiligt. Von den Mormonen inspiriert verfolgt Sorenson seit kurzem aber auch noch ein weiteres Ziel.
„Das DNS-Molekül gibt uns nicht nur einen Einblick in die molekularen Zusammenhänge von Erkrankungen, es ist auch eine Blaupause unserer eigenen Persönlichkeit“, erläutert Sorenson. So sei die DNS eine Art „innerer Landkarte“, die jedem Individuum hinsichtlich seiner Abstammung einen eindeutigen Platz zuweise. Und zwar nicht nur in Bezug auf „Rasse“ und „Volk“, sondern auch im Rahmen der Familie und Verwandtschaft.
Gemeinsam mit dem Mikrobiologen Professor Scott Woodward will Sorenson jetzt die Familienforschung mithilfe von Genanalysen und etwa 100 000 Freiwilligen revolutionieren. Das von ihm initiierte Projekt „DNS-Genealogie“ sieht vor, dass Amerikaner, deren Vorfahren aus beliebigen Orten in Europa stammen, ihre DNS mit Freiwilligen aus „alteingesessenen“ Familien dieser Orte vergleichen.
Dieses Verfahren soll es ermöglichen, Verwandte aufzuspüren und durch Abgleich einer entsprechenden Anzahl von Proben sogar Fragmente eines Stammbaums abzuleiten oder im Idealfall auf Verwandte zu stoßen, die bereits einen gut dokumentierten Stammbaum vorliegen haben.
Millionen von Amerikanern seien sehr stark daran interessiert, etwas über ihre Wurzeln zu erfahren und verwandtschaftliche Beziehungen nach Europa zu knüpfen, meint Sorenson. Er schätzt die Kosten des Projekts auf „einige zehn, möglicherweise sogar 100 Millionen Dollar“ und ist zurzeit auf der Suche nach privaten Sponsoren.
DNS-Analysen zur Bestimmung von Verwandtschaftsverhältnissen hat es in Einzelfällen bereits gegeben. Für Schlagzeilen sorgte etwa der Fall der zuletzt in New York lebenden Deutschamerikanerin Anna Anderson Manahan, die immer wieder beteuert hatte, die jüngste Tochter von Zar Nikolaus, Anastasia, zu sein. Erst eine Genanalyse mit Proben aus den Knochen des Zars und der Zarin entlarvten sie zehn Jahre nach ihrem Tode als Schwindlerin.
Mehr „Glück“ hatte Prinz Philip von England, der den „Zarentest“ bestand. Die familiären Verflechtungen des europäischen Hochadels ließen sich in seinem Genmuster zweifelsfrei nachweisen.
Neu an Sorensons Projekt ist dagegen das ungleich schwierigere Massenscreening mit völlig offenen Zuordnungen der beteiligten Personen. Ist solch ein Verfahren überhaupt praktikabel? „Im Prinzip ja“, kommentiert Dr. Johann Maurer vom Ressourcenzentrum des Deutschen Genomprojekts am Berliner Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik. Wenn jemand in seiner Verwandtenreihe durchweg nur nach den väterlichen oder mütterlichen Ahnen suche, sei es relativ einfach. Probleme bereiteten hingegen die in der Mehrzahl befindlichen „gemischten“ Verhältnisse, wo ein großer Aufwand erforderlich sei, bestimmte familiäre Marker, Polymorphismen genannt, herauszukristallisieren.
Auch für Professor Svante Pääbo, Direktor des Leipziger Max-Planck-Instituts für Evolutionäre Anthropologie, besteht noch kein Anlass zu allgemeiner Euphorie. „Selbst wenn das menschliche Genom entschlüsselt ist, stehen wir noch ganz am Anfang unserer Arbeiten“, argumentiert er. Ganz generell sei es immer bedeutend einfacher, Verwandtschaften auszuschließen als diese zuzuordnen. Der in Schweden geborene Anthropologe finnischer Abstammung hatte kürzlich für Furore gesorgt, als er DNS aus dem Knochen eines Neandertalers mit der Erbsubstanz von Menschen und Schimpansen verglich. Da sich in beiden Fällen keine Übereinstimmung ergab, war dies der Beweis dafür, dass der Neandertaler ein eigenständiger Menschentyp und nicht etwa ein Vorfahre des Homo sapiens gewesen ist.
Bei anderen Fragestellungen musste Pääbo aber passen. „Einige Amerikaner afrikanischer Herkunft wollten von mir wissen, welches Land ihre ursprüngliche Heimat war“, berichtet der Forscher. Diese Menschen seien im Zuge der Verschleppung nicht nur von ihren Familien, sondern auch von ihrem Volk getrennt worden, worüber es keinerlei Unterlagen gebe. „Ich würde ihnen gerne helfen“, sagt Pääbo, aber das sei bislang noch eine Fiktion.
Die Mormonen haben indes selber noch keine Stellungnahme zum DNS-Genealogie-Projekt gegeben. Sie setzen weiter auf Urkunden und Kirchenbücher. Die ausgewerteten Daten werden seit kurzem sogar kontinuierlich für das Internet aufbereitet. Die Informationen von über rund 400 Millionen Personen, das sind 20 Prozent des im Bunker in Utah befindlichen Materials, sind bereits über das Internet kostenlos abrufbar.
     

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