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Verfasser: Elvira
Datum: Montag, den 31. März 2003, um 21:24 Uhr
Betrifft: Das Leben in seiner ganzen Fülle

Lieber Henning,
nun habe ich sehr mit mir gerungen, Dir auf Deinen Artikel zu schreiben.

So wie Du die Religionen und Philosophien, die Lebensdeutungen der vielfältigsten Art mit den Worten des Dalai Lama beschrieben hast, fühle ich auch. Menschen haben zu allen Zeiten und ich allen Kulturen nach dem Sinn des Lebens gefragt. Und weil Menschen so verschiedenartig in ihrem Lebensausdruck sind, in ihren Fähigkeiten, in ihren Prägungen, aber auch weil diese Erde selbst so viele sehr unterschiedliche Lebensräume bietet (Klima, Umwelt, Geographie ) denke ich, dass es gar nicht anders sein kann, als dass sie zu ganz unterschiedlichen Auffassungen darüber gelangt sind, was Sinn des Lebens ist. Daraus entstanden dann die großen und kleinen Religionen, Weltanschauungen, Philosophien und mit ihnen religiöse Praktiken und Rituale. Ich denke, wenn ich in einer anderen Weltregion geboren und leben würde, bestimmt auch eine dort beheimatete Religion gewählt hätte. So habe ich das Christentum gewählt.

>Ich hoffe, dass ich stark genug bin, dieses "ethische Leben mit Bezug auf Gott" auch eigenverantwortlich und ohne Religion genauso verpflichtet umzusetzen und hier ein noch höheres Mass an seelischer Befreiung zu erreichen.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass dieses „ethische Leben in Bezug auf Gott“ eigenverantwortlich zu leben,  sogar der notwendige Schritt ist zur Befreiung. Erst wenn da Niemand und Nichts mehr da ist, der einem sagt, wo es lang gehen muss, können neue Perspektiven, neue Vorstellungen, neue Verantwortungen, neues Leben entstehen. Das ist dann ein Leben das  davon geprägt ist,  dass man genau das tut, wozu man selbst sich gerufen fühlt und nicht mehr ein Leben, dessen Normen einem andere vorgegeben haben. Und weil es dann die eigenen Motive zum Leben sind und nicht mehr die anderer oder einer Organisation erlebt man  erfülltes Leben.

> Manch einem mag das einsam erscheinen, da ja die vollständige Einbindung in "die Kirche" fehlt.

Das habe ich eher als eine Frage des persönlichen Bedürfnisses erlebt. Manche mögen ihren Glauben mit anderen teilen, diskutieren, feiern, singen, leben. Für die ist Kirche als Versammlungsort und -rahmen wichtig. Anderseits spielt sich das Leben zum überwiegenden Teil nicht im Rahmen Kirche ab, sondern am Arbeitsplatz, in der Familie, im Auto, beim Rasen mähen, in der Freizeit.... ect. Wenn ein Glaube dort Bestand und Bezug hat,  dann braucht einer Kirche nicht mehr.

>Aber niemand zwingt mich ja dazu, mich nicht an dieser oder jener Gemeinschaft zu beteiligen (auch der HLT-Kirche) und mich zu integrieren, soweit diese Integration nicht von mir verlangt, meine mir heiligen Grundsätze zu verletzen.

Nein keiner zwingt Dich und es ist wie gesagt eine Frage der Persönlichkeit, ob man Gemeinschaft braucht oder ob nicht.
Es hat in meinem Leben auch eine Zeit gegeben, in der ich glaubte, dass es möglich ist in der HLT-Kirche und gleichzeitig als „Befreiter“ (mit meinen heiligen Grundsätzen ) zu leben. Es hat mich viel Kraft gekostet und ich bin damit am Ende gescheitert. Für mich war es nicht länger möglich dabei zu bleiben, weil ich permanent damit im Konflikt war, was die HLT-Kirche predigte und von mir verlangte und dem was ich als richtig und absolut notwendig für mein Leben erachtet habe. Harmlos ausgedrückt für das wie ich es als kräfteraubende Zeit erlebet habe: Ich habe es irgendwann nicht mehr ausgehalten zu 99% Dinge gesagt zu bekommen, von deren Unsinnigkeit ich überzeugt war und von dem mageren 1%,  dem ich noch zustimmen konnte, mein Leben gestalten zu müssen.

Da ich Deine Lebensprioritäten und ethischen Grundsätze nicht kenne, mag es möglich sein, dass Du diesen Weg zu gehen schaffst.

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