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Verfasser: Gunar
Datum: Dienstag, den 18. März 2003, um 18:43 Uhr
Betrifft: Mit ClearPlay gegen blanke Busen

SPIEGEL ONLINE
18. März 2003, 14:57

Zensur

Mit ClearPlay gegen blanke Busen

Von Julia Albrecht, San Francisco

Die amerikanische Firma ClearPlay will einen DVD-Player auf den Markt bringen, dessen Software unerwünschte Sex- und Gewalt-Szenen beim Abspielen überspringt und Schimpfworte verharmlost. Die großen Filmstudios von Hollywood sehen Urheberrechte und künstlerische Freiheit in Gefahr und ziehen vor Gericht.

Stellen Sie sich vor, die nackten Körper der "Titanic"-Stars Kate Winslet und Leonardo DiCaprio werden zensiert, und man sähe die Liebenden immer nur davor oder danach. Oder die Kanonenkugel, die einen amerikanischen Revolutionär im Film-Epos "Der Patriot" enthauptet, wird nicht gezeigt. Oder stellen Sie sich vor, der ewig "Scheiße" und "Fuck" schimpfende Großstadtheld würde immer nur "Oh je" und "Ach, wie gemein" sagen.

Sie müssen es sich nicht mehr nur vorstellen. Die amerikanische Firma ClearPlay aus dem konservativen Mormonen-Staat Utah wird im Herbst dieses Jahres für unter 100 Dollar einen DVD-Recorder auf den Markt bringen, der die anrüchigen Bilder überspringt und die schmutzigen Worte ersetzt. Schon jetzt bietet die Firma Filter-Software im Internet an, mit der das gleiche Ergebnis erreicht werden kann.

ClearPlay-Mitarbeiter haben sich rund 300 als DVD vertriebener Filme angenommen und das Zensur-Messerchen angelegt. Oder genauer: Sie haben die Software, die in den neuen DVD-Recordern eingebaut ist, programmiert. Das Gerät erkennt die missliebige Sequenz, überspringt sie oder stellt sie lautlos. ClearPlay behauptet, sie könnten präzise Bild-für-Bild Schnitte durchführen, die es ihnen erlaubten, den künstlerischen Gesamteindruck des Filmes zu erhalten. Bei Filmen wie "American Pie", der gespickt ist mit anstößigem Inhalt, würden sie allerdings gar nicht erst versuchen, zu zensieren.

Wie aber wäre es, wenn ein paar Moralapostel dem David von Michelangelo einen Lendenschurz vorhängten? Oder wenn Museen auf die jugendschützende Idee verfielen, die nackten Brüste ihrer Rubens-Madonnen zu verhängen? Vielleicht gibt es auch ambitionierte Buchhändler, die ihr Sortiment Verbraucher-verträglicher gestalten wollen. Sie könnten unliebsame erotische Passagen schwärzen, Beschreibungen über das Rauchen streichen oder gleich die provokanten Seiten herausreißen.

Hollywood jedenfalls ist von dem Anschlag auf seine Produkte nicht sehr begeistert. Acht der größten Filmstudios (Warner Bros., Walt Disney Co., Metro-Goldwyn-Mayer, Sony Pictures, Universal Studios, 20th Century Fox, Paramount and DreamWorks) haben Klage eingelegt, um dem Treiben ein Ende zu setzen und den Vertrieb der Recorder und der Software zu verhindern. Seite an Seite mit der mächtigen Gewerkschaft der Regisseure (Directors Guild of America, DGA) fordern sie das Gericht auf, den Vertrieb der ClearPlay-Produkte, sowie vergleichbarer Produkte anderer Firmen, auf Dauer zu verbieten. "Das ist abscheulich", schimpft der Anwalt der DGA, "ich habe mehr Achtung vor Musikpiraten, die respektieren wenigstens das Produkt."

Die Präsidentin der DGA, Matha Cooldige, verkündet, dass sie die Klage gegen die digitalen Zensoren aggressiv verfolgen werde. "Was diese Firmen machen, ist schlicht und einfach falsch. Es ist ebenso falsch, Szenen aus einem Film wegzuschneiden, wie es falsch ist, Seiten aus einem Buch herauszureißen, nur weil wir nicht mögen, wie etwas dargestellt oder gesagt wird, und das Buch dann unter dem gleichen Titel und dem Namen des Autors weiterzuverkaufen. Es ist rechtswidrig, die Studios, die die Urheberrechte innehaben, und die Regisseure, die die Autoren der Filme sind, zu umgehen, alles im Namen des Profits."

ClearPlay hingegen findet, dass es Zuschauern lediglich eine vernünftige Alternative bietet. "Zu Hause sollten Familien in der Lage sein, Filme so anzuschauen, wie sie es wollen", sagt Bill Aho, ein leitender Angestellter der Firma. "Das ist ein schlichtes Beispiel für Hollywoods Streben nach Kontrolle gegenüber dem Recht der Eltern. Die Filmindustrie möchte sicherstellen, dass Familien jedes Schimpfwort hören und jeden grausamen Tod sehen, wenn sie einen Film in ihrem Haus sehen. Wir sind davon überzeugt, dass die Kontrolle darüber, was die Familie sieht und hört, bei den Eltern liegen soll", so Aho.

ClearPlays Anwalt, Andrew Bridges aus dem Silicon Valley, sieht gute Chancen für seinen Mandanten. Im Unterschied zu anderen Firmen, die Videos oder DVDs bearbeiten, würde ClearPlay lediglich verändern, wie der Film gesehen werde. Er meint, dass das Gericht, sollte es ClearPlays Praktiken verbieten, auch gleich die Fernbedienung mitverbieten müsse.

Aber, so sollte er sich vielleicht fragen, wäre es auch zulässig, wenn jemand eine Software anböte, mit deren Hilfe man, sagen wir einmal, SPIEGEL ONLINE zensiert lesen könnte, zum Beispiel unter Aussparung bestimmter Worte oder Bilder? Wohl kaum. Und wäre das wirklich so anders als die Software, die die DVDs zensiert?

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