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Verfasser: Gunar Datum: Freitag, den 16. August 2002, um 4:20 Uhr Betrifft: Freiberg-Tempel: heilige Stätte der von Geheimnissen umwitterten Gemeinschaft
Leipziger Volkszeitung
Donnerstag, 15. August 2002"Unheilige" Gäste bestaunten Freibergs Tempel
Freiberg. "Wir hoffen, dass Sie nicht nur sehen werden, sondern auch etwas spüren", meint D. Lee Tobler zur Begrüßung. Eine "einmalige Gelegenheit" sei dies, eine "wundervolle Erfahrung" möglich. Der Amerikaner, in dessen Deutsch sich der Dialekt von Schweizer Vorfahren, US-Akzent und missionarischer Eifer mischen, ist angereist, um am gestrigen Donnerstag durch den Freiberger Mormonen-Tempel zu führen. Nicht-Mitglieder der von Geheimnissen umwitterten Gemeinschaft dürfen solch heilige Stätte sonst keineswegs betreten. Doch das Gotteshaus ist gerade umgebaut, die Fläche fast verdoppelt worden. Bis zur Neu-Weihe öffnet es ab morgen zwei Wochen lang kostenlos für alle Neugierigen. Als deren Vorboten tritt nun ein Journalisten-Trüppchen ein und staunt.
Denn statt der kalten Pracht gewohnter Kirchen-Hallen umfängt Besucher ein wohnlicher Luxus, der einem Nobel-Hotel alle Ehre machen würde. An einer "Rezeption" müssen die Mormonen künftig einen Tempelschein vorlegen. Nur, wem seine Kirchenleitung Sittsamkeit bestätigt, darf eintreten. Drogen von Alkohol bis schwarzer Tee sind verboten. Zum Trost genossen die Männer der um 1830 in den USA entstandenen Kirche einst die Ehe mit mehreren Frauen, doch auch dies ist Mitgliedern längst untersagt.
"Im Tempel spüren wir, was unsere ewige Bestimmung ist", erläutert Tobler. Der Mann, den ein Gefolge von honorigen Herren in schwarzen Anzügen umgibt, kommt aus der Mormonen-Hochburg Utah, ist als Präsident für ganz Mitteleuropa zuständig. Selbst nennt sich die Gemeinschaft Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Mitglieder betrachten das irdische Dasein als Zwischenspiel: Einst lebten sie mit Gott und Jesus, und nach dem Tode werden sie dorthin zurückkehren - ein Glück, das allen Nicht-Heiligen verwehrt bleibt. "Wir streben danach, immer rein zu sein", erklärt Tobler ein Umkleidezimmer, in dem sich Mormonen vor ihren Ritualen in weiße Gewänder hüllen. Der verblüffendste Raum ist indes das Baptisterium: Auf steinernen Rindern ruht ein Wasserbecken im Format eines Riesen-Whirlpools. Hier finden Totentaufen statt. Im wohltemperierten Nass taucht dabei ein Lebender stellvertretend für einen Verstorbenen unter. So wollen die Heiligen der Letzten Tage auch jenen Verwandten den Zutritt zu einem freudvollen Jenseits ermöglichen, die vor dem Tod ihrer Gemeinschaft fernblieben.
Die übrigen Zimmer dienen innerer Einkehr, Belehrung und Besiegelung familiärer Bande für die Ewigkeit. Flauschige Teppiche liegen auf dem Boden, goldverzierte Hölzer, seidige Tapeten und samtige Vorhänge schmücken die Wände, kristallene Leuchter spenden Licht, weiche Sessel und Sofas bieten Platz. Der Stil erinnert an die 30er Jahre.
Das alltägliche religiöse Leben vollzieht sich in schlichten Gemeindehäusern, die Tempel dienen nur höchsten Ritualen. Der in Freiberg entstand bereits vor der Wende, die DDR genehmigte den Bau, um hiesige Mormonen von Ausreiseanträgen abzubringen. Fast 12 Millionen Mitglieder gebe es weltweit, erklärt Tobler und verweist auf starken Zuwachs. In Deutschland - von 36 000 Mormonen leben 5000 im Osten - bleiben Zahl und Anstieg bescheiden. Die Erweiterung in Freiberg, der einzigen Tempelstätte der neuen Länder, wurde nötig, um den Andrang aus Osteuropa zu bewältigen, wo es einen solchen Bau noch nicht gibt.
Armin Görtz
Der Tempel in Freiberg, Hainichener Straße 64, ist von morgen bis 31. August geöffnet: mo. 10-17 Uhr, die. bis sa. 9-21 Uhr, sonntags bleibt das Haus geschlossen.
http://www.lvz-online.de/lvz-heute/16311.html
Freiberg-Tempel: heilige Stätte der von Geheimnissen umwitterten Gemeinschaft – Gunar, 16.8.02 um 4:20 Uhr
5,2 Millionen Euro – der Neubau hatte mehr gekostet – Gunar, 20.8.02 um 2:42 Uhr
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