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Verfasser: Erwin
Datum: Montag, den 15. September 2014, um 15:59 Uhr
Betrifft: Warren Snow und besagter Vorfall

Die Sache geschah während der "mormonischen Reformation", zur Zeit der Administration unter Brigham Young. Es war eine Zeit, als drakonische Strafen für bestimmte Verbrechen gefordert wurden, und eine entsprechende Rhetorik an der Tagesordnung war, und Leute wie Snow viele Aussagen in dieser Richtung wörtlich nahmen.  Also, ich habe in der Sache noch einmal etwas recherchert, und muss sagen, dass es abweichende Darlegungen zum Hergang gibt.

Besagter Lewis soll in der Nacht auf dem Weg ins Gefängnis transportiert worden sein, weil er wegen eines Sexualdelikts angeklagt werden sollte. Auf dem Weg dorthin, also in der Nacht, soll er von Snows Leuten gekidnappt worden sein, die dann die Tat an ihm verübten. Der Grund dafür lag aber nicht in der Absicht des besagten Lewis, eine bestimmte Frau heiraten zu wollen, sondern in der drakonischen Anwendung angedrohter Strafen, die von Kirchenführern so proklamiert, seitens Brigham Youngs nachweislich  aber nicht getragen wurden, weil er "die Zeit für noch nicht gekommen hielt".

Und es sollen politische Führer in Washington gewesen sein, die die Sache im Sande verlaufen lassen wollten, weil sie wegen der angespannten Lage in Bezug auf Utah keine aus ihrer Sicht unnötige Eskalation wollten, und entsprechende Weisungen an die US-Marshals in Utah gaben, so dass Snow nicht angeklagt wurde.

http://en.fairmormon.org/Utah/Crime_and_violence/Castration_in_the_1800%27s

Man möge mich jetzt hier nicht kritisieren, weil ich fairmormon hier herbeigezogen habe. Aber ich habe gute Erfahrungen mit deren Antworten gemacht. Ich glaube, dass die Geschichte, dass Bischof Warren Snow angeblich die Frau begehrte, die besagter Lewis heiraten wollte, erfunden bzw. von mormonenfeindlicher Seite aus konstruiert worden  ist. Es ist einfach auch eine viel zu einfach gestrickte Story, als dass sie mir überhaupt jemals glaubwürdig erschienen ist: Bischof will Frau, also schafft er ihren Bräutigam aus dem Weg = die bösen Mormonen.

Nein, die Sache war für mich mit hoher Wahrscheinlichkeit anders. Tatsächlich gab es außerhalb des direkten Einflussbereichs der Kirchenführung in SLC fanatisierte Personen, die eine Gemeinde führten, und die aufgrund ihrer Rhetorik und Ãœberzeugungskraft einige in den Bann ihrer fanatisierten Sichtweisen zogen. Es ist ja belegt, dass für bestimmte Sexualverbrechen (Vergewaltigung etc.) von einigen Kirchenführern in jener Zeit bestimmte Sanktionen gefordert wurden, auch wie in der vorgenannten Art. Allerdings ist dies ja nie offiziell umgesetzt worden. Aber es gab eben einige, die aufgrund ihrer Lebensumstände und Geisteshaltung  derartige Aussagen für verbindlich hielten und mit Hilfe anderer zur Anwendung brachten.

Ich finde, man sollte derart oberflächliche Schilderungen wie "Bischof-will-Frau-und-kastriert-Bräutigam" etwas kritischer hinterfragen und sich einmal den Zeitgeist vor Augen halten. Ich habe zudem keinen glaubwürdigen Beleg dafür gefunden, dass die Braut des besagten Lewis fortan an der Seite des Bischof Snow gelebt haben soll.  Bei allem Respekt vor mormonenkritischer Sichtweise, und bei allem Respekt vor der Annahme, dass auch unter Mormonen ein gewisses kriminelles Potential herrscht, so kann ich mir eines aber nicht vorstellen:

Wie hätte Bischof Snow denn seine Leute dazu bewegen können, ihm auf einem solchen Wege die "begehrte" Frau zu verschaffen? Das wäre doch ein total verwerfliches Vorhaben gewesen, und warum hätte man ihn von seiner Gemeinde aus dafür unterstützen und eine derartige Tat begehen sollen? Ich unterstelle einfach mal, dass es in seiner Gemeinde und Anhängerschaft durchaus moralische Skrupel gegeben hätte, wenn seine Motive derart niederer Art gewesen wären!

Diese Leute waren ja keine Desperados, die überhaupt kein Gesetz geachtet hätten, sondern sie waren indoktrinierte Glalubensfanatiker, die in ihrer religiösen Verblendung dachten, das Richtige zu tun. Gut, ob hinter der Sache tatsächlich noch mehr stand, und ob die Tat an Lewis vielleicht nur unter dem Vorwand der ihm gegenüber erhobenen Anschuldigung (Sexualdelikt)  begangen wurde, weiß ich natürlich nicht. Aber ich werde der Sache noch weiter auf den Grund gehen. Die Frage ist natürlich, welche Zeitdokumente existieren. Zeitungsberichten allein kann man nicht immer Glauben schenken.

Fest steht für mich allerdings auch, dass viel zu leicht Geschichten konstruiert werden, die nicht mit den Fakten übereinstimmen, wenn es darum geht, die Mormonen zu diskreditieren. Man kann ihre Glaubenslehre ja ablehnen, und man kann sie meinetwegen auch verachten, aber man muss in der Bewertung geschichtlicher Begebenheiten fair bleiben und, wie gesagt,  sollte man nicht auf zu einfach gestrickte Geschichten hereinfallen. Die Verwerflichkeit der Tat steht außer Frage, aber mir geht es auch darum, die wahren Hintergründe einmal zu durchleuchten und nicht eine ganze Religionsgemeinschaft deswegen anzuprangern.

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