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Beitrag 8 von 10
zum Thema Tempelschein
Seite erstellt am 29.3.24 um 15:33 Uhr
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der Beitrag:
Verfasser: James
Datum: Dienstag, den 29. Januar 2002, um 6:17 Uhr
Betrifft: Die offizielle Anweisung

Stefan schrieb:

>Falls das wirklich wahr ist, was Du da schreibst (man kann es kaum glauben), daß ein Bischof nach Oralverkehr fragt,

Im Mormonismus gibt es so einiges was "man" kaum glauben kann. Die offizielle Anweisung ist z.B. hier einsehbar (zwei Seiten):

http://www.lds-mormon.com/worthy_letter.shtml

Sie ist weiterhin in jeder vernünftig geführten Ablage einer Bischofschaft oder Pfahlpräsidentschaft aufzufinden. Sofern man Dir Zugang bzw. Einsicht gewährt.

Wie Du z.B. erkennen kannst ging der Brief am 5.1.1982 an alle Pfahl-, Missions-, Distriktspräsidenten, Bischöfe und Gemeindepräsidenten  der Kirche. Im deutschsprachigen Raum mittels der sog. "Priestertumsnachrichten." Unterschrieben ist er von der überkompletten "Ersten Präsidentschaft", Spencer W. Kimball, N. Eldon Tanner, Marion G. Romney, und Gordon B. Hinkley, damals ein Vierergestirn. Oraler Sex wird darin als "unrein" bezeichnet. Der Brief durfte auch nicht der "allgemeinen Mitgliedschaft" zugänglich gemacht werden. Huh, huh ...

Die entscheidenden Stellen (es gäbe viel zu dem Brief zu sagen):

Beim Interview für einen Tempelempfehlungsschein, sollte der Interviewer die interviewte Person darauf hinweisen, daß "der Herr gesagt hat, daß nichts Unreines sein Haus betreten sollte." (engl. "In interviewing one for a temple recommend, the individual being interviewed should be reminded that the Lord has said that no unclean thing should enter his house.")

Was u.a. "unrein" ist, wird anschließend im Brief definiert:

"Married persons should understand that if in their marital relations they are guilty of unnatural, impure, or unholy practices, they should not enter the temple unless and until they repent and discontinue any such practices. Husbands and wives who are aware of these requirements can determine by themselves their standing before the Lord.  All of this should be conveyed without having priesthood leaders focus upon intimate matters which are a part of husband and wife relationships. Skillful interviewing and counseling can occur without discussion of clinical details by placing firm responsibility on individual members of the Church to put their lives in order before exercising the privilege of entering a house of the Lord.  The First Presidency has interpreted oral sex as constituting an unnatural, impure, or unholy practice.  If a person is engaged in a practice which troubles him enough to ask about it, he should discontinue it."

Wird also erklärt, daß "verheiratete Personen sollten verstehen, daß wenn sie in ihrer ehelichen Beziehung unnatürlicher, unreiner, ode unheiliger Praktiken schuldig sind, sie nicht den Tempel betreten sollten, außer sie kehren davon um und unterlassen irgendsolche Praktiken. ... Die Erste Präsidentschaft hat oralen Sex als eine unnatürliche, unreine, oder unheilige Praktik interpretiert. Wenn eine Person eine Praktik genügend ausführt, die sie dazu bringt nachzufragen, so sollte sie diese unterlassen."

Alles klar ... übrigens eine bestechende Logik am Ende, finde ich. Hoffentlich fragt kein Mormone nach wegen seiner Praktik an Joseph Smith zu glauben, zu beten und zum Tempel zu gehen.;-)

Der Vollständigkeit halber: Am 15.10.1982 folgte ein weiterer Brief aus SLC. Dieser sagte ausdrücklich, die Führungskräfte sollten nicht mehr explizit nachfragen. Es war offensichtlich eine (für mormonische Verhältnisse) eigenartige Dynamik eingetreten. Angeblich (ob es so ist bzw. war läßt sich wohl nicht mehr belegen) führten viele/etliche Bischöfe etc. die Anweisung nicht aus. Später erzählten mit Leute anläßlich eines Besuches meinerseits in SLC aus dem Kirchenverwaltungsgebäude, wo ich rumturnte (Bibliothek wo sonst?;-) , Lesesaal des Kirchenarchivs etc. und besuchte einige Abteilungen bzw. Leute. Die Angelegenheit schlug hohe Wellen, war offensichtlich der Gesprächsstoff auf den Gängen. Einige Angestellte der Kirchenverwaltung berichteten mir unaufgefordert, es hätte "ganze Postsäcke" von Anfragen von Bischöfen etc. gegeben, wie sie sich verhalten sollten, waren verunsichert, oder (dies glaube man kaum!) den Brief vorsichtig bis kritisch hinterfragten.

Nebenbei: Erinnert mich immer wieder an folgenden wahren Vorfall. Ich hatte den Brief (Kopie) damals auf meinen Schreibtisch liegen (großen Wohnzimmer). Als ich am Abend nach Hause kam hatten wir überraschenden Besuch von einem befreundeten Ehepaar. Diese hatten gerade im Tempel geheiratet und waren nach einer Woche Tempel auf der Rückfahrt und schaueten bei uns herein. Nur war er (der frische Ehemann) sichtlich schweigsam, leicht verstört. Ich konnte es mir vorerst nicht erklären. Später fing er an Fragen um den heißen Brei herum zu fragen, woraus ich erkannte, daß unser negieriger Freund auf meinem Schreibtische herumgekrammt und gelesen hatte, was er mir nachher auch gestand. Er hatte den "Oral Sex" Brief gelesen und hatte seine erste Woche Ehesex hinter sich, inkl. ... dumm gelaufen. Was lernte er: a) Die alten, senilen Herrschaften der Kircheführung sind immer für eine Überraschung gut, und b) auf einen fremden Schreibtisch zu kramen kann üble Folgen haben. Er hat seiner Frau nix erzählt (zumindest damals nicht), den Rest überlasse ich Deiner Phantasie. Ein Musterbeispiel eines Mikrokosmos innerhalb eines Mikrokosmos.

>muß ich Dich für genaueres Verständnis etwas fragen: Hat die Kirche sich Sorgen gemacht, daß die Mitglieder OV als moderne Form der Keuschheit vor der Ehe betreiben (wäre ja cool), oder sollen sie es während der Ehe nicht machen?

Siehe oben.

>Wenn es der Kirche nur um OV in der Ehe geht (das wahrscheinlichere von beiden), so frage ich mich, was hat die Kirche denn dagegen?

Siehe oben. Nicht die Kirche hat etwas "dagegen", sondern der "Herr." Er mog es halt nett, is a schmuddelig, nett heilig, uand so machens die Tiera ach ... pfui teufi!"

>Und die intressantere Frage ist, wie oft hat der Bischof für so eine dreiste Frage direkt einen Schlag ins Gesicht bekommen? Ich wäre voll ausgerastet!

Hab ihn nicht mit blauem Auge gesehen. Er hat es nach eigenem Bekunden ziemlich schnell unterlassen. Muß man anders kontern: Den letzten Sexualakt in allen Details beschreiben bis dem Bischof die Ohren schlackern, die Zunge heraushängt oder der Dampf aus den Ohren kommt ... dann fragen, ob er noch weitere Fragen hätte.;-)

Cheers, James

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