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Verfasser: Gipfelstürmer
Datum: Montag, den 22. März 2010, um 11:17 Uhr
Betrifft: Religiöser Schwindel "revised"

Hallo zusammen!

Ich danke Euch für Eure Rückmeldungen zu meiner Frage über religiösen Schwindel. Auch wenn sich niemand zu einer Definition hat hinreißen lassen, so fand ich die Ausführungen zum Teil sehr anregend. Mein persönliches Verständnis hat sich hierdurch etwas verändert und erweitert. Ich glaube, dass religiöser Schwindel den Gegenpol zu religiöser Wahrhaftigkeit, Demut und Güte darstellt. Meiner festen Überzeugung nach gibt es einen Gott, der alles Reine, Gute und Schöne repräsentiert. Wir sind seine Kinder und er liebt uns mehr als wir uns vorstellen können. Je mehr wir uns im Einklang mit seiner Liebe, seinem Wohlwollen und seiner Aufgeschlossenheit befinden, umso mehr sind wir mit ihm und uns selbst im Reinen. Wenn wir einmal vor der Himmelspforte stehen, wird es nicht darum gehen, an die „richtigen“ theologischen Inhalte geglaubt zu haben. Vielmehr kommt es dann auf Wahrhaftigkeit, Demut und Güte an. Wenn svenx sich aufgrund einer tiefgründigen Gewissensentscheidung und aufgrund redlicher Motive von seinem früheren Glauben abgewandt hat, wird dieser Gott stolz auf ihn sein. Besonders dann, wenn er aufgrund seiner Entscheidung Repressalien innerhalb der eigenen Verwandtschaft erfahren musste. Auch ein überzeugtes Mitglied der HLT-Kirche, das sich einfach nur bemüht, die guten Botschaften aus dem Buch Mormon umzusetzen und den anderen Kindern Gottes mit Toleranz, Duldsamkeit und Hilfsbereitschaft zu begegnen, wird am jüngsten Tage gerechtfertigt sein. Es wird mir nicht passieren, dass ich vor der Himmelspforte stehe und es heißt:

„Tja, lieber Junge. Du hast zwar viel zu mir gebetet, Du hast Deine persönlichen Sorgen mit mir ausgekämpft, Du hast Dich auf mich auf meine Führung verlassen, Du hast in Anbetracht Deiner Schwächen auf das Sühnopfer meines Sohnes vertraut, Du hast zumindest versucht, Andersdenkenden mit Respekt zu begegnen, Du hast Deine Frau immer über Dich selbst gestellt, Du hast Dich bemüht, meine Schöpfung zu achten, Du hast versucht, das Vertrauen in meine Güte in Menschen innerhalb und außerhalb Deiner Kirche zu stärken, Du hast verzweifelten Menschen mit Deinem Priestertum Segen gegeben und ihnen damit Trost gespendet, Du hast Dich innerhalb Deiner Glaubensgemeinschaft für Toleranz eingesetzt usw. Aber das alles ist völlig unerheblich. Denn leider basiert Deine Religion auf einem Schwindel. Das habe ich Dir zwar nie kundgetan. Und ich habe Dich trotz Deiner vielen Gebete immer in dem Glauben gelassen, dass mir Dein Streben nach edlen Werten innerhalb Deiner Konfession wohlgefällig ist. Aber das spielt überhaupt keine Rolle. Ausschlaggebend ist einzig und allein, dass Du einer Religion angehört hast, die auf einem Schwindel beruht. Hinfort mit Dir in die Hölle und tritt mir nie wieder unter die Augen!“

Ich glaube nicht an einen Gott, der unser Leben auf eine solche Weise wertet. Religiöser „Schwindel“ im Sinne einer „falschen“ theologischen Lehre wird letztendlich keinerlei Bedeutung haben. Anders sieht es jedoch möglicherweise mit religiösem Schwindel aus, den man als Gegensatz zur Wahrhaftigkeit, Demut und Güte verstehen kann. Wenn ich ganz gezielt polarisiere, lediglich die Schattenseiten bestimmter Glaubensgemeinschaften zusammentragen, sie einseitig interpretiere und mit meinen „Erkenntnissen“ hausieren gehe, dann hat das wenig mit Wahrhaftigkeit, Demut und Güte zu tun. Unsere Nachbarin ist eine herzensgute Frau. Wenn ich im Laufe meines Lebens auch nur ein Hundertstel ihrer Nächstenliebe entwickeln könnte, käme ich sicher in den Himmel. Sie ist eine sehr gläubige Katholikin. Innerhalb ihrer Gemeinde bewirkt sich unheimlich viel Gutes. Sie strahlt eine unglaubliche Wärme aus und Zuversicht aus. Ihr Engagement im caritativen Bereich ist bemerkenswert. Sie lebt ihren Glauben nicht als Schwindel. Da ist alles echt. Jetzt könnte ich mich als Aufklärer gebärden und mich bemühen, die katholische Kirche immer und überall als Werk des Teufels verkaufen. Ich könnte mich daran weiden, wenn Menschen in tiefe Sinnkrisen stürzen, wenn sie ihren Glauben verlieren, wenn sie zynisch und verbittert werden, … Es könnte mir Befriedigung geben, wenn ich dabei das Gefühl hätte, diese Entwicklung durch meine Bemühungen beschleunigt zu haben. Ich könnte ein inneres Fest feiern, wenn meine Nachbarin ihrem Pfarrer einen bitterbösen Brief schreiben und ihren Austritt aus der katholischen Kirche erklären würde. Aber das wäre religiöser Schwindel. Es wäre falsch, die guten Dinge einer Religion prinzipiell auszublenden und ständig nur die schlechten Seiten zu betonen. Es wäre falsch, die vielen bemühten und ehrlichen Gläubigen einer bestimmten Konfession zu verunglimpfen und sie generell als unehrlich, einfältig oder feige zu bezeichnen. Es wäre falsch, sich am Unglück einzelner Mitglieder oder der ganzen Glaubensgemeinschaft zu erfreuen. Mir ist klar, dass im Namen von Religionen schon viele Unrechtstaten geschehen sind und dass auch meine Kirche ihre Schattenseiten hat. Aber es wäre falsch, die guten Aspekte partout nicht gelten zu lassen und zu behaupten, man hätte die durchgängige Durchtriebenheit des gesamten Systems und seiner Anhänger durchschaut. Das wäre religiöser Schwindel.

Viele Grüße

Gipfelstürmer

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