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Verfasser: JesseX
Datum: Mittwoch, den 17. Februar 2010, um 11:27 Uhr
Betrifft: Die HLT-Kirche und ihre amerikanische Identität

> Allerdings begrüße ich es auch grundsätzlich, dass sich die HLT-Kirche überhaupt einmal in politische Angelegenheiten einmischt. Die Veranstaltungen auf den evangelischen Kirchen- oder den Katholikentagen sind voll von politischen Botschaften. Wenn ich aber am Sonntag unseren Gottesdienst besuche, wird dort über aktuelle Themen der Politik viel zu selten diskutiert.  (....) Unabhängig von der aktuellen Debatte um die Proposition 8 fände ich es übrigens toll, wenn sich die HLT-Kirche öfters zutiefst unamerikanisch verhalten würde. Sie würde mir dadurch noch sympathischer werden

Hallo, Gipfelstürmer.

Dem möchte ich insofern widersprechen, als meine Erfahrung gezeigt hat, daß Kirche und Politik sich nicht gegenseitig ergänzen, und politisch motivierte oder inspirierte Gottesdienste der Glaubensgemeinschaft eher abträglich sein können. Bedenke, wie populistisch Debatten oder Auseinandersetzungen in der Politik geführt werden, und welchen destruktiven Einfluß derartiges auf den Gottesdienst oder eine Abendmahlsversammlung haben könnte. Ich argumentiere stets ungern im Zusammenhang mit dem Islam, aber hier muß man feststellen, daß sich trotz der traditionell nicht vorhandenen Trennung zwischen Kirche und Staat in den muslemischen Ursprungsländern die Gebetsversammlung auf die reine Besinnung auf Gott beschränkt. In diesem Sinne, so meine ich, sollten sich einige christliche Ausrichtungen ein Beispiel nehmen. Hier, in meinem Wohnort, geriet eine Pastorin der ev.-luth. Kirche in die Kritik, weil sie durch populistisch motivierte Äußerungen "die Kirche leerpredigte" (so die Lokalpresse).

Die HLT-Kirche ist eine aus der amerikanischen Geschichte erwachsene und mit der amerikanischen Kultur aufs Engste verbundene Religionsschöpfung. Ich persönlich sehe in der amerikanischen Kultur nichts Schlechteres als in der deutschen oder europäischen. Der Freiheitsgedanke ist in den USA stärker ausgeprägt, was natürlich auch mit dem Ressourcenreichtum und der Größe dieses Landes zusammenhängt. Individuelle Freiheit erfordert aber auch ihren Preis, und dies zu verstehen, fällt uns in unserem Sozialstaat mitunter schwer. Ich erinnere mich an das Wort eines Elders der Kirche, als dieser hier vor etwa zwei Jahren auf Mission war: er sagte in etwa, bezogen auf meine Lebenssituation,  ob ich denn glaubte, daß Gott dies so wolle. Was er meinte, war: in was für einem Land lebst Du? Ihr werdet hier zwar alimentiert, doch sonst habt ihr nicht viel. Natürlich bezog sich seine Bemerkung auch darauf, daß ich mich der Kirche anschließen sollte, um dort im Umfeld einer neuen Gemeinschaft auch mein Potential einzubringen, also in dem Sinne, es nicht (zwangsläufig) zu vergeuden.

Und um noch einmal zur Frage der Prop. 8 zu kommen: natürlich gilt für die LDS-Kirche das Gebot der Zurückhaltung, wenn es um politische Entscheidungsprozesse bzw. Wahlen oder Plebiszite geht. Nur, wie scharf und präzise will oder kann man diese Trennlinie ziehen? Wenn Leute, die Mitglieder der LDS-Kirche sind, und andererseits aber auch Staatsbürger und Wähler wie andere auch, dazu neigen, Gelder zu spenden, kann dies nicht verwerflich sein. Wenn diese Kirche ihre Organisationsstruktur dazu benutzt, verstärkt auf ihre Mitglieder einzuwirken, um ein bestimmtes Abstimmungsverhalten zu erzielen, ist dies unter dem Aspekt des Neutralitätsgebotes sicherlich bedenklich. Betrachtet man auf der anderen Seite jedoch einmal, welchen politischen und gesellschaftlichen Einfluß die multinational agierenden Großkonzerne (zahlen sie adäquate Steuern?)  haben, und welche auf Kosten der Natur und Umwelt gehende Kapitalinteressen damit verbunden sind, würde ich mir um die LDS-Kirche nicht mehr so große Gedanken machen. Hier sind meiner Meinung nach die Relationen etwas verschoben.

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