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zum Thema freimaurer
Seite erstellt am 28.3.24 um 14:28 Uhr
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der Beitrag:
Verfasser: James
Datum: Mittwoch, den 19. Dezember 2001, um 11:29 Uhr
Betrifft: Mormonen, Sekte und ...

Widerspruch.

Thomas schrieb u.a.:

>Mich beschaeftigt noch eine andere Frage, die ich an alle hier richte. Koennte es sein, dass man hier etwas ueberempfindlich darauf reagiert was Sekte sein koennte, weil schliesslich viele frueher durch die LDS-Sekte traumatisiert worden sind. Diese Frage ist keine boese Kritik! Es ist eine ganz einfach eine Frage betreffs Psycholgie betreffs denen die Schlimmes in Sekten erfahren haben.

Nach meiner Erfahrung hier und anderswo denke ich nicht, daß "hier" etwas "überempfindlich" auf das reagiert wird, "was Sekte sein könnte." Mal von gelegentlichen, aber seltenen, Mormonen abgesehen, die meinen zu diesem Thema einen wertvollen Beitrag leisten zu müssen. Denke den meißten Teilnehmern des Forums ist es recht egal, ob die Mormonen eine Kult, eine Sekte, oder was auch immer sind. Allein schon deshalb, weil beide Begriffe, insbesondere der der Sekte, recht abgegriffen sind und oft nicht sauber definiert und dementsprechend angewandt wird. Anders ausgedrückt: Der "Inhalt" zählt, nicht des Kindes Namen oder der Begriff den man dem Kind überstülpen will.

Insb. die "etablierte" Religionsgemeinschaft betrachtet stets ihre "Abkömmlinge" (die Gemeinschaft und/oder deren Mitglieder, zu Anfangs ja in aller Regele "Abtrünnige" und Häretiker) als "Abgespaltene" oder Anhänger, daher "Sekte" oder Sektierer. Die frühe "christliche" Gemeinde war zu ihrer Zeit nichts anderes wie eine "jüdische Sekte." Eine eschatologische "Sekte." Wobei das "Judentum" als solche  in sich ja bereits verschiedene Fraktionen aufwies. Dieses Spiel setzte sich im sog. "Christentum" bis zum heutigen Tag fort. Anders ausgedrückt: Im Grunde genommen tritt jede "Sekte" (ob Abspaltung, Reformation, Reorganisation oder Wiederherstellung) an, um die Sekte zu sein, die allen Sekten ein Ende bereiten will ... und trägt in sich schon wieder den Nährboden für die später folgenden "Sekten." Der Mormonismus bildet hier keine Ausnahme. Jede "Sekte" entwickelt sich entweder ins Nichts (in der Regel landet dann mal wieder ein weiterer "Gott" auf dem großen Friedhof der ausgestorbenen und von der Geschichte begrabenen Götter), verbleibt in der Obskurität oder entwickelt sich zu einer "etablierten" Religion, Glaubensgemeinschaft etc. Der Mormonismus hat hier eine deutliche Entwicklung gezeigt: Von der frühen Zeit ihres charismatischen Prophetenführers, einer relativ locker geführten "kleinen Gruppierung," hat sie sich zu einer effizienten und bürokratisch geführten, recht weltweiten Glaubensgemeinschaft entwickelt. In frühen Zeiten eine "kreative", sich immer wieder, in ihren Lehren, Grundsätzen etc., ändernde "Gruppierung" (auf apologetisch: sich durch fortlaufende Offenbarung sich ständig "wiederherstellend"), in der heutigen Zeit eine riesige Administration (für die US-Verhältnissen des Westens, ein "mormonisches Imperium") Administration in all ihrer Schwerfälligkeit. Weniger beflissen der Innovation (eine Verkündung über das triviale "Piercing" und Tattoos wird von so machen Mormonen als neuste Verlautbarung, sogar hier und da als "Offenbarung" der Kirchenführung betrachtet), sondern mehr mit ihrer Struktur und Verwaltungsakte, dem "Schutze der Evangeliumswahrheiten" sich widmend. Der Mormonismus von z.B. Nauvoo ist ein anderer wie der heutige. Nur das viele Mormonen es nicht gemerkt haben. Es i.a.R auch nicht wissen wollen.

Nebenbei bemerkt, eine interessante Qualifizierung darüber, was eine "Sekte" ist, nimmt Rodney Stark vor. Genau der Stark, den Mormonen gelegentlich ganz gerne zitieren (oft genug hier oder in der Mailliste) um zu verkünden wie toll das Wachstum des Mormonismus prognostiziert wird um schließlich zu einer "Weltreligion" zu mutieren (sieh z.B. Rodney Stark, The Rise of a New World Faith, in: Review of Religious Research 26 (September 1984), S.18-27). Was sie nicht zitieren, i.a.R. wohl auch nicht wissen, da der typische Mormone von "Inzuchtinformationen" buchstäblich "lebt" bzw. "glaubt." Er übernimmt diese aus Kirchenkreisen, erforscht sie nicht kritisch selbst. Stark nimmt z.B. als Maßstab, ob eine Gruppierung eine "Sekte" ist, das Maß der Spannung zwischen Gruppierung und der restlichen Gesellschaft an. Diese wäre sogar empirisch meßbar. Sekten würde sich daher deutlich dadurch abheben, daß sie eine deutliche Spannung aufweisen, indem sie z.B. glauben, die "Moral in ihrem Land wäre ziemlich schlecht undf würde sich verschlechtern," wären z.B. gegen das Glückspiel, für die Zensur von Filmen und Büchern, wären damit beschäftigt ein möglichst "sündloses Leben zu führen." Sie glauben auch eher, daß "was sie in diesem Leben tun, ihr Schicksal im nächsten Leben bestimmt." (Rodney Stark & William Sims Bainbridge, The Future of Religion: Secularization, Revival, and Cult Formation, Berkeley, 1985.1985, S. 53). Nach diesem Maßstab qualifiziert sich der Mormonismus deutlich als "Sekte."

Es sei auch daran erinnert, daß z.B. das NT den Begriff "hairesis" (gr., dt. "Häresie", Irrlehre, abweichende Lehrmeinung, Gruppe, eigentlich nachfolgen, sich entscheiden für etc.) benutzt, um "Gruppen" im Judentum zu beschreiben (Apg. 5:17, "Gruppe der Sadduzäer", z.B. Einheitsüb.; 15:5, plötzlich "Kreis der Pharisäer", in 24:5 plötzlich "der Nasoräersekte", obwohl stets dasselbe Wort im Orignial. In engl. King James Versionen übrigens stets "sects." In 26:5 heißt es dann wieder ganz anders über die Pharisäer: "... nach der strengsten Richtung unserer Religion ..." In 28:22 wird Paulus dann von den "führenden Männern der Juden" nach seiner neuen Glaubensrichtung gefragt, "denn von dieser Sekte ist uns bekannt ..." Also keine einheitliche Linie.

Interessant ist natürlich auch wie die HLT "Heiligen Schriften" damit umgehen. In Joseph Smiths Lebensgeschichte, Vers 5 schreibt Smith von den Sekten (engl. sects) "in jener Gegend" (seiner Wohngegenmd z.Zt. der sog. "Ersten Vision." In dt. Übersetzung ist die Schreibe von "Glaubensgemeinschafte." Bezeichnet die Methodisten als "the Methodist sect" (V.8, dt. "den Methodisten" ... die Wegfallübersetzungsmethode ... merkt eh keiner). Da Mormonen glauben Lehre und Bündnisse wären "Offenbarungen" Gottes, ist es also auch bemerkenswert (in vielerlei Hinsicht) zu sehen, daß z.B. von "sects, parties and denominations" (LuB 123:12, dt. "Glaubensgemeinschaften, Parteien und Konfessionen") die Schreibe ist. Kirchenübersetzungen im deutschen Sprachraum sind immer wieder spannend und amüsant zugleich. Oder es ist von einem "alte(n) sektiererische(n) Gedanken" die Schreibe (130:3).

Übrigens: 130:3 ist ein herrlicher Fall dessen, wie sich mormonische Lehre widerspricht. Aber bloß nicht weitersagen!!! Denn:

1) LuB 130:3: "Johannes 14:23: Das Kommen des Vaters und des Sohnes - in diesem Vers - ist ein persönliches Erscheinen, und die Vorstellung, daß der Vater und der Sohn im Herzen eines Menschen wohnen, ist ein sektiererischer Gedanke, der falsch ist."

2) Alma 34:6: "Und dies weiß ich, weil der Herr gesagt hat, er wohne nicht in unheiligen Tempeln, sondern er wohnt im Herzen der Rechtschaffenen; ja, und er hat auch gesagt, die Rechtschaffenen werden sich in seinem Reich hinsetzen und nie mehr weggehen; ihre Kleider aber werden durch das Blut des Lammes rein gemacht."

Amüsant natürlich auch, daß in der früheren Version des Tempelendowments, also prä-1990, der von Luzifer (Teufel) bezahlte Prediger noch vehement und voller Begeisterung Adam seine "falsche Lehre" verkündete (bevor er entsorgt wurde, und den seit 1990 endowmenten Mormonen unbekannt ist): "Glaubst Du an einen Gott, der ohne Körper, Teilen und Leidenschaft ist, der auf einem endlosen Thron sitzt, dessen Mittelpunkt überall und dessen Umfang nirgends ist; der das Universum ausfüllt, und doch so klein ist, um in deinem Herzen zu wohnen?"

Cheers, James

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