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Beitrag 4 von 4
zum Thema Verführung der Jugend
Seite erstellt am 23.4.24 um 20:46 Uhr
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der Beitrag:
Verfasser: James
Datum: Dienstag, den 14. August 2001, um 6:43 Uhr
Betrifft: Der Sinn

Jenn schrieb u.a.:

>Es ist einfach schrecklich, mit solchen Mitteln die Jugend "willig" für einen Glauben zu machen!!!! ... Sind die Mos so blind, das sie sich von solchem Mist einbalsamieren lassen? Ich meine, Mormonen sind ja zum größten Teil sehr gebildete Leute,...müssten somit eigentlich ihre eigene schwachsinnigkeit erkennen.

"Bildung" (wie immer man sie definiert) ist nicht unbedingt ein Gradmesser dafür, nicht (!) Massenbewegungen zu verfallen, sich anzuschließen etc. Genügend "gebildete" Menschen sind Vertreter der abstrusesten Ideen etc. Es ist ja auch nicht so, daß Massenbewegungen (die Kirche ist eine) nur das "Proletariat" etc. "ansprechen." Jeder Art von Mensch kann seine (!) Rolle in Massenbewegungen, Ideologien, Religionen etc. finden. Gut organisierte Bewegungen verstehen es sogar hervorragend, alle Menschen "anzusprechen". Die persönlichen Motive sind viel entscheidender. Selbst der Nationalsozialismus hatte seine "Intellektuellen", diese waren eher zu finden in "Elitepositionen" und Unterorganisationen, gemäß dem Motto: "Wes Brot ich es, des Lied ich sing." Man sollte sich immer wieder von der falschen Idee befreien, Massenbewegungen (ob Mormonismus oder was auch immer) seien lediglich das Sammelbecken der "Dummen" und "Minderbemittelten". Interessant ist dabei viel mehr zu beobachten, welche dynamischen Prozesse dabei ablaufen, es durchaus zeitweilige Tendenzen gibt, wo bestimmte Menschen sich besonders "angesprochen" fühlen, diesen ihren Part auch voller Begeisterung "spielen" und ihren Part erfüllen. Später durchaus von anderen abgelöst haben, quasi "wenn der Mohr seine Schuldigkeit getan hat."

Hauptbeweggrund für dem Mitläufer ist, also eher Gradmesser, das Maß seiner eigenen Enttäuschung. Vornehmlich über sich selbst. Eric Hoffer beschreibt in seinem "Der Fanatiker. Eine Pathologie des Parteigängers," Frankfurt a. M., 1999, den "wahren Gläubigen" (engl. "The True Believer. Thoughts on the Nature of Mass Movements," New York, 1951). Hoffer stellt die Frage, ob die sog. "Enttäuschten" leichter zu einer Lehre zu bekehren sind wie die Nichtenttäuschten. Ob sie eher zu glauben bereit sind:

>Pascal war der Meinung, daß man besonders geeignet sei, die Heilige Schrift zu verstehen, wenn man sich selbst hasse. Es gibt offenbar eine Beziehung zwischen der Unzufriedenheit mit sich selbst und der Leichgläubigkeit. Die Nötigung, dem wirklichen Ich zu entfliehen, ist in gleicher Weise die Nötigung, dem Rationalen und Offensichtlichen zu entfliehen. Die Ablehnung, uns selbst zu sehen, wie wir sind, mündet in einen Ekel vor Tatsachen und nüchterner Logik. ... Die Erlösung kann uns nur aus dem Mysteriösen, dem Wunderbaren kommen ... Sie wollen getäuscht sein. Was Stresemann von den Deutschen sagt, gilt von Enttäuschten allgemein: »(Sie) beten nicht nur um ihr tägliches Brot, sondern auch um ihre tägliche Illusion.« (Demiashkevich, Michael: The National Mind, New York, 1938, S.353). Es scheint die Regel zu sein, daß die, die keine Schwierigkeiten haben, sich selbst zu täuschen, sich auch leicht von anderen täuschen lassen. Es ist leicht, sie zu überreden und zu führen. (S.104)

Ein wichtiger Faktor der Massenbewegung ist die Gruppenbildung, Nachahmung und der Gehorsam:

>Die große Bürde des Enttäuschten ist das Bewußtsein seines kraftlosen, fehlerhaften Ich, und es ist seine größte Sehnsucht, sich von dieser Bürde zu befreien und ein neues Leben zu beginnen. Er versucht, diese Sehnsucht zu verwirklichen, indem er sich entweder eine neue Identität sucht oder damit anfängt, seine Individualität zu verwischen und zu tarnen. Zu beiden Zielen verhilft ihm die Nachahmung.
>Je weniger Befriedigung wir aus dem Ich-Selbst-Sein erhalten, desto größer ist unser Verlangen, wie andere zu sein. Und so sind wir eher dazu bereit, Menschen zu kopieren, die von uns verschieden sind, als solche, die uns fast gleich sind, eher solche, die wir bewundern, als solche, die wir verachten.
...
>Schließlich regt der Mangel an Selbstvertrauen, charakteristisch für den Enttäuschten, den Nachahmungstrieb sehr heftig an. Je mehr wir nämlich unserem Urteil und unserem Glück mißtrauen, desto eher sind wir bereit, dem Beispiel anderer zu folgen.
...
>Die Gläubigen sind leicht zu führen und zu formen, aber auch ebenso empfänglich für Fremdeinflüsse. Man hat den Eindruck, daß die total vereinheitlichte Gruppe leicht zu verführen und zu korrumpieren ist. Die Sprache der Massenbewegung fließt daher über von Ermahnungen nur ja keine fremden Vorbilder zu kopieren und »deren Abscheulichkeiten nachzuahmen«. Die Nachahmung von Außenseitern wird als Verrat und Abtrünnigkeit gebrandmarkt. ... Jedes Mittel wird dazu benutzt, den Gläubigen vom verkehr mit Nichtgläubigen abzuhalten. Einige ... gehen gar so weit, ihre Gefolgschaft in die Wildnis zu führen, damit der neue Lebensmodus sich ungestört aufprägen kann. (S.127ff.)

>Für alle Massenbewegungen ist der Gehorsam die erste Tugend. Sie setzen ihn mit den Glauben auf eine Stufe ... Menschen, deren Leben unschöpferisch und unsicher ist, scheinen eine größere Bereitschaft zum Gehorsam zu zeigen als Menschen, die sich selbst genügen und Selbstvertrauen besitzen. Den Enttäuschten bedeutet die Erlösung von der Verantwortlichkeit mehr als die Erlösung aus der Unfreiheit. Sie sind nur zu gern dazu bereit, ihre Unabhängigkeit gegen die Befreiung von der Last des Wollens, des Entscheidens und der Verantwortung für unvermeidliches Scheitern zu verschachern. Nur zu gern schwören sie der eigenen Lebensführung zugunsten derer ab, die planen, kommandieren und Verantwortung tragen wollen. Darüber hinaus ist ihnen die Unterwerfung aller unter einen Führer ein Schritt auf ihr Ideal der Gleichheit hin.
...
>Aus den Enttäuschten werden mit großer Wahrscheinlichkeit auch die standhaftesten Gefolgsleute.
...
>Die Enttäuschten folgen einem Führer weniger um des Glaubens willen, er führe sie in das gelobte Land, als vielmehr wegen ihres intuitiven Gefühls, daß er sie von ihrem unerwünschten Ich wegführen wird. (S. 148ff.)

Jenn weiter:

>ABER, man erkennt die Schwäche der Religion, wenn sie sich nur mit sozialistischen und diktatorischen Maßnahmen durchzusetzten versucht.......Gibt es nicht auch für so eine Glaubensrichtung andere überzeugende Elemente als allen zu raten die Augen zu verschliessen in dem sie durch "Gottes Mund" sprechen und wilde Prophezeihungen von sich geben (siehe:"der Herr wird dir.......") ??? Wo liegt der Sinn?

"Sinn" ist ja nicht dem Mitglied der eigenen Massenbewegung zu bilden, dazu zu bringen frei und unabhängig zu denken und zu handeln. Ganz im Gegenteil, sie reden zwar von "freier Entscheidung", lehren und züchten jedoch die Abhängigkeit. Dem Menschen wird lange genug vermittelt er sei ein "Sünder". Bei den "Sündern" muss laut Hoffer:

>"religiöser und revolutionärer Enthusiasmus ... oft als Refugium auf der Flucht vor einem schlechten Gewissen (dienen). Es ist der Sünder, wie auch der, gegen den gesündigt wurde, der "in der Massenbewegung einen Ausweg aus einem verunstalteten Leben findet" (S.70f.):
...
>Die Technik einer missionierenden Massenbewegung legt es darauf an, in ihrer Gefolgschaft die Stimmung und die Geistesverfassung eines reuigen Sünders wachzurufen. ... Eine wirksame Massenbewegung kultiviert den Gedanken an Sünde. ... Beichten und bereuen heißt hier die persönliche Welt und alles Eigenleben aufgeben, und die Erlösung erfolgt im Verlust des Ich an die heilige Einheit der Gemeinschaft. (S.71).

Und bei manchen Menschen klappt das eben wunderbar.

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