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Beitrag 1 von 4
zum Thema Verführung der Jugend
Seite erstellt am 29.3.24 um 11:52 Uhr
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der Beitrag:
Verfasser: James
Datum: Sonntag, den 12. August 2001, um 14:06 Uhr
Betrifft: Verführung der Jugend

Ich versichere an Eides statt: Die folgenden Zitate sind tatsächlichen Quellen entnommen, es handelt sich um keinen Witz.

Schreibt doch Mitglied der sog. "Ersten Präsidentschaft" Thomas L. Monson (seines Zeichens Prophet, Seher und Offenbarer) tatsächlich in der "Botschaft der Ersten Präsidentschaft" (engl. First Presidency Message. The Lighthouse of the Lord: A Message to the Youth of the Church, Ensign, Feb. 2001, S. 2ff., dt. Übersetzung in: Liahona, Mai 2001, Das Licht des Herrn - wie ein Leuchtturm. An die jungen Mitglieder der Kirche, S. 3ff.:

>"Drittens: Lebt gemäss eurem Glauben.

>Bei aller Unsicherheit, die euer Alter mit sich bringt, bei allen Gewissenskonflikten und allen Problemen des täglichen Lebens wird der unerschütterliche Glaube für euch zum Anker.
>...
>Denkt daran, dass Glauben und Zweifel nicht zur gleichen Zeit in euch Raum haben. Das eine wird immer das andere verdrängen. Sollten in euch jemals Zweifel aufkommen, dann weist diese skeptischen, störenden, aufrührerischen Gedanken einfach an: „Ich schlage vor, bei meinem Glauben zu bleiben, beim Glauben meines Volkes. Ich weiß, dass dort Glück und Zufriedenheit zu finden sind, und ich verbiete euch agnostischen Zweifeln, das Haus meines Glaubens niederzureißen. Ich gebe zu, dass ich die Schöpfung nicht verstehe, aber ich akzeptiere, dass es sie gibt. Ich gestehe, dass ich die in der Bibel geschilderten Wunder nicht erklären kann, und ich versuche es auch gar nicht, aber ich erkenne Gottes Wort an. Ich war nicht bei Joseph Smith, aber ich glaube ihm. Mein Glaube ist mir nicht aufgrund wissenschaftlicher Forschung zuteil geworden, und ich werde es nicht zulassen, dass er von sogenannter wissenschaftlicher Forschung zerstört wird.“

>Mögt ihr immer gemäß eurem Glauben leben.

>Wenn ihr, meine lieben jungen Freunde, eure Freunde sorgfältig auswählt, eure Zukunft mit Bedacht plant und gemäß eurem Glauben lebt, verdient ihr, dass der Heilige Geist mit euch ist. Dann seid ihr „vom Glanz der Hoffnung erfüllt.“ Dann könnt ihr aufgrund eurer eigenen Erfahrungen bezeugen, dass die folgende Verheißung des Herrn wahr ist: „Ich, der Herr, bin barmherzig und gnädig zu denen, die mich fürchten, und es freut mich, die zu ehren, die mir in Rechtschaffenheit und Wahrheit bis ans Ende dienen. Groß wird ihr Lohn sein und ewig ihre Herrlichkeit." (LuB 76:5f.)

Schlichtweg pervers und primitiv. Ein Mitglied der Führung der Kirche erläutert in einer offiziellen "Botschaft" an die "jungen Menschen der Kirche", wie sie mit Zweifeln umzugehen haben.

Monson gibt vor, warnt und zum Schluß kommt die Wenn-dann Drohung. Der Jugend der Kirche wird vermittelt, daß sie ihr Gehirn abzuschalten haben. Der Idealzustand wird vorgegeben:

>"unerschütterliche Glaube."

Dieser tritt ein, wenn:

>eure Freunde sorgfältig auswählt, eure Zukunft mit Bedacht plant und gemäß eurem Glauben lebt,

dann

>verdient ihr, dass der Heilige Geist mit euch ist.

"Verdient"! Erlebt man diesen "Glanz der Hoffnung“ nicht ... so ist man selbst Schuld. Und damit das Ganze den rechten Nachdruck hat, wird noch ein bißchen mit dem Schürhaken der Angst nachgestochert:

>"„Ich, der Herr, bin barmherzig und gnädig zu denen, die mich fürchten ...

Furcht ... egal wie man es apologetisch dreht und wendet ... es bleibt Furcht.

Die eigentlich Perversion ist die Anempfehlung wie mit Zweifeln umgegangen werden soll:

>"Sollten in euch jemals Zweifel aufkommen, dann weist diese skeptischen, störenden, aufrührerischen Gedanken einfach an:

Zweifel = skeptisch, störend, aufrührerisch!

Der konkrete Umgang damit (die mormonische gedankliche Exorzismus):

>„Ich schlage vor, bei meinem Glauben zu bleiben, beim Glauben meines Volkes.

Anders ausgedrückt. Wer nicht (!) bei seinem Volk bleibt, dessen "Glauben" ablegt ist ... ein Verräter an Volk und Glauben. Solche Sätze in diesem Land zu lesen ist erschreckend.

Der weitere Umgang wie folgt:

>"Ich weiß, dass dort Glück und Zufriedenheit zu finden sind, und ich verbiete euch agnostischen Zweifeln, das Haus meines Glaubens niederzureißen.

Diese Zweifel sind "agnostisch"! Mit welcher Begründung Zweifel agnostisch sein sollen, wird nicht erklärt.

>"Ich gebe zu, dass ich die Schöpfung nicht verstehe, aber ich akzeptiere, dass es sie gibt. Ich gestehe, dass ich die in der Bibel geschilderten Wunder nicht erklären kann, und ich versuche es auch gar nicht, aber ich erkenne Gottes Wort an.

Ich "versuche es auch gar nicht, aber ich erkenne Gottes Wort an." Man versucht es erst gar nicht? Wäre der Umkehrschluß, daß wer es doch "versucht", auch nicht konsequenterweise an "Wort Gottes anerkennen" kann?

Dann folgt die abolute Perversion, die Verdrehung von Tatsachen, der Versuch aus schwarz einfach weiss zu machen:

>"Ich war nicht bei Joseph Smith, aber ich glaube ihm. Mein Glaube ist mir nicht aufgrund wissenschaftlicher Forschung zuteil geworden, und ich werde es nicht zulassen, dass er von sogenannter wissenschaftlicher Forschung zerstört wird.“

"Sogenannter wissenschaftlicher Forschung." Unglaublich. Zweifel werden im Kontext von "sogenannter wissenschaftlicher Forschung" gesetzt. Nirgends definiert Monson "wissenschaftliche Forschung" ist. Fragen, Zweifel und wissenschaftliche Forschung sind untrennbar miteinander verbunden. Dies heißt nach Monsonischen Verständnis, daß jegliche "wissenschaftliche" Forschung zu einem wahren "Zeugnis" führt. Anmaßend und Schwachsinn. Schlicht eine Verlogenheit. Der Jugend solche "Lehren" vorzukauen ist geistiger Mißbrauch allererster Güte.

Es ist zutiefst erschreckend in diesem Land, nach real gelebtem Sozialismus und Nationalsozialismus solch primitive Indoktrination lesen zu müssen. Eine ganze Jugend wird damt erzogen, keine Frage zu stellen, keine Zweifel zu haben, ganz zu schweigen zu "erleben", tue einfach so, als das sie gar nicht vorhanden sind. "Treibe sie aus", verleugne sie. Mantraartig, ganz artig, rede man sich selbst ein: "Ich weiß, die Kirche ist wahr."

Wie folgerichtig unsinnig Monson daher redet ist ein anderes Thema: Wenn wohlfundierter Glauben vorhanden ist, wie soll dieser von unwissenschaftlichen Zweifeln und Forschung sich erschüttern lassen? Gibt der Geist nicht auch nach (!) möglichen Zweifeln und unwissenschaftlicher Forschung trotzdem "Zeugnis?"

Ich habe schon über Jahre nicht eine solch primitive Angstmache vor dem wissenschaftlichen Fragen erlebt.

Aber trotzdem bleibt zum Schluß Hoffnung: Denn Monson und Konsorten selbst müssen höllische Angst um ihre Kirchenlämmer haben, daß deren Milchnahrung unzureichend ist, die Jugend geistig unterernährt ist, deren "Zeugnisse" nicht ausreichend zementiert sind. Warum sonst der "gute Rat?" Warum sonst das vorgegebene Ritual ("Ich verbiete euch agnostischen Zweifeln ...") der "Selbstgehirnwäsche?"

Und so wird man junge Mormonen erleben, wie sie abwechselnd ständig ein Kirchenlied summen, pfeifen oder singen (um laut Boyd Packer Methode die "unreinen Gedanken" von der sexuellen Gedankenbühne zu vertreiben) und den rechten Arm, angewinkelt emporstreckend (gerade ausstreckend wäre durchaus auch passend) und leiernd: "Ich verbiete euch agnostischen Zweifeln ..." (entsprechend der neuen Monson Methode).

Monsons Methode ist natürlich systemimmanent. Sie gehört zum Mormonismus wie die Hose zum Hemd. Eric Hoffer beschreibt diese Erscheinung mustergültig in seinem "Der Fanatiker. Eine Pathologie des Parteigängers," Frankfurt a. M., 1999 (engl. "The True Believer. Thoughts on the Nature of Mass Movements, New York, 1951. Dort:

>"Die Tatsachen, auf denen der Fanatiker (engl. true believer) seine Schlüsse aufbaut, dürfen <b<nicht seiner eigenen Beobachtung und Erfahrung zu verdanken sein, sondern er muß sie der »Heiligen Schrift« entnehmen. »So fest sollen wir uns an das Wort halten, das uns die Schrift offenbart, daß ich, wenn alle Engel des Himmels zu mir herabstiegen, um mir anderes zu sagen, meine Augen schließen und meine Ohren verstopfen würde - sie verdienen weder gesehen noch gehört zu werden.« (Luther, Tischreden Nr. 168. Zitiert von Funck-Brentano, Frantz: Luther, London, 1939, S.237f.) Sich auf das Zeugnis der Sinne und des Verstandes zu verlassen ist Häresie und Verrat. Die Einsicht, wieviel Unglauben nötig ist, um Glauben nötig zu machen, ist erschreckend.
...
Die Fähigkeit des Fanatikers (engl. true believer’s), seine Augen zu verschließen und seine Ohren zu verstopfen gegenüber Tatsachen, die es nicht verdienen, daß man sie ansieht oder anhört, ist ihm eine Quelle unerreichter Kraft und Standhaftigkeit. Er läßt sich durch Gefahren nicht schrecken, von Hindernissen nicht entmutigen, von Widersprüchen nicht irremachen; denn er leugnet ihre Existenz.
...
Die Wirksamkeit einer Doktrin kommt nicht aus ihrem Inhalt, sondern aus ihrer Gewißheit. Keine Doktrin, so tief und sublim sie auch sein mag, kann wirksam werden, solange sie nicht als Verkörperung der einen und einzigen Wahrheit vorgestellt wird.
...
Es ist daher einleuchtend, daß eine Doktrin geglaubt werden muß und nicht verstanden sein will, wenn sie wirksam sein soll. Absolut gewiß sind wir nur da, wo wir nichts verstehen.
...
Die Frommen werden immer wieder gedrängt, die absolute Wahrheit mit dem Herzen zu suchen - aber nicht mit dem Verstand. »Es ist das Herz, das Gott erkennt, nicht die Vernunft.« (Pascal, Pensées, o.O., o.S.). Als Rudolf Hess 1934 die gesamte nationalsozialistische Partei vereidigte, ermahnte er seine Zuhörer: »Sucht Adolf Hitler nicht mit eurem Verstand, ihr alle werdet ihn mit der Kraft eures Herzens finden.« (Heiden, Konrad: Der Fuehrer, Boston, 1944, S.758). (Hoffer, ebd., S.99ff.)

So mancher lernt nichts aus der Geschichte.

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