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zum Thema „Katastrophe!“, ruft er, „Skandal!“
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der Beitrag:
Verfasser: lucky
Datum: Freitag, den 8. Juni 2001, um 5:12 Uhr
Betrifft: der ungekürzte Bericht

Süddeutsche Zeitung  vom 7.6.2001
Vom Fernsehen verweht
Der Behindertensport glaubte an Expansion – doch die Paralympics 2002 werden kaum übertragen
München – Neulich beim Festakt zum 50.Geburtstag ihrer Organisation im Hamburger Rathaus haben sich die Funktionäre des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS) noch so fühlen dürfen, als seien sie angekommen. Nicht mitten im Herzen der großen Sportgesellschaft zwar, aber immerhin auf einem Platz neben den Randsportarten Nichtbehinderter. Der Bundeskanzler war da und gratulierte, Hamburgs Bürgermeister ebenso, und 50 Journalisten aus dem ganzen Land, was in der offiziellen Pressemeldung auch gleich vermeldet wurde. Es gab ausreichend Lob für die Verbandsarbeit, von der gesellschaftlichen Bedeutung des DBS war die Rede und von wachsendem Interesse am Behindertensport in der Öffentlichkeit, das man auch bei den Paralympics im März 2002 in Salt Lake City spüren werde. Präsident Theodor Zühlsdorf war gerührt.
Jetzt aber gibt es wieder Grund zur Klage, und die Behindertensportler müssen feststellen, dass dieser Hauch von Expansion, den die Paralympics von Sydney im vergangenen Jahr entfachten, ganz schnell wieder verwehen kann. Aus Salt Lake City erreichte den DBS nämlich die Nachricht, dass die Fernsehgesellschaft ISP, die auch die Bilder von Olympia produziert, sich nicht überanstrengen will mit ihrem Engagement für den Behindertensport. Material für eine halbe Stunde Sendezeit will die Firma für internationale Käufer nur aufbereiten, was gerade die deutschen Abnehmer empfindlich trifft. Der DBS war stolz auf die Quoten bei den täglichen Über-tragungen der öffentlich-rechtlichen Anstalten aus Sydney und freute sich schon auf die Spiele in Utah. Für die hatten ARD und ZDF nämlich wieder täglich einstündige Sondersendungen versprochen und sogar in Aussicht gestellt, einige Entscheidungen zur besten Sendezeit am Abend zu bringen.
Daraus wird nun wohl nichts, weil „wenn keine Bilder da sind, kann man nichts senden“, wie Thomas Rugo erklärt. Rugo ist der Chef der Marketingagentur, mit der der DBS zusammenarbeitet, und schwer erbost. „Katastrophe!“, ruft er, „Skandal!“ Zühlsdorf beklagt „einen Schritt, der uns um Jahre zurückwirft“. DBS-Generalsekretär Dieter Keuther glaubt sogar: „Um zehn Jahre“, und findet das „sehr schmerzhaft.“
Dabei schien schon alles geregelt zu sein. Das Internationale Paralympische Komitee (IPC) hatte die New Yorker Agentur Wemedia geworben für ein längerfristiges Verhältnis; sie sollte auch die Fernsehbilder produzieren. Doch die Verhandlungen zwischen Wemedia und den Organisatoren der Salt-Lake-City-Spiele scheiterten, vermutlich weil Wemedia, spezialisiert auf Internet-Auftritte, sich von der TV-Aufbereitung der Spiele überfordert sah. Die Manager in der Mormonen-Stadt reichten die Rechte weiter an ISP, das mit den Paralympics nun keinen wirtschaftlichen Reinfall riskieren will.
Für die Behindertensportler ist das schlimm, es zehrt an ihrem Selbstbewusstsein und zeigt ihnen, dass sie doch noch nicht überall gleich geschätzt werden. Behindertensport ist kein einträgliches Geschäft. Politiker beschwören gerne seinen ideellen Wert, aber davon kann man sich nichts kaufen. Für Ausrichter und Sender sind die Paralympics meist immer noch ein aufwändiges Anhängsel. Seit 1988 ist es Gesetz, dass die Olympiastadt auch die Paralympia-Reisenden zu beherbergen hat. Salt Lake City gefiel das nicht, musste sich aber beugen. Und auch vor den Sydney-Spielen war schon sanfter Druck der Sportpolitik nötig, um Hostbroadcaster Channel4 zum nacholympischen Dienst zu bewegen.
Ganz freilich wollen sich die Verprellten noch nicht geschlagen geben. Ãœber die Medien will der DBS Druck machen, um doch noch etwas zu retten, und Athletensprecher Gunther Belitz appelliert an die Vereinigung der europäischen Sendeanstalten EBU: „Die ist jetzt gefragt, in eine eigene Berichterstattung zu investieren.“ Außerdem dürfte auch bald mal das IPC rege werden. Keuther hat bisher wenig gehört aus der Zentrale in Bonn und schimpft: „Die Schlafen den Schlaf der Gerechten. Oder die wollen das aussitzen.“ Gar nicht, antwortet die IPC-Medienbeauftragte Susanne Reiff: Es wird weiter verhandelt. Die IPC trägt die vage Hoffnung, dass sich Wemedia nochmal zurückgewinnen lässt. Susanne Reiff jedenfalls beruhigt: „Es ist nicht so, dass wir uns hinsetzen und traurige Mienen aufsetzen.“ Immerhin.

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