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Beitrag 31 von 51
zum Thema Gibt es einen Zoo hier?
Seite erstellt am 19.4.24 um 17:52 Uhr
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der Beitrag:
Verfasser: James
Datum: Sonntag, den 3. Juni 2001, um 7:32 Uhr
Betrifft: Die Ironie der Geschicht

Renate schrieb u.a.:

>Irgendwann wird auch Ignoranten wie Rainer König der Knopf aufgehen. Hoffen wie es zumindest.

Nun, fragt sich nur wann. Ich hoffe zumindest für Ihn, nicht erst wenn er fragend über seinem Handbuch Allgemeine Anweisungen brütet um festzustellen, daß in Fällen des Mißbrauches, er als Bischof die Rufnummer der Kirchen "Help-Line" (1-801-240-1911 oder 1-800-453-3860, Durchwahl 1911, kostenlos bei Anwahl aus USA oder Kanasa!)anrufen möchte, aber nicht kann. Hier kann er sich dann "Hilfe" holen. Gilt jedoch nur für die USA und Kanada. Also wird er wieder auflegen.

Handbuch (und wie auch bereits in einem Brief vom 10.05.1995 (US-Ausgabe), von der sog. "Präsidierenden Bischofschaft" den Kirchenführern, inkl. Bischöfen, mitgeteilt):

>"If one of these leaders becomes aware of physical or sexual abuse involving Church members, or if he believes that a person may have been abused or is at risk of being abused, he should call the Help Line. He will be able to consult with social services, legal, and other specialists who can help answer questions and formulate steps that should be taken. Outside the United States and Canada, stake presidents and bishops should call the Area Presidency for guidance. A bishop also should notify his stake president of instances of abuse."

Also wird er neu wählen und als deutscher Bischof die sog. "Gebietspräsidentschaft" anrufen, und zusätzlich seiner sog. "Pfahlpräsidentschaft" Meldung erstatten. Ich wünsche ihm, daß er sich mit solchen Fällen beschäftigen muß. Die statistische Wahrscheinlichkeit spricht jedoch dagegen, abhängig davon wie lange er als sog. "Bischof" berufen sein wird. Mit der Länge steigt auch die Wahrscheinlichkeit.

Ich gebe auch zu bedenken, daß so mancher der im "Werke des Herren berufen" wird, zumindest zu Anfang vor lauter Feuereifer über das Ziel hinausschießen. Mehr Unheil anrichten als ein "gutes Werk" verrichten. Ein Phänomen, welches ja schon Kirchengründer Joseph Smith bestens bekannt war und fürchtete:

"daß viele, deren Eifer größer war als ihre Erkenntnis und die reinen Grundsätze der Lehre der Kirche nicht begriffen, im Fieber ihrer Begeisterung vieles gelehrt und gesagt haben, was der echten Wesensart und den eigentlichen Grundsätzen der Kirche abträglich ist; ..." (Smith tut dieses Verhalten der Begeisterten sogar "herzlich leid" und er entschuldigt sich dafür. Siehe Lehren des Propheten Joseph Smith, 1983er Ausgabe, F.a.M, S. 82)

Dann sei mal auch nicht so hart mit dem jungen Bischof;-). Wenn er in diesem Punkt ignorant ist, dann wohl auf der gleichen Ebene wie sein Präsident, Prophet, Seher und Offenbarer. Dieser hatte es nämlich fertiggebracht seine Ignoranz zum Thema Mißbrauch der Öffentlichkeit zu bekunden. In bekannter unnachahmlicher Gordon B. Hinckley Art. In einem insgesamt dem Mormonen Hinckley gut gewogenen Interview, stellte Interviewer Mike Wallace (CBS "60 Minutes", 07.04.1996) diese Frage:

"Most Mormon women don’t want to be priests. They accept that men control the church and dominate Mormon society. And that has triggered complaints about how the Church handles child abuse. Child abuse is surely no greater than among non-Mormons (man beachte, ein fast identische Aussage wie die von Alex ... haste abgeschrieben Alter, wah?;-) ). But a study has found that many Mormon women who went to their clergymen for help believe the clergy were just not sympathetic. The sociologists tell us, at the root of the problem is the fact that men in effect in your church have authority over women, so that you clergymen tend to sympathize with the men, the abusers, instead of the abused."

Nun beachte man genau, daß Wallace ausdrücklich von einer Studie redet und anschließend von "den Soziologen". Plural.

Hinckleys Antwort:

"That’s one person’s opinion. I don’t think there’s any substance to it".

Zeigt, daß Hinckley offensichtlich nicht richtig zugehört hat (vorgefaßte Meinung) und keinen blaßen Schimmer von der Studie hatte, denn diesem war eben nicht die "Meinung einer Person." Sondern vierer Personen, nämlich der Autoren (samt und sonders Lehrkräfte an der kircheneigenen Brigham Young Universität) Karen Gerdes, Matha Beck, Sylvia Cowan-Hancock und Tracey Wilkinson von "Adult Survivors of Childhood Sexual Abuse: The Case of Mormon Women." Sollte Pflichtlektüre für mormonische Bischöfe sein. Allein der Erkenntnis wegen, daß von den befragten HLT-Frauen, sage und schreibe 69% der Frauen, die als Kinder mißbraucht worden waren, negative Erfahrungen mit ihren Bischöfen machten mußten, als sie dies später in Interviews mit dem Bischof berichteten. Weitere 14% wagten es nicht sich zu offenbaren (!) aus Angst sie selbst würden bestraft werden!

Ach, Hinckley antwortete ja noch weiter vor 20 Mio Zuschauern:

"Now, there’ll be a blip here, a blip there, a mistake here, a mistake there."

Ein "blip hier, ein blip da"? (blip im Sinne von ein "Aufleuchten hier, ein Aufleuchten da" wie ein Echoimpuls auf einem Bild- bzw. Radarschirm, oder aufleuchtendes Lichtsignal). Frage mich ernsthaft wie mißbrauchte Menschen sich fühlen, wenn ihr Erleben als "blip" unter den Teppich gekehrt wird. Es jedenfalls versucht wird.

Nun, seien wir auch nicht so hart mit Gordon. Er ist ja nur ein Mann. Und die sind halt anders. Und sehen die Dinge nun anders ... ob mit ohne visionären Blick.

Eine mormonische Frau, Chieko Okazaki, und ebenfalls Mitglied einer "Präsidentschaft", nämlich der sog. "Frauenhilfsvereinigung" (FHV, 1. Ratgeberin) brachte es nicht (!) fertig unverfroren in einer Ansprache von "blips" zu reden, siehe "Healing from Sexual Abuse: Eight Messages for Survivors, Family, and Leaders" (von 1993, auch deren Inhalt wohl unbekannt sein dürfte, sonst wäre die Rede von "blips" mehr wie unverfroren). Okazaki weiß eher was abgeht, verniedlicht und verdrängt nicht. Stellt sich der Wahrheit, wenn sie z.B. sagte:

"Sexual abuse is a problem for all of us, both men and women, whether we have experienced it personally or not."

Und dann wird Lady Okazaki knallhart, legt den Spiegel vor, aus dem es kein entrinnen geben kann (obacht, eine Mormonin spricht zu Mormonen!) Okazakio verweist darauf, daß man davon ausgehen kann, daß jede dritte Frau, und jeder zehnte Mann, sexuellen Mißbrauch erlebt:

"If you are a women, it means that you have a 33 percent chance ob being that women. If you’re a man, it means that your wife, your mother, or your daughter my be that woman. If you have three daughters, if you have three sisters, if you have three daughters-in-law, if you have three granddaughters, this terrible evil could have entered your family’s life, with or without your knowledge ..."

Mutige Frau! Mein Respekt. Aber sie war noch nicht fertig, dem "Priestertum" verschafft sie (versucht sie jedenfalls, überall ist die Botschaft ja nicht angekommen wie man merkt) ebenfalls einen neuen Blickwinkel (obacht Bischof König!):

"If you have worked in three elders’ quorum presidencies or bishoprics or stake presidencies, the statistical odds are that one of them bore this grievous, invisible wound."

Den Fangschuß gibt sie meiner Meinung nach, wenn sie fragt, was wohl "ein siebenjähriges Mädchen, Opfer eines Inzest, denkt, wenn sie das Lied (PV-Lied, m. Zusatz) hört, "Ich bin so froh wenn Vati nachhause kommt" (engl. I’m So Glad when Daddy Comes Home).

Aber nichts leichter als das, Okazakis Worte auch als eine "persönliche Meinung" und "ohne Substanz" zur Seite zu schieben. Grundlage gäbe die Einsicht von Joseph Smith, einem "Fehler, der dem Widersacher die Tür öffnet.":

"Frauen besitzen feinere Gefühle und Empfindungen, und deshalb neigen sie zu übergroßem Eifer, was immer die Gefahr in sich birgt und zu religiöser Unduldsamkeit führt; sie sollten sich vielmehr mit Barmherzigkeit wappnen, auch wenn es Übeltun unter uns gibt." (LPJS, S.242)

Ironischerweise aus einer Ansprache von Smith vor der FHV Nauvoo, am 26.05.1842. Es sei erinnert, daß seine eigene Frau, Emma, die Präsidentein der FHV war!

Bereits am 30.03.42 hatte Smith, ebenfalls vor den Frauen der FHV von sich gegeben, über das Thema Frauen:

"er lobte ihren Eifer, sagte aber auch, der Eifer gehe nicht immer mit der Erkenntnis konform. (ebd., S.206)"

Noch ironischer ist der "Hauptzweck" der FHV. Laut Smith:

"das Übeltun auszumerzen, und die Schwestern müßten bei den vorzunehmenden Prüfungen sehr sorgfältig vorgehen, sonst werde es ernste Konsequenzen geben."

Am allerironischsten wird es, wenn man hinterfragt, welches Übeltun ausgemerzt werden sollte, welche Prüfungen Smith im Sinn hat, und welche ernsten Konsequenzen den nicht "sorgfältigen" Schwestern auf den Fuß folgen sollten?

Auf die Spur bringt uns die Tatsache, daß nur 13 Tage vor seiner Rede vor der FHV (vom 30.3), Smith die FHV mit Emma gründete. Am 24.3., wieder auf einer FHV-Sitzung, machte Emma einen Vorstoß und klagte Mitschwester Clarissa Marvel an, "skandalöse Unwahrheiten über den Charakter von Präsident Joseph Smith" zu verbreiten. Der "Skandal" war, daß Smith den Deckel auf den HLTuntergrund nicht mehr halten konnte. Die ganze Wahrheit wurde langsam publik. Emma wollte Clarissa zur "Umkehr" bewegen. Wovon eigentlich? Emma hatte zu diesem Zeitpunkt noch immer keinen blassen Schimmer, daß ihr Ehemann bereits 9 polygame, genauer gesagt, polygyne Ehefrauen hatte. So sollten einige davon, so z.B. Louisa Beaman in besagten FHV-Sitzungen anwesend sein. Einige der Ladies wußte mehr wie die "Elect Lady." So wollte auch keine der Ladies die junge Clarissa im Auftrage von Emma zur Räson bringen. Wie auch? Am obigen 30.3. nun war Joseph Smith in der FHV anwesend. Überfüllte Räumlichkeiten, denn der Prophet war da ... oder weil, die Frauenschaft nun wissen wollte, was in Sachen Clarisse Marvel sich ergeben hatte. Hinter diesem Hintergrund erfolgten die obigen Worte von Smith:

"er lobte ihren Eifer, sagte aber auch, der Eifer gehe nicht immer mit der Erkenntnis konform. Der "Hauptzweck" der FHV. laut Smith (zur Erinnerung):

"das Übeltun auszumerzen, und die Schwestern müßten bei den vorzunehmenden Prüfungen sehr sorgfältig vorgehen, sonst werde es ernste Konsequenzen geben."

Elizabeth Durfee und Elizabeth Allred wurden bestimmt den Fall der Clarissa weiter zu untersuchen. Was Emma nicht wußte, war die Tatsache, daß beide Frauen sog. "Mütter in Israel" waren, in die "Grundsätze der Vielehe" von Smith eingeweihte Frauen, die im Auftrag von Smith anderen Frauen die "ewigen Grundsätze" der Vielehe vermittelten und gelegentlich auch Heiratsanträge (für Vielehen wohlgemerktI überbrachten. Emma machte sich vollends zum Trottel und wußte nichts davon. Wenig wußte sie, daß selbst ihre verwitwete Schwägerin Agnes Coolbrith Smith (Frau von verschieden Don Carlos Smith, Bruder von Joseph), auch schon längst mit ihrem Mann in Vielehe lebte. Arme Emma (als Einstieg zum Thema ist dringend "Mormon Enigma: Emma Hale Smith. Prophet’s Wife, "Elect Lady," Polygamy’s Foe", von Linda King Newell und Valeen Tippetts Avery, 1984, zu empfehlen und darauf aufbauend Todd Compton’s "In Sacred Loneliness. The Plural Wifes of Joseph Smith", 1997.) Und wenn man dann noch Lust hat, mit den neuen Erkenntnissen zum Schluße Lub 131 und 132.  You’ll never be the same again. Und nicht mehr ignorant.

Ach, mormonische Kirchengeschichte kann so spannend und unterhaltend sein.

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