Das Exmo-Diskussionsforum

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Verfasser: Gipfelstürmer
Datum: Freitag, den 6. Februar 2009, um 0:17 Uhr
Betrifft: Danke für Dein Posting

Lieber Björn,

vielen Dank für Deine freundlichen Zeilen, die ich sehr aufmerksam gelesen habe. Ich denke, ich könnte alle Deine Ausführungen über Jesus, seine Rolle, den Heiligen Geist und die Bedeutung der Gnade vorbehaltlos unterschreiben. Die Sicht, die in Deinem Text z. T. über die HLT-Kirche zum Ausdruck kommt, ist jedoch nicht meine Sicht. Darüber, wie ich die Position meiner Religion im Hinblick auf die „Entwicklungsstufen“ Jesu verstehe, hatte ich mich ja schon vor einiger Zeit geäußert. Den Bezug zwischen dem Vorfall in Lukas 9: 49-50 („Wehrt nicht! Denn wer nicht gegen euch ist, ist für euch“) und der Ablehnung einer „allein seligmachenden Kirche“ verstehe ich zwar nicht ganz. Aber ich halte meine Glaubensgemeinschaft auch nicht für die „allein seligmachende Kirche“. Denn eine Kirche kann nicht selig machen. Nur Jesus kann das. Eine Kirche kann mich nur dabei unterstützen, mich Jesus zu nähern. Sie ist ein Mittel zum Zweck, kein Selbstzweck.

Du schreibst, dass ich der einzige Dir bekannte Mormone wäre, mit dem man „vernünftig diskutieren kann“. Das war ein schönes Kompliment. Auch wenn Du schreibst, dass ich nicht in das „Schema“ der HLT-Kirche passen würde. Ich habe eine andere Auffassung. Wenn es in diesem Zusammenhang überhaupt ein Schema gibt, so sehe ich mich in der Mitte dieses Schemas. Douglas Davies, Bischof der anglikanischen Kirche, Professor an der University of Durham und weltweit anerkannter Experte im Bereich des Mormonismus hat in seinem Buch „An Introduction to Mormonism“ auf Seite 2 Folgendes geschrieben: „The [first] vision offering its own direct appeal to religious experience and the plan opening doors to deeper reflection by dedicated church members.“ Er beschreibt damit aus seiner Sicht den Kern meiner Religion: Alles begann mit dem Gebet eines Jugendlichen – seitdem besteht ein wesentliches Merkmal einer überzeugten und aktiven Mitgliedschaft in der HLT-Kirche darin, Gott im Gebet direkt anzusprechen und um Antworten zu bitten. Dazu muss man einigermaßen offen und kritisch sein.

Ich kann mir vorstellen, dass vielen Ex-Mormonen bei den letzten zwei Sätzen die Galle hochkommt – und ich verstehe das. In der Geschichte meiner Religion ist Vieles schief gelaufen. In diesem Forum wird natürlich die allerdunkelste Seite hervorgehoben und aus der subjektiven Sicht von Menschen dargestellt, deren Verhältnis zur HLT-Kirche offenkundig nicht ganz unbelastet ist (um es vorsichtig auszudrücken). Das ist völlig okay – deswegen gibt es das Forum ja. Aber wie gesagt muss ich zugestehen, dass man als Mitglied meiner Glaubensgemeinschaft tatsächlich einige Kröten schlucken muss - unabhängig von einseitig negativen Darstellungen (damit meine ich um Himmels Willen nicht pauschal alle kritischen Äußerungen in diesem Forum, denn Vieles ist aus meiner Sicht auch völlig angemessen und sachlich). In dieser Angelegenheit halte ich es mit Lee Strobel, einem bekannten evangelikalen Prediger. In seinem Buch „Warum? Wie kann ein liebender Gott Leid zulassen?“ schreibt er darüber, dass Gott uns in vielen Lebensbereichen gerade so viele Hinweise gibt, dass wir die Antworten auf unsere Fragen finden können, wenn wir danach suchen. Von alleine springen sie uns nicht an. Mit der HLT-Kirche ist es aus meiner Sicht ähnlich. Was man über sie liest und hört, wirkt nicht immer sehr anziehend. Das Wertvolle dieser Religion springt einem in Anbetracht der rassistischer Äußerungen von Brigham Young, der Einführung der Vielehe durch Joseph Smith oder des Mountain Meadows Massacres nicht gerade ins Gesicht. Aber es gibt für mich dort immer noch genügend Hinweise darauf, dass mich ein Engagement in dieser Kirche dem Jesus näher bringt, dem ich mein Leben gewidmet habe. Sobald ich bei meiner Auseinandersetzung mit religiösen Fragen, bei meinen Gebeten und bei meinem Studium der Bibel das sichere Gefühl habe, dass ich in der HLT-Kirche fehl am Platz bin, bin ich draußen. Das habe ich aber nicht – im Gegenteil. Ich besuche sehr gerne und recht oft andere christliche Gottesdienste und habe in meinem Bekannten- und Freundeskreis viele engagierte Christen anderer Konfessionen. Vieles von dem, was ich v.a. in der lutherischen Kirche mitbekomme, beobachte ich neidvoll und wünsche mir, dass sich meine Religion dort etwas mehr „abschauen“ würde (ich kann darauf gerne irgendwann mal eingehen). Aber dennoch hat meine Glaubensgemeinschaft durch das Eingebundensein in das Gemeindeleben, die Lebensnähe der sonntäglichen Klassen und Ansprachen, der ständigen Notwendigkeit, seine eigene Überzeugung im Angesicht von kritischen Einwänden und Vorurteilen zu hinterfragen, … etwas, das ich nirgendwo anders gefunden habe. Ich kann nur sagen, dass ich aus vollstem Herzen an Jesus glaube und ihn als meinen Erlöser angenommen habe. Die Bibel lese ich regelmäßig und intensiv. Mein Glaube an Jesus wäre ohne die HLT-Kirche möglicherweise ein weniger gut durchdachter und er wäre vielleicht weniger durch Phasen des Zweifelns und des Findens unerwarteter Antworten geformt worden. Mormone zu sein ist echt nicht leicht – man kriegt ständig eins auf die Mütze. Aber ich werde die Sache nicht aufgeben, nur weil ein Leben außerhalb meiner Religion bequemer erscheint und man dann nicht ständig gegen Vorurteile ankämpfen muss . Es müsste wie gesagt ein deutliches Gefühl kommen, dass Gott mich dort nicht haben will.

Ich freue mich jedenfalls, Dich als Diskussionspartner in diesem Forum zu haben. Deine Beiträge erachte ich als ausgewogen, gut durchdacht und respektvoll.

Vielen Dank nochmal für Dein Posting und viele Grüße

Gipfelstürmer

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