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Verfasser: Gipfelstürmer
Datum: Freitag, den 9. Januar 2009, um 17:32 Uhr
Betrifft: Nachfragen

Hallo zusammen!

Ich danke Euch für Eure Antworten. Aus Euren Rückmeldungen habe ich folgende Aussagen herausgelesen: Es gibt keinen vorgezeichneten Pfad, denn viele Wege führen nach Rom. Wichtig ist die eigene Intuition. Individuelle Entscheidungen im Hinblick auf den einzuschlagenden Pfad stehen gleichrangig nebeneinander. Was für einen Menschen gut ist, muss nicht ebenso gut für den anderen sein. Manche dieser Wege sind durch bestimmte „Erkenntnisstufen“ beschreibbar: Man begreift die Grenzen seiner bisherigen Glaubenswelt, entfernt sich von ihr, nimmt die identifizierten Schwachstellen auch bei anderen Wertegemeinschaften wahr, durchschaut die „Korruption“ hinter bestimmten Systemen, entwickelt eine Abneigung dagegen, erklimmt ein höheres Niveau der Reife und erreicht einen bislang unbekannten Grad der persönlichen Freiheit – ohne die Zwänge einer religiösen Konfession und mit einer unverbindlichen Offenheit für vielseitige Erfahrungen.

Ich kann die meisten Eurer Antworten gut nachvollziehen. In ihnen kommt weitgehend Toleranz und Wertfreiheit zum Ausdruck. Dennoch bleiben bei mir einige Fragen offen: Sind auch Wege akzeptabel, die durch andere Meilensteine gekennzeichnet sind als die eben erwähnten? Und haben sie auch Toleranz verdient? Oder ist Wertfreiheit nur dann angesagt, wenn die Erkenntnisse des anderen mit meinen eigenen kompatibel sind? Was ist, wenn die Wege eines Menschen nicht weg, sondern hin zu einer Glaubensgemeinschaft führen, in der es möglicherweise viele Ungereimtheiten gibt? Verliert er dann jeglichen Anspruch, ernst genommen zu werden? In dem Buch „What Did Jesus Really Say?“ wird das evangelikale Christentum nach Strich und Faden auseinandergenommen. Der Autor Peter Cayce spricht der Bibel auf der Grundlage überzeugender wissenschaftlicher Argumente jegliche Glaubwürdigkeit als Wort Gottes ab. Wie ist vor diesem Hintergrund die Bekehrung von Billy Graham (einer der einflussreichsten Christen des 20. Jahrhunderts) einzustufen, die Lee Strobel in seinem Buch „Warum? Wie kann ein liebender Gott Leid zulassen?“ beschreibt. Graham hatte sich intensiv mit den kritischen Fragen seines Freundes Charles Templeton auseinandergesetzt. Tief beunruhigt schnappte er sich seine Bibel, fiel auf die Knie und bekannte, dass er auf sehr viele Fragen, die von Templeton und anderen gestellt wurden, keine Antworten hatte: „Ich versuchte, mit Gott im Reinen zu sein, aber da war etwas, das unausgesprochen blieb … Schließlich machte mich der Heilige Geist frei, es auszusprechen: ‚Vater, ich nehme das hier an als Dein Wort – im Glauben! Ich lasse mich darauf ein, dass mein Glaube über meine intellektuellen Fragen und Zweifel hinausgeht, und ich glaube es als das von dir gegebene Wort.‘“

Hat sich Graham damit als ernst zu nehmender „fellow Seeker of truth“ selbst disqualifiziert, weil ihn seine „unvernünftigen“ Erfahrungen hin zur Bibel, hin zu Jesus und hin zu einer bestimmten Glaubensrichtung führten? Sind die Grenzen der Toleranz an diesem Punkt erreicht? Darf man selbst bar jeder Vernunft an Samsara, an Göttinnen, an Atman mit Brahman, an die heilende Kraft von Edelsteinen, an Waldgeister oder eine idealisierte Philosophie glauben, aber sich keinesfalls von einer „heiligen Schrift“ inspirieren lassen oder sich gar mit einer konkreten Religionsgemeinschaft identifizieren? Darf man laut aufschreien und rufen: „Moment mal, meine eigenen (unbewiesenen) spirituellen Ansichten sind Ausdruck meiner geistigen Reife, meines tiefgründigen Intellekts oder meiner sensiblen Empfänglichkeit für Eingebungen von ‚oben‘. Deine Überzeugungen sind hingegen das Ergebnis von Naivität, Einfältigkeit oder Gehirnwäsche. Denn Du identifizierst Dich zu einer bestimmten Konfession, deren Korruption jeder Mensch erkennen muss, der auch nur einen Funken Verstand in sich hat.“ Bin ich deswegen deutlich besser als Kain, weil ich gar keinen leiblichen Bruder habe, sondern nur eine Schwester? Oder steht es mir als Außenstehender (mit eigenen „Spinnereien“ im Kopf) vielleicht überhaupt nicht zu, die persönlichen Erlebnisse eines anderen Menschen abzuqualifizieren? Kann man noch von Wertfreiheit sprechen, wenn ich aus meinen eigenen Einsichten Maßstäbe ableite, anhand derer ich die Wege des anderen beurteile? Darf ich implizieren, dass meine eigenen spirituellen Erkenntnisse „besser“, „ausgewogener“, „objektiver“ oder „vernünftiger“ sind, indem ich die Überzeugungen anderer gering schätze oder sogar ins Lächerliche ziehe? Gibt es hierfür Beurteilungskriterien, die außerhalb meiner eigenen Person liegen? Wenn ja, welche Instanz ist berechtigt, diese Kriterien aufzustellen? Und wer oder was erteilt wiederum dieser Instanz ihre Autorität?

Vielleicht versteht ja jemand von Euch meine Gedankengänge und möchte sich dazu äußern.

Viele Grüße

Gipfelstürmer

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