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zum Thema die Fundis in Utah;-)
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Verfasser: Gunar
Datum: Dienstag, den 15. Mai 2001, um 20:17 Uhr
Betrifft: Fünf Frauen, 29 Kinder und ein großes Mundwerk

Süddeutsche Zeitung
Mittwoch, 16.5.2001

Fünf Frauen, 29 Kinder und ein großes Mundwerk

Im US-Staat Utah ist ein Mormone der Vielweiberei angeklagt – in Talkshows hatte er seinen Lebensstil zu laut gepriesen

Von Wolfgang Koydl

Washington – Wie ein Herzen brechender Casanova sieht Tom Green eigentlich nicht aus. Mit der dicken Hornbrille und dem rotblonden Vollbart wirkt er eher wie der Rabbiner einer orthodoxen Gemeinde, und Green würde sich vermutlich auch selbst nicht als Schwerenöter, sondern als treu sorgender Ehemann und Vater bezeichnen. Im Grunde genommen ist er das auch, nur dass der 52-Jährige eben fünf Ehefrauen und 29 Kinder hat.

Deswegen steht der 52-jährige Mormone jetzt in seinem Heimatstaat Utah vor Gericht. Die Anklage lautet auf Vielweiberei, und die ist seit mehr als hundert Jahren auch den Mitgliedern der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage verboten – jedenfalls offiziell. Inoffiziell soll es im Westen der USA weiterhin 30000 Männer geben, die mit mehr als einer Frau verheiratet sind. Es wurde nur nicht darüber geredet.

„In Utah war dies seit 50 Jahren ein ungeschriebenes Gesetz“, sagt Green. „Du tust, als ob es dich nicht gibt, und wir geben vor, dass du nicht existierst.“ Mit anderen Worten: Die Vielehe wurde – vor allem in Utah und Arizona – stillschweigend toleriert, solange die Familien nicht auf sich aufmerksam machten. Tatsächlich ist es gut fünf Jahrzehnte her, dass zum letzten Mal ein Mann wegen Polygamie vor Gericht stand. Bis in die 50-er Jahre gab es immer wieder Prozesse wegen Vielweiberei.

Green meint denn auch, dass ihm weniger sein Lebenswandel, den er als gottgewollt und gottgefällig betrachtet, zum Verhängnis wurde als sein großes Mundwerk. „Wenn du den Kopf aus dem Loch steckt, dann wird ihn die Regierung wegschießen“, meinte er. „Der Staat will die ganze Sache zurück in den Untergrund drängen, wo sie bleiben soll.“

In nicht weniger als vier landesweit ausgestrahlten Fernseh-Talkshows outete sich Green, der in dem verschlafenen Nest Trout Creek in Utah lebt, als Polygamist. Sogar bei Schmuddelpapst Jerry Springer trat er auf – dieser lotet Tag für Tag mit Themen wie „Ich schlafe mit meinem Sohn“ oder „Teralina muss sich entscheiden – Sex oder Essen“ immer neue Abgründe menschlicher Fleischeslust aus. Green blieb ungerührt: „Ich werde es nie bereuen, öffentlich meine religiösen Grundsätze zu verteidigen.“ Seine Glaubensoberen in Salt Lake City, der Hauptstadt von Utah, dürfte der Polygamist mit der Publicity allerdings in Verlegenheit gebracht haben. Denn die Stadt richtet im kommenden Jahr die Olympischen Winterspiele aus, und Berichte von Männern, die sich aus religiösen Gründen einen veritablen Harem halten, passen nicht so recht zum Image einer modernen, fortschrittlichen Gemeinde.

Als die ersten Mormonen in den 40-er Jahren des 19. Jahrhunderts in den unwirtlichen Wüstengebieten Utahs siedelten, war die Vielehe unter ihnen weit verbreitet. Von den Führern der Kirche der Heiligen der Letzten Tage wurde sie sogar als notwendig erachtet, weil viele Propheten des alten Testaments mehrere Frauen gehabt hatten.

Doch schon 1854 wandte sich die Republikanische Partei von Präsident Abraham Lincoln gegen die Polygamie. Sie und die Sklaverei seien die „Zwillingsüberbleibsel der Barbarei“. Im Jahre 1862 stellte der Kongress in Washington die Mehr-Ehe unter Strafe, ein Gesetz, das 1879 vom Obersten Gerichtshof bestätigt wurde. Tausende von Mormonen wurden zu Haftstrafen verurteilt. 1890 schließlich schaffte die Mormonen-Kirche die Polygamie ab, sodass Utah sechs Jahre darauf als 45. Bundesstaat den USA beitreten konnte.

In den vergangenen Jahren sind die Befürworter der Polygamie indes wieder resoluter in der Öffentlichkeit aufgetreten. Nach ihrer Ansicht verstößt das Verbot der Vielehe gegen das Recht auf freie Religionsausübung. Ein unlängst veröffentlichtes Buch mit dem Titel „Stimmen der Harmonie“ lässt so genannte „Mehrfachfrauen“ von den Segnungen eines Haushaltes schwärmen, in dem sich mehrere Frauen einen Mann teilen und in dem es von Kindern nur so wimmelt. Green beispielsweise erwartet allein in diesem Jahr drei weitere Kinder von drei seiner Frauen.

Kritiker hingegen sehen in der Vielehe eine besonders rückständige Form patriarchalischer Lebensweisen. Nach ihrer Überzeugung führt sie häufig zu Kindesmissbrauch und Inzest, aber auch zum Betrug des Sozialversicherungssystems, weil kaum jemand derart große Familien unterhalten kann. Auch Green soll 50000 Dollar Kinderbeihilfe zurückzahlen, die er sich erschlichen haben soll.

Gegner der Polygamie sind nicht unbedingt glücklich über den Prozess. „Wir haben lange gebraucht, bis wir den Staat dazu gebracht haben, zu erkennen, was sich in diesen Gruppen abspielt“, meinte Rowenna Erickson. Sie war selbst eine „Mehrfachfrau“ und arbeitet nun in einer Anti-Polygamie-Organisation. Wegen des Verfahrens, so meint sie, könnten viele Polygamisten nun wieder in den Untergrund abtauchen.

Tom Greens fünf Frauen jedoch bezeichnen sich allesamt als glücklich und zufrieden in ihrer Ehe. Das gilt auch für Linda Kunz, die „Hauptfrau“. Sie gebar Tom das erste Kind, als sie erst dreizehn Jahre alt war – was Green eine zusätzliche Anklage wegen Vergewaltigung einer Minderjährigen eingetragen hat. Doch Linda Kunz steht zu ihrem Mann und seiner Lebensart. „Wenn unsere Familie eine Firma wäre“, beschreibt sie ihre Rolle, „dann wäre ich die Geschäftsführerin.“ In dieser Funktion erfüllt sie mehrere Aufgaben. Eine davon: Sie legt fest, welche Frau jeweils die Nacht mit dem Rotbart Tom Green verbringt.

http://www.sueddeutsche.de/aktuell/sz/artikel42372.php

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