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Verfasser: Renate
Datum: Samstag, den 7. Mai 2005, um 13:34 Uhr
Betrifft: Jon Krakauers Stellungnahme zur Kritik der HLT-Kirche

Shana fragte vor einigen Wochen:

> Falls jemand die 2004 Ausgabe gelesen hat, um welche Änderungen und Korrekturen handelt es sich denn dabei? Nur so im grossen und ganzen. Und was steht denn in der Gegendarstellung des "hohen Amtsträgers", bzw., wer  war denn das?

Nun habe ich mir das Taschenbuch doch noch gekauft und die 25 zusätzlichen Seiten gelesen. Deshalb kann ich deine Fragen nun beantworten.

Krakauer hat sehr sachlich und fair, aber knallhart auf die nicht gerade sachlichen Angriffe seitens der Kirche auf sein Buch geantwortet.

Der "hohe Amtsträger" wird von Krakauer als "hoher Kirchenfunktionär" bezeichnet. Es handelt sich um Richard E. Turley Jr., den Leiter des Family and Church History Department der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage.

Die Kritik Turleys ist hier im Original nachzulesen.

Turleys Kritik wurde vollständig abgedruckt und Krakauer nahm anschließend dazu Stellung. Ich habe wegen der besseren Übersicht alle wörtlichen Zitate aus dem Buch kursiv geschrieben. Krakauer beginnt mit den Worten:

Obwohl ich fast allen Argumenten, die Richard Turley oben angeführt hat, energisch widerspreche, hat er im Mord im Auftrag Gottes fünf kleinere Fehler entdeckt, die ich gern eingestehe."

Bei den fünf Fehlern handelt es sich

1. um Turleys Kritik an Krakauers Worten im sechsten Kapitel zu dem Schauspiel am Berg Cumorah, in dem er nach Turley die übertriebene Behauptung aufgestellt haben soll, dass früher oder später die meisten HLTs dorthin eine Wallfahrt unternehmen. Krakauer erwidert, dass Turley ihn da absichtlich missverstanden hätte. Er hätte eindeutig mit seinen Worten den Berg selbst gemeint und nicht das Schauspiel. Hätte aber um weiteren Missverständnissen vorzubeugen die Stelle in der zweiten Auflage überarbeitet. Dort steht jetzt: ....ist der Berg Cumorah eine der heiligsten Stätten des Mormonentums, und sehr viele Heilige der Letzten Tage unternehmen eine Wallfahrt dorthin.

2. Turley zitierte eine Stelle aus dem siebten Kapitel, in der Krakauer den Apostel Mark E. Peterson als Präsidenten bezeichnet hat. Da gibt Kraukauer Turley recht und meint, das sei eindeutig ein Fehler, der ihm und seiner Lektorin entgangen ist.

3. Turley zu einer Stelle im 15. Kapitel: Krakauer zeigt seine Unkenntnis des Buches Mormon und der Bibel, wenn er Laban als einen ’durchtriebenen, stinkreichen Schafbauern, der im BM und auch im Alten testament vorkommt’, bezeichnet.

Dazu Kraukauer: Turley hat recht: Ich habe Laban aus dem Buch Mormon mit Laban aus dem Alten Testament verwechselt. Ich gestehe meinen Fehler ein.

4. Turley zu einer Stelle aus dem 10. Kapitel: Krakauer vertritt auch den Standpunkt, Orrin Porter Rockwell habe nach Joseph Smiths angeblicher Prophezeiung, dass Lilburn W. Boggs, der frühere Gouverneur von Missouri, bald sterben werde, versucht, Boggs zu ermorden. Dann schreibt er: Dennoch entging Rockwell mühelos der Verhaftung. Weder er noch ein anderer Heiliger wurde wegen der Tat je vor Gericht gestellt.

Dazu Krakauer: Turley weist zu Recht darauf hin, dass ich diesen Punkt teilweise falsch dargestellt habe: Am 8. August 1842 wurde Rockwell verhaftet, für neun Monate eingesperrt und letztlich wieder auf freien Fuß gesetzt ohne des Mordes an Boggs angeklagt zu werden. Ich habe die Stelle überarbeitet um dem Umstand Rechung zu tragen, dass Rockwell nicht der Verhaftung entging, doch ich stehe weiter zu der Behauptung, dass "Rockwell mit ziemlicher Sicherheit der Schütze" war. Für eine ausführlichere Darstellung des berühmten Vorfalls empfehle ich dringend Howard Schindlers hervorragende Biographie Orrin Porter Rockwell: Man of God, Son of Thunder - dasselbe Buch, aus dem Turley zitiert um meine Schilderung Rockwells zu kritisieren. Krakauer zitiert dann ebenfalls ausführlich aus diesem Buch und zeigt auf, dass Turley sich - wie von Apologeten gewohnt - die für ihn passenden Stellen herausgesucht und das Wesentliche verschwiegen hat.

5. Turley kritisiert eine Stelle aus dem Prolog, in dem Krakauer von Mark Hoffmans Fälschungen spricht und da behauptet, dass die Kirche über 400 dieser gefälschten Urkunden erworben hat, weil sie sie für authentisch hielt und sie deshalb in einem Tresor verschlossen hat um sie vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Turley bezeichnet das als maßlose Übertreibung.

Dazu Krakauer:

Turleys Klage ist teilweise berechtigt: Die meisten Fälschungen werden nicht in einem Tresor aufbewahrt, sondern an anderen Orten, die dem prüfenden Blick von Journalisten und Wissenschaftlern unzugänglich sind [...] Die HLT-Kirche verfolgt jedoch die gut dokumentierte Politik, von ihr als heikel eingestufte Urkunden zurückzuhalten, und der wesentlichere Teil meiner Darstellung bedarf keiner Korrektur. Krakauer geht dann noch näher und ausführlich auf dieses Thema ein.

Abschließend bedankt er sich bei Turley für den Hinweis auf die fünf Fehler. Erwähnt aber auch, dass er allen anderen Punkten, die Turleys Kritik ausmachen aufs Heftigste widerspricht. Auf weiteren zehn Seiten geht er noch auf einige Behauptungen von Turley ein, bezeichnet die "Fehler", die ihm Turley ankreidet als reine Meinungsdiskrepanzen und andere Aussagen von Turley sollen anscheinend nur dazu dienen Krakauers Glaubwürdigkeit in Zweifel zu stellen. Er zeigt weiters auf, dass Turley Tatsachen verdreht. Spricht die Besessenheit der Kirchenführung bzgl. strenger Kontrolle über die Darstellung der Kirchengeschichte an, die dazu führt, dass Zensur ausgeübt wird. Er schildert kurz die Darstellung Brigham Youngs als Monogamist (1997), den absoluten Wahrheitsanspruch der Kirche, dass Abweichung und Kritik an der offiziellen Lehre nicht geduldet und mit Ausschluss und Ächtung geahndet werden kann, dass unter der Leitung von zwei Mitgliedern des Rats der zwölf Apostel ein Kommitee zur Stärkung der Kirchenmitglieder eingrichtet wurde, das geheime Akten über Mormonen führt, die es wagen die Kirche zu kritisieren. Da werden u. A. Leserbriefe, politische Aktivitäten, Aussagen gegenüber Reportern, etc., überprüft. Die Studenten der BYU werden sogar dazu herangezogen verdächtige Professoren auszuspionieren.

Am Schluss schreibt Krakauer - wenn die kühne Behauptung der Kirche, die "einzig wahre und von Gott gegebene" zu sein, ernst gemeint ist, dann sollte die Kirche allen Interessierten ihre Archive öffnen und sie zu einer ungehinderten Überprüfung der Mormonengeschichte ermuntern. Krakauer schließt mit den Worten:

Die Männer an der Spitze der HLT-Kirche und ihrer zwölf Millionen Mitglieder verweigern dies jedoch hartnäckig und tun alles, was in ihrer Macht steht, damit die entscheidenden Aspekte der Kirchengeschichte im Dunkeln bleiben. Wie eine derartige Politik den Mormonen oder den Ungläubigen nützen soll, ist schwer zu verstehen.

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