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Verfasser: Renate
Datum: Dienstag, den 7. Dezember 2004, um 17:24 Uhr
Betrifft: Nochmals Bibelverbot

> Da die Bibel bis dahin kostbar und selten war, war sie nicht erschwinglich für den Normalbürger, und die lateinische Schrift und Sprache nur von studierten Leuten lesbar.

Mit "Normalbürger" meinte ich alle, die nicht dem Klerus angehörten. Selbstverständlich hatten damals die Klöster das Monopol in Sachen Bildung. Ebenso selbstverständlich konnten es sich die sogenannten "kleinen Leute" nicht so einfach leisten sich dort zu bilden. Sie hatten auch ganz andere Sorgen. Nichtsdestotrotz war das Erlernen der lateinischen und griechischen Sprache damals weitaus mehr verbreitet als heutzutage. Es gehörte einfach dazu, denn es war nicht nur die Sprache des Klerus, sondern auch der Rechtswissenschaft, der Hochschulen, etc.

Doch nun zu deinen Behauptungen:

Die Bibel war aber nur bei Nichtkatholiken im Haus und wurde dort auch gelesen. Für Katholiken gab es keine Bibel und schon gar nicht die Bibel, die ein Ketzer übersetzt hatte.

Das mag vielleicht - wenn auch nicht grundsätzlich - für einige Jahrhunderte gegolten haben, aber sicher nicht für das 19./20. Jahrhundert. Außerdem - wenn es so Wenige gewesen wären, die an die Bibel herangekommen sind und sich mit ihr beschäftigt haben, wozu dann das große Trara der Kirche mit dem Verbot der Bibel für Laien?

Wen es interessiert - hier kann man die Lebensgeschichte des italienischen Humanisten und Philosophen, Giovanni Pico della Mirandola 1463-1494 nachlesen. Seine Geschichte zeigt deutlich, dass es nicht nur "Vereinzelte" waren, die sich mit der Bibel beschäftigt haben.

Und auch hier ist das zu erkennen:

(Zitat): Der Index verbotener Bücher, der in seiner umfassendsten Form 1559 vorlag, war zwar in erster Linie dafür erarbeitet worden, um häretische Werke aus der katholischen Welt fernzuhalten, doch er betraf auch den moralischen Themenkatalog von Kunst und Literatur.

Gegen 1588 kamen Aretinos Schriften auf diesen Index, auf dem sie während der gesamten frühen Neuzeit vermerkt blieben. Unter kirchlichem Druck unternahmen die Obrigkeiten zunehmend unangemeldete Inspektionen von Buchhandlungen, in denen sie aufgrund der großen Nachfrage nach pornographischen Drucken zumeist auch fündig wurden. Diese Drucke fanden sich in überdurchschnittlich hoher Anzahl in der Republik Venedig, wo Versuche, die Druckgewerbefreiheit einzuschränken auf einen beträchtlichen Widerstand stießen. Außerdem verliehen ihnen die Bemühungen der Inquisition und der päpstliche Index, diese Art der Literatur auszumerzen, einen besonders begehrten Status. Dieselben Verleger, welche die Werke Aretinos und seiner vielfachen Nachahmer heimlich herstellten, wirkten am boomenden Markt für obszöne Drucke mit und steigerten dadurch auch ihr Einkommen. Als Reaktion auf die wachsenden Restriktionen entstand folglich eine illegale Kultur, die wiederum auf der Grundlage dieser Restriktionen gedieh. (Zitat Ende)

Bis auf den heutigen Tag sind Katholiken noch der Meinung, dass sie mit dem Katechismus die Bibel im Hause hätten, weil sie gar nicht wissen, was eine Bibel ist.

Das stimmt so nicht. Ich kann dir versichern, dass zumindest hier in Österreich die Katholiken sehr genau zwischen Bibel und Katechismus unterscheiden können. Dies an Hand deiner Missionserlebnisse in der Schweiz anzuzweifeln, ist etwas weit hergeholt. Es gibt auch noch einen logischen Grund, warum manche Katholiken das vielleicht nicht unterscheiden konnten oder können: Der Großteil der Katholiken in einer Großstadt eines katholischen Landes, besteht aus sogenannten Taufscheinkatholiken. Das bedeutet, sie kümmern sich überhaupt nicht um ihren Glauben, auch nicht um die Bibel, oder sie nützen die Kirche nur als feierlichen Hintergrund für ihre Bräuche, wie Taufe, Kommunion, Firmung, Trauung, Beerdigung. Dann noch eventuell zu den großen Kirchenfesten und -anlässen, wie Christmette, Ostern, Maiandachten, Papstsegen, etc. Die sind nicht wirklich gläubig, sondern wollen die Show vor allem aus Tradition. Man stelle sich mal vor - in erzkatholischen Ländern wie Italien, Spanien und Österreich soll es bis 1962 keine Bibel in den katholischen Haushalten gegeben haben - das ist doch völlig unlogisch und absurd! An den Index hat sich doch schon lange niemand mehr gehalten, auch der Klerus selbst nicht. Das war einfach eine über Jahrhunderte mitgeschleppte Altlast aus der Vergangenheit, die dann 1962 endlich beseitigt worden ist.

> Tatsächlich ist es so, dass die Bibel auf dem Index der verbotenen Bücher stand und das Lesen der Bibel für den Laien Sünde war.

Stimmt. Aber mit einer Einschränkung: Auf dem Index standen die Bibeln und Schriften von Martín Luther, sowie alle Bibeln und Übersetzungen des Neuen Testaments in den jeweiligen Landessprachen, die nicht von der Kirche genehmigt waren. Es gab und gibt aber eine beträchtliche Reihe an genehmigten Übersetzungen. Beispiel:

"Zürcher Katholische Familienbibel" (1947)

"Die Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments"
Aus der Vulgata mit Bezug auf den Grundtext übersetzt von Dr. Joseph Franz von Allioli, weiland katholischer Domprobst in Augsburg (Die Allioli-Bibel erschien ferner in zahlreichen Prachtausgaben und war die am weitesten verbreitete katholische Bibel des 19. und frühen 20. Jahrhunderts.)

"Das Neue Testament unseres Herrn Jesus Christus"
Übersetzt und erklärt von Augustin Arndt S.J. 2. Auflage mit Approbation des Heiligen Apostolischen Stuhles, des Bischöflichen Ordinariats und der Ordensobern. Regensburg und Rom, 1913 (1. Auflage 1897, das AT erschien 1906)
Quelle

Deutsche Bibelausgaben ab 1531

Der Index der verbotenen Bücher.

> Wenn auch in den für die Öffentlichkeit bestimmten Beschlusstexten des 2. Vatikanischen Konsils nichts darüber zu lesen ist, so ist es dennoch ein Fakt, dass von dem Zeitpunkt an (wohl wegen des Drucks der Öffentlichkeit) das Lesen der Bibel dem Volk gestattet war.

Nein, das ist kein Fakt. Beim zweiten Vatikanischen Konzil wurden viele "Altlasten" entfernt, darunter auch besagter Index. Stattdessen entstand die sogenannte "Kongregation für die Glaubenslehre". Einzusehen auf der Webseite des Vatikans. Außerdem wurde die Erlaubnis erteilt, die Liturgie großteils in den Landessprachen zu abzuhalten, vorher war das nur in Latein möglich. Aus diesem Grund verlangten die Priester dann nach einer Einheitsübersetzung der Bibel, damit bei der Liturgie einheitliche Bibeltexte verwendet werden konnten.

Außerdem - denkst du nicht auch, dass eine so wichtige sensationelle Entscheidung, wie die Aufhebung des Bibelleseverbots für alle Katholiken nicht groß verkündet worden wäre? Dazu ist aber weder etwas in den Dokumenten des Konzils noch auf den diversen Webseiten der Orden, Klöster, Pfarren und anderen katholischen Institutionen zu lesen.

Es entspricht also weder der Wahrheit, dass die Katholiken bis 1962 nicht die Bibel lesen durften, noch, dass die gläubigen Katholiken großteils den Unterschied zwischen Bibel und Katechismus nicht kennen. Auch bei den Katholiken war z.B. die Familienbibel üblich, in die alle besonderen Ereignisse, wie Geburt, Trauung, Sterbefälle in einer Familie eingetragen worden sind. Außerdem gab es schon sehr lange viele katholische Übersetzungen einzelner Bücher der Bibel, oder des gesamten AT und des gesamten NT getrennt.

Damit schließe ich dieses Thema ab, denn ich will ja nicht zur Verteigerin der Katholische Kirche werden. Besonders deshalb nicht, weil ich sie für die größte christliche Sekte halte. Trotzdem sollte man keine Unwahrheiten über sie verbreiten, es gibt genügend echte Vorwürfe, die man ihr machen kann.

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