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Seite erstellt am 18.4.24 um 13:23 Uhr
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Verfasser: SvenB
Datum: Samstag, den 4. September 2004, um 18:15 Uhr
Betrifft: Ignoranz ist auch keine Lösung

Hallo Hexe!

Im Internet finden sich viele Seiten zu dem Thema. Ich trage dir hier kurz zusammen, was ich weiß.

>Ich habe gerade eine sehr intensive Diskussion mit einem 150% Mormonen, der behauptet, das es vor 1843 keine niedergeschriebene Offenbarung über die Vielehe geben würde, und das JS Frauen heiraten durfte, die 14 Jahre alt waren, weil in den Staaten die Ehemündigkeit mit 14 Jahren erreicht wäre. Auch behauptete er (trotz Mormon Enigma), das Emma Smith mit den Ehen ihres Mannes einverstanden wäre.

1.      das vor 1843 keine offiziellen Verlautbarungen gemacht wurden ist richtig, aber was macht das für einen Unterschied? Es ist ja nicht zu übersehen, dass Joseph sich mit diesem Thema Jahre vorher beschäftigte und heimlich die Vielehe einführte.
2.      zur Ehemündigkeit konnte ich keine Informationen finden, in zivilisierten Gesellschaften im Mittelalter lag das Alter der Ehemündigkeit bei 14-15, im neunzehnten Jahrhundert meist bei 20-22, im 20. Jahrhundert wurde die Ehemündigkeit wieder heruntergesetzt (18). Selbst wenn es richtig ist, dass man damals mit 14 heiraten durfte, wäre die Heirat einer 14-jährigen trotz allem außergewöhnlich gewesen, insbesondere weil Joseph ja schon verheiratet und viel älter war.
3.      Es gibt mehrere Quellen, die belegen, dass Emma Smith eher eine Gegnerin der Polygamie war, denn eine Befürworterin.

Nun zum Thema:

Im Abschnitt 101 der Lehre und Bündnisse findet sich im Vers 4 folgende Aussage (die in der GK1835 verabschiedet wurde): "Inasmuch as this church of Christ has been reproached with the crime of fornication, and polygamy: we declare that we believe, that one man should have but one wife; and one woman, but one husband, except in case of death, when either is at liberty to marry again." Dieser Vers wurde 1876 aus dem LuB wieder herausgenommen und findet sich noch in den Splittergruppen der RLDS usw.
Interessant ist, dass das Thema damals schon offiziell diskutiert wurde. Es muss also Gerüchte und Diskussionen gegeben haben. Der Abschnitt wurde 1876 durch den 132. ersetzt. Brigham Young behauptete, dass der Artikel von Oliver Cowdery gegen den Willen von Joseph Smith geschrieben wurde und nicht in Lehre und Bündnisse gehört. Schwaches Argument, denn Joseph hätte das Statement leicht verhindern können, Brigham hätte es später ebenfalls früher entfernen lassen können.

Polygamie war ein großes öffentliches Thema, wenn es um Mormonen ging. Joseph Smith hat in Nauvoo und Kirtland das Praktizieren der Polygamie geleugnet (HC 6:411, 5:72). In einer Tageszeitung warf man die Frage 1838 auf: „praktizieren die Mormonen Polygamie? Nein, nein nicht mehrere Frauen zur selben Zeit“ war die Antwort der Mormonen.

Im Frühjahr 1932 kann man in der Autobiografie (Seite 62-63) von Mosiah Hancock, der Joseph Smith nahe stand, Verteidigungs-Thesen für die patriarchalische Vielehe lesen, die in den 50er Jahren in ähnlicher Weise von Orson Pratt benutzt wurden.

Natürlich könnte man die ganzen Vorkommnisse (und dies ist nur ein kleiner Teil) ins Reich der Fabel und Gerüchteküche verweisen, WENN die Polygamie nie eingeführt worden wäre! Bis nach der Jahrhundertwende wurden in der offiziellen Mormonenkirche Vielehen von höchster Stelle vollzogen. Wer sich auf den offiziellen Abschnitt von 1843 bezieht, verschließt die Augen und macht sich was vor.

In dem Buch „The sacred loneliness / The plural wives of Joseph Smith“ kann man eine Unmenge von Quellenmaterial zu dem Thema finden. Das Quellenmaterial von Fanny Alger ist natürlich das am schlechtesten belegte, allerdings halte ich es für ausreichend, um zu beweisen, dass er mit diesem Mädchen eine Beziehung pflegte. Die Biografien der späteren Frauen sind auch mit dem Quellenmaterial gut nachzuvollziehen. Interessanterweise heirateten Joseph Smith Singles, Witwen und verheiratete Frauen. 1838 heiratete er Lucinda Pendelton, 1841 Louisa Beaman (sie verließ für Joseph ihren Ehemann J. Noble, der sein Einverständnis gab und später selbst 12 Frauen heiraten durfte/sollte, Quelle: Tagebuch von Joseph Noble, Lee Library u. a.).

Bis 1843 heiratete er insgesamt 17 Frauen, deren Geschichte gut belegt ist. Wer dies leugnet, zieht auch diese Frauen in den Schmutz. 33 Biografien sind in dem Buch verfügbar, damit sind nicht die vielen Frauen gemeint, die sich nach seinem Tod an ihn gesiegelt haben.

Das die meisten Mitglieder sich weder mit dem Thema oder z. B. mit dem Exil der Kirchenführer in Mexiko beschäftigen, ist einfach nur Ignoranz und Angst vor unangenehmen kirchengeschichtlichen und theologischen Fakten.

Grüße,
Sven.

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