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Verfasser: SvenB
Datum: Samstag, den 24. Juli 2004, um 10:10 Uhr
Betrifft: Die Gewissensfrage :-)

Ich liebe diese Kolumne im SZ-Magazin, in die Fragen der Moral teils ironisch, teils ernst beantwortet werden!

http://sz-magazin.sueddeutsche.de/

Heute mal was passendes für´s Forum:

SZ-Magazin: #30 2004

Was? Das falsche Nass?

»Meine Großeltern haben sich von einer Pilgerfahrt ›heilendes Wunderwasser‹ mitgebracht und berichten, sie hätten bei Schmerzen dadurch Linderung erfahren. Doch nun geht das Wundermittel zur Neige. Wäre es aus Ihrer Sicht vertretbar, wenn ich meinen Großeltern einen Kanister Leitungswassers mitbringe, als ›heilendes Wunderwasser‹ deklariert, um ihnen die anstrengende Reise zu ersparen? Ich selber glaube an keine – über den Placebo-Effekt hinausgehende – Wirkung des Wassers. Meine Großeltern würden (aus meiner Sicht) keinen Unterschied zu ihrem ›echten Heilwasser‹ feststellen. «

DIETRICH T., PADERBORN

Alles scheint eine Frage der Sichtweise zu sein: Was ist der Zweck eines »heilenden Wunderwassers«? Doch sicherlich die Heilung und weniger das Wunder; das eine bleibt Mittel zum anderen. Und wenn die Heilung auch ohne Wunder erfolgt, umso besser. Man könnte sogar weiter gehen und fragen, was ein »heilendes Wunderwasser« überhaupt auszeichnet? Auch hier lautet die Antwort wieder: die Heilung, sofern sie unerklärlich mirakulös erfolgt. Untergeordnet dagegen die Herkunft. Zeigt Ihr Leitungswasser also derartige Wirkungen, ist es wohl nicht nur als »heilendes Wunderwasser« deklariert worden, sondern gleichsam auf wundersame Weise zu einem solchen geworden. Das Ganze läuft nach dem Prinzip: Der Zweck heiligt das Wasser.
Nun fragen Sie: Ist dieses Vorhaben moralisch vertretbar? Ich antworte: Nein, Sie treiben damit ein böses Spiel. Und zwar in doppelter Hinsicht. Zum einen erheben Sie sich über Ihre Großeltern, wenn Sie meinen, die Wirkung des Wassers besser zu kennen, und diesen Vorsprung zu einer Täuschung benutzen. Das allein ist schon nicht schön. Denn Sie wollen Oma und Opa damit nicht nur manipulieren, sondern entmündigen sie sogar in gewisser Hinsicht. Und vor allem agieren Sie dabei auf einem besonders sensiblen Gebiet, nämlich dem des Glaubens. Dieser Umstand macht Ihre Idee meines Erachtens endgültig unvertretbar.
Es gibt doch auch keinen zwingenden Grund für Ihr Täuschungsmanöver. Ich werde sogar das Gefühl nicht los, dass es Ihnen mehr darum geht, Recht zu haben, als Ihren Großeltern einen Gefallen zu tun. Läge es Ihnen an diesem allein, müssten Sie eben das Originalwasser besorgen.

RAINER ERLINGER, MORALKOLUMNIST

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Aus dem aktuellem SZ-Magazin, welches Freitags erscheint

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