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Verfasser: Hexe
Datum: Montag, den 26. Januar 2004, um 23:33 Uhr
Betrifft: Mormonisches Trauma

Gestern saß ich in meinem Wohnzimmer gemütlich bei einer Flasche Rotwein. Vor mir alte Tagebucheintragungen, und ich sinnierte darüber, was ich in der Zeit vor, während, und nach meinem Ausschlussverfahren, so alles erlebt und gefühlt hatte.
Es war die Angst, die mich bei dieser Kirche trotz all meiner Fragen und Unstimmigkeiten in der mormonischen Kirchenlehre hielt! Es war die Furcht vor einem strafenden Gott, der mich verdammen würde, wenn ich je die Kirche verlassen würde! Es war die jahrelang exindoktrinierte Vorstellung von dem Verbot der Liebe zum gleichen Geschlecht, die all mein Begehren abtötete! Und es war meine mormonische Familie, deren Liebe und Akzeptanz ich brauchte, um überleben zu können.
Ich wurde zu Meisterin im Verdrängen und Heucheln, und dann, eines Tages, erfuhr jemand von meinen Zweifeln an diversen Kirchenlehren, und zeigte mich beim Bischof an. Mir kam das Gespräch damals wie ein Verhör zur Zeit der McCarthy- Zeit, als der Delinquent keine Chance hatte, vor! Ich war schuldig, und alles, was ich sagte, wurde gegen mich verwendet.
Meine Familie sagte mir, das sie mit Kirchenkritikern nichts zu tun haben wollte, meine „Freunde“ in der Kirche kündigten ihre „Freundschaft“, und ich wurde ausgeschlossen.
Ich merkte, wie sehr meine menschlichen Kontakte von der Kirche bestimmt waren, da, außer zur Missionsarbeit, ich keine engen Freundschaften außerhalb der Kirche hatte.
Ich vereinsamte, und ging kaum raus, aus Angst, ehemaligen Geschwistern oder Familienangehörige zu treffen.
Nacht für Nacht lag ich wach in meinem Bett, und hatte Angst, das „Gottes Strafe“ mich treffen würde, weil ich Zweifel an „seiner“ Kirche hatte! Weil ich mein eigenes Geschlecht liebte, oder, das ich schutzlos „den Dämonen“ (lacht nicht, so einen Stuss glaubte ich damals wirklich) ausgeliefert sei, weil „das Priestertum nicht in meiner Mitte“ wäre!
Ich wurde hochgradig psychotisch, und landete in der Klapse.
Dann, nach etwa einem halben Jahr, kam ich da wieder raus.
Rückblickend auf diese Zeit, scheint es mir, das Mormonen, wie mehr oder weniger alle anderen Sekten, dieses mögliche Trauma dadurch verhindern, das sie alles ignorieren, was ihrem Traumbild widerspricht. Die Wirklichkeit ist nicht interessant, das Wunschbild schon!
Und wenn es eine Störung dieses Bildes gibt, etwa, wenn Fragen und Zweifel auftauchen, tritt das sogenannte „Dissonanz- Management“ ein, die Verleugnung und Verdrängung der Realität.
Und dann, wenn das Band zwischen Kirche und Mitglied durchtrennt ist, fängt der Katzenjammer an! Dann verleugnen viele ihr Wissen, und gehen in eine „Kirche“ zurück, von der sie eigentlich wissen müssten, das diese „Kirche“ sie belügt und betrügt!
Das einzelne Mitglied gibt sich dann oft selbst die Schuld, und fängt an, psychotisch zu werden, und/oder Suchtmittel zu nehmen.
Ein Teufelskreis!
Ein Teufelskreis, der meiner Meinung nur dann durchbrochen werden kann, wenn sich das ehemalige Mitglied der Wahrheit stellt! Keine Ausflüchte, keine Verdrängungsmechanismen, keine Abschwächung der eigenen Zweifel mehr, sondern nur die nackte Wahrheit!

Hexe

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