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Beitrag 13 von 31
zum Thema Ralfs Zweigpräsidentschaft - mal anders gesehen !
Seite erstellt am 20.4.24 um 9:12 Uhr
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Verfasser: Henning
Datum: Samstag, den 20. Januar 2001, um 23:44 Uhr
Betrifft: Verantwortungen

Hallo Renate,

da hast Du sicher recht.
Solche Dinge verdienen eine (sicherlich schwer zu erbringende) Rechtfertigung und Erklährung vor Gott.

Es ist traurig, wenn Kinder in eine Religion hineingeboren werden, wo die Eltern die Grundsätze dieser Religion so missverstehen, dass sie zu Fanatikern werden und ihre Kinder zwingen, sich ihrem Verständnis dieser Lehren zu unterwerfen. Diese Kinder wachsen seelisch gestört auf, entwickeln ein gestörtes Verhältnis zu ihrer Sexualität und zu Gleichaltrigen und leben in Angst.
Dies ist ja besonders in gefährlichen Sekten zu beobachten, kommt aber in jeder Religion vor. Ich kenne das aus meiner eigenen Familie. Mein Schwiegervater war und ist auch ein Fanatiker. Er hat versucht, sein eigenes Kloster mit seiner Familie und seinen Kindern aufzuziehen, so mit stundenlang beten und knien und Rosenkranz und so. Meine Frau ist glücklicherweise schon mit 13 abgehauen, aber die anderen waren nicht so schlau und haben nun einen Knax weg. Der eine ist schon tot.

So etwas ist so traurig. Besonders schlimm ist es dann, wenn eine Lehre einer Kirche sich grundsätzlich gegen die Familie richtet, wenn Dinge so nicht geschehen, wie sich die Kirchenführer oder "Ältesten" oder die Eltern denken und wünschen. Wie z.B. bei den Zeugen Jehovahs. Die Sache mit der Trennung von eigenen Kindern, wenn die einen "Ungläubigen" heiraten oder selber nicht mehr an die Kirche glauben, bzw. die Sache mit den Blutkonserven ist schon eine tragische Sache.

Solche Dinge, wie Du sie da beschrieben hast sind auf jeden Fall tragisch und kommen auch in den Gemeinden der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage vor, dennoch bleiben diese Fälle immer noch die Ausnahme und sind nicht die Regel. Solches Verhalten wird auch offiziell abgelehnt und entspricht nicht den Lehren der Kirche, siehe Lehre und Bündnisse 121, wo die Mitglieder ganz klar ermahnt werden, in Bezug auf Machtausübung ganz klare Anweisungen einzuhalten und das Priestertum in Liebe auszuüben. Diese Grundlagen werden immernoch oft genug verletzt, aber das ist ausserhalb dessen, was innerhalb der Kirche gelehrt wird. Ein strenger Erziehungsstil ist einfach nicht mehr angesagt.
Gerade heute hat in einer Priestertumsversammlung des Pfahles Frankfurt ein junger Bruder unter Tränen sein Zeugnis davon gegeben, wie dankbar er dafür war, dass seine Eltern ihm einfach nur ein gutes Beispiel gegeben haben und ihn niemals gezwungen haben zur Kirche zu gehen, wenn er nicht wollte. Das finde ich echt toll. Er liebt seine Eltern und seine Eltern lieben ihn. Er war dankbar dafür, dass immerm, wenn wieder einmal eine Krise in seinem Leben war - als Jugendlicher - das dann sein Vater mit ihm weggefahren war, einfach ganz weit weg, damit beide Zeit hatten um zu quatschen oder einfach nur zuzuhören.
Das sind die Dinge, die wir unseren Kindern und Geschwistern in der Kirche lehren sollten, wenn wir noch eine haben wo wir etwas lehren können. Und diese Dinge werden auch so gelehrt und dafür bin ich dankbar.

Eine andere Sache, die mich traurig macht, ist die, wenn Mitglieder Probleme haben, weil sie bestimmte Grundsätze nicht richtig erklärt bekommen, bzw. auf Missverständnis stossen oder sogar Ablehnung. Da wird man schnell verbittert.
Aber manche Probleme werden sehr subjektiv vom Betroffenen verstanden, so dass es für einen Mitmenschen schwer ist, dieses nachzuvollziehen. Auch das kann vorkommen.

Wenn Leben "verpfuschen", wie Du es sagst, weil bestimmte Dinge gesagt oder nicht gesagt wurden, weil man sich überfordert gefühlt hat, dann ist das traurig. Wenn die Schuld dafür bei der Gemeinschaft liegt, dann trägt sie auch dafür die Verantwortung. Allzuhäufig jedoch, kann sich der oder die Betreffende nicht völlig aus der Verantwortung stehlen.
Es ist immer so einfach, Schuld schlicht auf eine anonyme Institution zu schieben. Die Kirche ist schuld. Die Mormonen haben mein Leben verpfuscht.
Aber sind wir doch ehrlich. Man hat sein Zeugnis von bestimmten Grundsätzen verloren (z.B. dem Wort der Weisheit - nix mehr Alkohol, oder dem Gesetz des Zehnten - die wollen nur meine Kohle,...) und dann fühlt man sich nur noch durch die teilweise sogar unausgesprochenen Ansprüche der Gemeinschaft angeätzt, oder weil der Bischof etwas sagt. Man fühlt sich nicht mehr dazugehörig. Da ich aber einen Grossteil meines Lebens in dieser Kirche zugebracht habe, stehe ich nun in einem Widerspruch. Da muss ich irgendwie raus. Und dazu kommt es dann auch meist.
Also - die Kirche ist schuld. Mein Leben ist verpfuscht. Wer hat Euch eigendlich erlaubt, mir zu sagen, wie ich zu leben habe.

Oder ich versuche zu verstehen und bemühe mich wieder um ein Zeugnis.

Als ich Zweigpräsident war hatte ich mal so einen. Bevor er sich innerhalb meiner Amtszeit der Kirche anschloss war er Alkoholiker. Kurz nach seiner Taufe wurde er rückfällig. Wir alle hatten uns echt um ihn bemüht, und er wollte sich auch wieder ändern und professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Als er sich dann eines Tages selber in seiner Wohnung anzündete (muss man sich mal vorstellen - der übergoss sich mit irgend einem Scheiss und zündete sich dann an - in seiner Wohnung) bat er um Hilfe. Er trug dann immer eine Mütze, weil er nun ja keine Haare mehr hatte. Ich sagte ihm - "Halte das Wort der Weisheit" "Suche Dir professionelle Hilfe" Er wollte nicht. Er sagte, dass Wort der Weisheit sei völlig überzogen und brach kurz darauf den Kontakt ab.
Ich dachte echt - wo lebe ich denn. Er will mir erzählen, dass das Wort der Weisheit überzogen ist, dabei ist er doch der lebendige Beweis für die Wahrheit dieses Gesetzes. Hinterher war er natürlich sauer auf uns. In gewisser Weise waren wir, seiner Meinung nach, auch Schuld an seinem Gemütszustand.

Verpfuschte Leben - hm.
Also ich habe festgestellt, das jede Geschichte einzeln erzählt werden muss. Manche beschrenken sich darauf, nur eine Seite der Medaille zu betrachten. Ich versuche, das nicht zu tun.

Gruss, Henning

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