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Seite erstellt am 29.3.24 um 15:09 Uhr
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Verfasser: James
Datum: Dienstag, den 16. Januar 2001, um 6:09 Uhr
Betrifft: Sie brauchen es

Gunar schrieb unter "Anti " Co."

> Das ist hier eine Anti-Mormonen-Seite (O-Ton Andreas, mein Zusatz)

>Was bei mir wieder einmal die Frage hervorruft, ob eine „anti-mormonische“ Gesinnung eine unabdingbare Voraussetzung dafür ist, die Wahrheit über den Mormonismus verbreiten zu dürfen. Im Lichte der immer wieder stattfindenden Exkommunizierungen ehrlicher HLT-Historiker sowie solch witziger, wenngleich überzeugter Aussagen wie der obigen, sollte man es wohl annehmen.

Andere Menschen, insbesondere "Andersdenker" (und das auch noch laut!) zu klassifizieren ist eine "unabdingbare Voraussetzung". Alles ist schwarz bzw. weiss. Entweder Mormone oder Anti-Mormone. Der Anhänger von Massenbewegungen, der Mormonismus ist nichts anderes, hat bestimmte Merkmale u.a. den Gruppenzwang, das sich freiwillig unterordnen. Der "Anti" muß dann auch als Gegengewicht als kohärente Gruppe gesehen, besser, gefühlt werden. Man fühlt sich ewig "verfolgt." Gäbe es die "Antis" nicht, dann würden sie sie erfinden. Haß spielt hierbei ein wichtige Rolle. Alleine die Wortwahl drückt es bereits aus: "Anti", nicht Andersdenker etc.

Am besten hier ausgedrückt:

Eric Hoffer beschreibt in seinem "Der Fanatiker. Eine Pathologie des Parteigängers," Frankfurt a. M., 1999, den wahren Gläubigen. Der Titel der deutschen Übersetzung und Ausgabe ist m. E. n. unglücklich gewählt. Im Original lautet dieser "The True Believer. Thoughts on the Nature of Mass Movements," (New York, 1951), besser wäre "Der wahre Gläubige. Gedanken über die Natur von Massenbewegungen," deshalb auch, weil Hoffer im Text den Unterschied macht zwischen dem "wahren Gläubigen" (dem Anhänger einer Massenbewegung) und einem Fanatiker (dieser trägt innerhalb dieser Bewegung eine wichtige Rolle). Hoffer war an der Frage interessiert, warum Massenbewegungen eine solche starke Anziehungskraft ausüben, warum und welche Menschen diese Bewegungen ins Leben riefen und welche von ihnen angezogen wurden,
Ãœber 400.000 Exemplare vom "True Believer" wurden im Laufe der Jahre verkauft, es wurde in zwölf Sprachen übersetzt, und weil US-Präsident Eisenhower dieses Buch immer wieder seinen Freunden empfahl, galt es bald als  "Ikes Lieblingsbuch." (Der Fanatiker, S.297)

Hoffer beschreibt

"Besonderheiten, die allen Massenbewegungen gemeinsam sind, seien es religiöse oder nationalistische Bewegungen oder soziale Revolutionen." (Der Fanatiker, ebd. S. 7)

Hoffer behauptet nicht,

"daß alle diese Bewegungen einander glichen, sondern daß sie wesentliche Merkmale, die ihnen Familienähnlichkeit verleihen, gemeinsam haben. Alle Massenbewegungen erzeugen in ihren Anhängern die Bereitschaft zu sterben und den Drang zu geschlossener Aktion; alle züchten - ohne Rücksicht auf die Doktrin, die sie predigen, und das Programm, das sie sich vornehmen, - Fanatismus, glühende Hoffnung, Enthusiasmus, Haß und Intoleranz. Sie alle sind imstande, einen mächtigen Strom der Aktivität in gewissen Lebensbereichen zu entfesseln, und sie alle fordern blinden Gehorsam und unbeirrbare Gefolgschaft. ... Sie appellieren an eine bestimmten, immer selben Typus menschlichen Geistes.
Obgleich es offensichtlich Unterschiede gibt, zwischen einem fanatischen Christen, einem fanatischen Mohammedaner, einem fanatischen Nationalisten, einem fanatischen Kommunisten und einem fanatischen Nazi. kann der Fanatismus, der sie beherrscht, als ein und derselbe betrachtet werden." (ebd.)

Hoffer fragt sich wie es kommt, dass wahre Gläubige und Fanatiker prahlen, Selbstgerechtigkeit zeigen, und sich verfolgt fühlen:

"Hinter jedem prahlerischen Wort und Akt und hinter jeder Manifestation der Selbstgerechtigkeit steht ein schlechtes Gewissen.
...
Die wirksamste Methode, das schlechte Gewissen zum Schweigen zu bringen, ist, sich einzureden, die, gegen die man sich versündigt hat, seien schlechte Kreaturen, die jede Strafe, selbst den Tod, verdient hätten.
...
Eine erhabene Religion erzeugt ganz unvermeidlich ein starkes Schuldbewußtsein. Es bildet sich ein notwendiger Kontrast zwischen der Erhabenheit des Bekenntnisses und der Unvollkommenheit der praktischen Durchführung. Und wie zu erwarten, fördert das Schuldbewußtsein Haß und Unverschämtheit. Und so scheint es, daß der Haß um so blühender wuchert, je erhabener der Glaube ist, der ihn hervorbringt. Es ist leichter, einen Feind zu hassen, der viel Gutes an sich hat, als einen, der durch und durch schlecht ist.
...
Hitler ... zog einen bemerkenswerten Schluß: Es sein von äußerster Wichtigkeit, daß die Nationalsozialisten den bittersten Haß ihrer Gegner auf sich zögen und ihn verdienen. Dieser Haß sei ihm der Beweis der Überlegenheit des nationalistischen Glaubens. »Der beste Gradmesser für den Wert seiner Gesinnung, die Aufrichtigkeit seiner Überzeugung und die Kraft seines Willens, ist die Feindschaft, die ihm von seiten des Todfeindes unseres Volkes entgegengebracht wird.«" (S.386)
...
Man neigt leicht zu der verbreiteten Meinung, der Rechtgläubige (engl. true believer), insbesondere der religiöse Mensch, sei demütig. In Wirklichkeit aber erzeugen Selbstaufgabe und Selbsterniedrigung Stolz und Arroganz. Der Rechtgläubige (engl. true believer) ist sehr leicht geneigt, sich als den Auserwählten zu betrachten, als das Salz der Erde, das Licht der Welt, als einen Fürsten im Mantel der Demut, der dazu bestimmt ist, diese Erde und das himmlische Reich zu erben. Wer nicht seines Glaubens ist, ist böse; wer nicht hören will, muß zugrunde gehen.
Weiter: wenn wir unser Ich ablegen und Teil eines geschlossenen Ganzen werden, verzichten wir nicht nur auf den persönlichen Vorteil, sondern auch auf die persönliche Verantwortung." (S.120ff.)

Das Gefühl verfolgt zu werden entspringt einem tieferliegenden Gefühl des Hasses:

"Haß ist die am leichtesten zu handhabende uns verständlichste alle gemeinschaftsbildenden Kräfte. Er reißt das Individuum von seinem Ich los.
...
(Der Haß) ist Ausdruck der verzweifelten Anstrengung, das Bewußtsein der Unzulänglichkeit, Wertlosigkeit, Schuld und anderer Mängel des Ich zu unterdrücken. Hier wandelt sich Selbstverachtung in Haß gegen andere, und wir bemühen uns entschlossen und hartnäckig, diese Wandlung zu verdecken.
...
Selbst im Falle eines gerechten Grolls entspringt unser Haß weniger dem Umstand, daß uns Unrecht zugefügt wurde, als vielmehr dem persönlichen Bewußtsein der Hilflosigkeit, Unzulänglichkeit und Feigheit - mit anderen Worten, der Selbstverachtung." (S.114ff.)

Ein wichtiger Faktor der Massenbewegung ist die Gruppenbildung, Nachahmung und der Gehorsam:

"Nachahmung ist ein wesentlicher gemeinschaftsbildender Faktor. Die Entwicklung einer geschlossenen Gruppe ist unvorstellbar ohne immer weiter um sich greifende Gleichförmigkeit. Einmütigkeit und Gleichschaltung, von jeder Massenbewegung hochgeschätzt, werden ebensosehr durch Nachahmung wie durch Gehorsam bewirkt.
...
Die große Bürde des Enttäuschten ist das Bewußtsein seines kraftlosen, fehlerhaften Ich, und es ist seine größte Sehnsucht, sich von dieser Bürde zu befreien und ein neues Leben zu beginnen. Er versucht, diese Sehnsucht zu verwirklichen, indem er sich entweder eine neue Identität sucht oder damit anfängt, seine Individualität zu verwischen und zu tarnen. Zu beiden Zielen verhilft ihm die Nachahmung.
Je weniger Befriedigung wir aus dem Ich-Selbst-Sein erhalten, desto größer ist unser Verlangen, wie andere zu sein. Und so sind wir eher dazu bereit, Menschen zu kopieren, die von uns verschieden sind, als solche, die uns fast gleich sind, eher solche, die wir bewundern, als solche, die wir verachten.
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Schließlich regt der Mangel an Selbstvertrauen, charakteristisch für den Enttäuschten, den Nachahmungstrieb sehr heftig an. Je mehr wir nämlich unserem Urteil und unserem Glück mißtrauen, desto eher sind wir bereit, dem Beispiel anderer zu folgen.
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Die Imitation ist oftmals der kürzere Weg zur Lösung. Wir kopieren einfach, wo uns Neigung, Fähigkeit oder Zeit zu einer eigenständigen Lösung fehlt. Gehetzte Menschen kopieren daher mehr als solche mit Muße. Und so neigt Betriebsamkeit dazu, Gleichförmigkeit zu erzeugen. In der bewußten Verschmelzung von Individuen zu geschlossenen Gruppen wir die unablässige Beschäftigung eine beträchtliche Rolle spielen.
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Die Gläubigen sind leicht zu führen und zu formen, aber auch ebenso empfänglich für Fremdeinflüsse. Man hat den Eindruck, daß die total vereinheitlichte Gruppe leicht zu verführen und zu korrumpieren ist. Die Sprache der Massenbewegung fließt daher über von Ermahnungen nur ja keine fremden Vorbilder zu kopieren und »deren Abscheulichkeiten nachzuahmen«. Die Nachahmung von Außenseitern wird als Verrat und Abtrünnigkeit gebrandmarkt. ... Jedes Mittel wird dazu benutzt, den Gläubigen vom Verkehr mit Nichtgläubigen abzuhalten. Einige ... gehen gar so weit, ihre Gefolgschaft in die Wildnis zu führen, damit der neue Lebensmodus sich ungestört aufprägen kann."  (S.127ff.)

Für alle Massenbewegungen ist der Gehorsam die erste Tugend. Sie setzen ihn mit den Glauben auf eine Stufe ... Menschen, deren Leben unschöpferisch und unsicher ist, scheinen eine größere Bereitschaft zum Gehorsam zu zeigen als Menschen, die sich selbst genügen und Selbstvertrauen besitzen. Den Enttäuschten bedeutet die Erlösung von der Verantwortlichkeit mehr als die Erlösung aus der Unfreiheit. Sie sind nur zu gern dazu bereit, ihre Unabhängigkeit gegen die Befreiung von der Last des Wollens, des Entscheidens und der Verantwortung für unvermeidliches Scheitern zu verschachern. Nur zu gern schwören sie der eigenen Lebensführung zugunsten derer ab, die planen, kommandieren und Verantwortung tragen wollen. Darüber hinaus ist ihnen die Unterwerfung aller unter einen Führer ein Schritt auf ihr Ideal der Gleichheit hin.
...
Aus den Enttäuschten werden mit großer Wahrscheinlichkeit auch die standhaftesten Gefolgsleute.
...
Die Enttäuschten folgen einem Führer weniger um des Glaubens willen, er führe sie in das gelobte Land, als vielmehr wegen ihres intuitiven Gefühls, daß er sie von ihrem unerwünschten Ich wegführen wird." (S. 148ff.)

James

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